Fotografin in Afghanistan ermordet

Kriegsfotografin Anja Niedringhaus arbeitete für AP in Afghanistan.
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Frau Niedringhaus, Sie haben als erste Deutsche den Pulitzerpreis für Fotografie bekommen - und haben das Fotografieren noch nicht einmal gelernt.
Nein. Und darüber bin ich ehrlich gesagt ganz froh. Denn ich hab mich beim Fotografieren nie an irgendwelche Regeln gehalten. Natürlich weiß ich, dass ich einen gewissen Nachrichtenwert übermitteln muss, aber ich fotografiere praktisch nur aus dem Bauch (lacht).

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Gestartet haben Sie Ihre Karriere als Germanistikstudentin beim Göttinger Tageblatt.
Ja, und da hab ich wie üblich mit den Karnickelzüchtern angefangen. Das Göttinger Tageblatt suchte eigentlich nur freie Mitarbeiter zum Schreiben. Aber bei einer großen Demo hab ich dann einfach meine Kamera mitgenommen und gesagt: "Wenn ihr noch Fotos braucht, hier sind welche!" Seit dem Tag war ich freie Mitarbeiterin in der Fotoredaktion.

Der Einstieg bei der European Pressphoto Agency in Frankfurt ging ähnlich abrupt vonstatten.
Ja, da hatte ich mich eigentlich nur aus Spaß um ein Volontariat beworben. Aber dann hat der Chef gesagt: "Mädchen, du musst gar kein Volontariat machen. Ich geb dir nen Vertrag." Und ich hab geantwortet: "Oh, das muss ich mir aber erst überlegen." Ich wollte nämlich gar nicht aus Göttingen weg.

Und wie sind Sie dann Kriegsfotografin geworden?
Anfang der 90er sind die Jugoslawien-Kriege ausgebrochen. Ein Krieg mitten in Europa, das fand ich unglaublich. Da wollte ich unbedingt hin. Man wollte mich aber nicht hinschicken. Es hieß: Ich sei eine Frau, zu jung und hätte keine Kriegserfahrung. Ich hab dann aber sehr gedrängelt - bis sie mich gehen ließen.

Sind Sie als weiblicher Fotograf noch öfter an Grenzen gestoßen?
Die meisten Agenturen haben ja überhaupt keine Fotografinnen. Die Kolleginnen, die ich hatte, waren bei AP. Aber das waren alles Frauen in meinem Alter, und die kriegten irgendwann Kinder. Und dann geht man natürlich nicht mehr in Krisengebiete. So wie ich arbeite - ich bin acht Monate im Jahr im Ausland – wäre eine Familie nicht machbar. Ich selbst vermisse aber nichts.

Sie haben den Pulitzerpreis für Ihre Bildberichterstattung aus dem Irak-Krieg bekommen. Aber klassische Kriegsfotografie interessiert Sie gar nicht.
Früher konnte ich noch nicht mal die Soldaten der verschiedenen Nationen auseinander halten. Für mich waren die alle grün. Mittlerweile kann ich die Engländer von den Amerikanern unterscheiden. Aber ich kenne bis heute überhaupt keine Waffengattungen oder Panzerarten. Da hab ich beim Beschriften meiner Fotos oft Probleme und muss meine Kollegen fragen: "Hör mal, was ist das hier? Für mich sind das alles Maschinengewehre." Die lachen sich dann immer kaputt.

Ihre männlichen Kollegen sind also stärker an den technischen Seiten des Krieges interessiert?
Ja, mehr als ich. Wenn die an der Frontlinie sind, dann sagen die "Wahnsinn!" Da kommt bei vielen der kleine Junge raus. Ich finde das aber nur laut. Und ich bin da mit Soldaten, die irgendwo hinballern, aber weiß gar nicht: Was passiert da am anderen Ende?

Sie interessieren sich mehr für den Alltag des Krieges und seine Opfer.
Ich glaube, ich kann einfach mitfühlen. Ich habe eine unglaubliche Achtung vor Menschen, die in Kriegsgebieten leben müssen. Und das sieht man vermutlich auf meinen Fotos.

Gibt es ein Erlebnis, das Ihnen besonders nahe gegangen ist?
Im Irak habe ich eine Nacht in einem Krankenhaus verbracht. Da hat eine Mutter zwei verkohlte Kinder gebracht. Es war Winter und sie mussten mit ihrem kaputten Ofen heizen. Der hat das Haus in Brand gesetzt und die Kinder sind in den Ofen gefallen. Eins war noch ein Baby, das hatte noch gar keinen Namen.

Sie haben den Pulitzerpreis zusammen mit ihren irakischen Kollegen bekommen. Wie hat die deutsche Frau mit den irakischen Männern zusammengearbeitet?
Ich habe ja das Büro in Bagdad aufgebaut und die Kollegen ins Boot geholt und ausgebildet. Die fragten sich am Anfang, ob eine Frau überhaupt fotografieren kann. Gleich am ersten Tag brachten die mir ganz schäbige Fotos. Ich kann im Zweifelsfall sehr laut werden. Ich habe also gebrüllt: "Das ist der größte Müll, den ich je gesehen habe!" Anschließend habe ich sie auf dem Flur tuscheln hören: "Oh, die kann ja richtig böse werden." Ich war dann jeden Tag mit denen draußen. Da haben sie gesehen, dass ich 15 Stunden am Tag arbeite. Sie hatten dann sehr schnell eine Riesenachtung.

Wie schafft man es, bei all dem Grauen berührbar zu bleiben und sich trotzdem zu schützen?
Das funktioniert nur, weil ich die Kamera als eine Art Schutz dazwischen schiebe. Es gibt viele Erlebnisse ... wenn ich die ohne Kamera gesehen hätte, hätte ich das nicht ausgehalten.

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