Die lieben KollegInnen 1/1977

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Die kleine Bank aus braunem Korbgeflecht ist durchgesessen von Männerhintern. Hier haben sie gehockt, die Verlagsmanager und Vertriebsexperten, auf einem Möbel und in einer Wohnung, die nur entfernt an eine Redaktion erinnert: brauner Teppichboden, weißgekalkte Wände, Holzbalken, Blumentöpfe, ein paar Schreibtische zwar, aber auch eine richtige Küche und im „Konferenzraum“: selbstgenähte bunte Sitzkissen. Kein Fernschreiber, keine Sekretärin. Wir sind in der Kölner Redaktion von EMMA, der ersten großen Frauenzeitschrift, die nur von Frauen gemacht wird.
Stern, Christine Heide

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Nun können wir also die Welt durch Frauenaugen betrachten. Denn, sagt Alice Schwarzer, die Herausgeberin und Alleingesellschafterin der neuen Monatszeitschrift EMMA: „Um mit Frauenaugen schreiben zu können, muss man Frauenaugen haben.“ Und diese Frauenaugen schreiben nun eben nicht eine beliebige Frauenzeitschrift, sondern eine „Zeitschrift für Frauen von Frauen“ mit dem hintersinnig-mehrdeutigen Köchinnennamen Emma, „als Parodie auf die pseudo-progressiven Noras, als Solidarität mit der guten alten Emma und nicht zuletzt als Anspielung auf die Em(m)anzipation“ (A. Schwarzer, die neuerdings aus Kalau stammt). (...) Das Ergebnis, EMMA Nr. 1, ist vielleicht auch ein Dokument der Entfremdung der Geschlechter, aber vor allem ein Produkt, das die Grenzen der kreativen Möglichkeiten einer in ihrer Führerrolle überforderten Alice Schwarzer offenbart, zugleich aber die Begrenztheit der feministischen Hauptthese: Frauen sind schlechthin die Opfer; und wenn Männer auch Opfer sind, dann sind Frauen immer noch die Opfer der Opfer. Ist der Feind aber nun einmal so fürchterlich, eine Art King Kong mit einem Penis wie das Empire State Building, dann gerinnen vor Schreck auch die Sparten Glosse und „der Humor überhaupt“.
Süddeutsche Zeitung, C. H. Meyer

Alice Schwarzer hat wieder zugeschlagen. Sie ist unter die Herausgeber gegangen. Deutschlands Publikationen von Spiegel bis Bunte stehen Kopf, deshalb und wegen EMMA. Eine Zeitschrift nur von Frauen für Frauen gemacht. Die Branchenkollegen haben sofort mit Kritiken reagiert. Die Verlags-Profis prophezeiten bereits den baldigen Tod von EMMA.
Stuttgarter Nachrichten, Henriette Jansen

„Es gibt (bei uns) keine ‚Chefin’“, schreibt sie – aber siebenmal zeigt sie sich, auf und in der Erst-Nummer, selbst im Bild: Alice Schwarzer, 34, bringt in dieser Woche EMMA auf den Weg.
Der Spiegel

Bin ich trotz Wohlwollen und Interesse die richtige EMMA-Rezensentin? Zwar mag ich Frauen, doch ich bin nicht lesbisch und seh darin kein Manko. Geschieden bin ich auch nicht, will mich auch nicht scheiden lassen. Im Unterschied zu Romy Schneiders um neun Jahre jüngeren Mann ist meiner neun Jahre älter. Er hat nicht die Absicht, um seine Sterilisierung nachzusuchen. Als Arbeitnehmerin gestehe ich, keine großen Sympathien für Arbeitgeber aufzubringen. Aber ansonsten mag ich Männer: als Liebhaber, als Kollegen, vor allem auch als gute Freunde.
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Carola Stern

EMMA hat kein Konzept. Sie pendelt unentschlossen zwischen den Ansprüchen, eine überregionale Zeitschrift für Frauen zu sein, und dem Hang zum sektiererischen Infoblatt, mit sprachlich und intellektuell magerstem Angebot. EMMA ist in dieser Präsentation nicht über Schülerzeitungsniveau hinausgekommen. EMMA kann sich den dominierend schlechten Journalismus der Alice Schwarzer nicht leisten.
Pardon, Elke Heidenreich

Jetzt hat sie’s also geschafft, die „Nachteule mit dem Sex einer Straßenlaterne“ (Münchner Abendzeitung), die „Hexe mit dem stechenden Blick“ (Bild-Zeitung), die „frustrierte Tucke“ (Süddeutsche Zeitung). Alice Schwarzer, 34, Deutschlands meistbeschimpfte Frau, hat, umspült vom Hohn der Männermedien von Spiegel bis Stern, eine „Zeitschrift für Frauen von Frauen“ herausgebracht – EMMA. EMMA ist das einzige Feministinnenblatt mit Humor und Selbstironie.
Profil/Österreich, Sigrid Löffler

Die angeblich von lauter Männern brutal beherrschten Print- und Funkmedien haben der EMMA durch die Bank ihren Tribut gezollt. Wenn sie so übel wären, wie die Schwarzer-Sisters ihren Leserinnen weismachen wollen, hätten sie EMMA totgeschwiegen. EMMAs rauschender Anfangserfolg wird die Damen in Köln, so ist zu hoffen, nicht überschnappen lassen.
Kress Report

Wenn EMMA vom 26. Januar an neben Brigitte und Petra an den Kiosken hängt, wird sie aussehen wie Aschenputtel zwischen den aufgeputzten Stiefschwestern. Doch das mausgraue Kleid und das fade gestaltete Innere trügen: Die erste deutsche ‚Zeitschrift für Frauen von Frauen’ sprüht Funken aus vielen Zeilen.
Kölner Stadt-Anzeiger, Barbara Reinecke

Es ist ein aggressives Blättchen, ein rührendes dazu, weil es uns buchstäblich an die Suffragetten von vor dem Ersten Weltkrieg erinnert. Und jeder, der Hosen trägt, also jeder Mann, bekommt sein Fett weg. Im ganzen Heftchen schwärmt nur Romy von einem Kerl, von ihrem, natürlich. An Alice Schwarzers Selbstbeweihräucherung, an dieser ebenso entzückenden wie unerwarteten Eitelkeit der Herausgeberin, wird das EMMA-Blättchen, so fürchten wir, bald wieder scheitern.
Die Bunte

Frauenfeindlichkeit, zum Beispiel, ist nicht geschlechtsspezifisch. Die EMMA-Damen kriegen es fertig, so ungefähr jedem Thema eine reaktionäre, das heißt auch: frauenfeindliche Seite abzugewinnen. So geschwätzig die Autorinnen sich über die Frauenthemen auslassen, die auch in den Hochglanzfrauenzeitungen verbraten werden, so kärglich berichten sie aus der Arbeitswelt.
Konkret, Brigitte Rotkohl

Je höher spezialisiert ein Gehirn ist, desto unpraktischer wird es oft. Der Professor, der seine Socken nicht finden konnte, versagte doch hier nicht, weil er seine Frau unterdrücken wollte, sondern weil er auf eines so konzentriert war, dass er an den Socken vorbeisehen musste. Sein großes Denkwerk aber wäre ungeschrieben geblieben. Diese hilfreichen Frauen, diese Unzähligen zu schmähen und das drucken zu lassen, ist Alice Schwarzer doch heute nur möglich, weil es einmal eine Frau gab, die Gutenberg die Suppe kochte.
National-Zeitung, Heinz Mahncken

„EMMA ist umwerfend“, verkünden die einen, „EMMA ist unmöglich“, die anderen. Wobei die „einen“ die Frauen sind, die „anderen“ die Männer. Also Männer regt EMMA auf, aber nicht im üblichen Männer-Sinn, sondern deshalb, weil sie EMMA fürchten. EMMA hat nämlich keine Scheu, den Frauen alles das zu sagen, was die Männer ganz und gar nicht hören und gelten lassen wollen. Sie meint jedenfalls immer haargenau das Richtige. Deshalb sollten Sie EMMA sobald wie möglich kennenlernen. EMMA ist eine auch bei uns in Österreich erhältliche deutsche Zeitschrift von Frauen für Frauen, die imstande sind zu denken …
Frau 24, Maria J. Böck

Wenn bei EMMA ein männliches Wesen an die Redaktionstür klopft, erscheint Alice Schwarzer mit dem Flammenschwert und verwehrt die Schreibe im Frauenparadies. Warum nur um des Teufels Großmutter willen? (Der Teufel, der ja nachweislich männlich ist, darf hier sicher nicht erwähnt werden)
Frankfurter Rundschau, Martina I. Kischke

Die Zeitschrift will das oft lasche Selbstbewusstsein der Frauen heben, ihnen Mut zu sich und ihren Möglichkeiten machen, das ist gut; sie will das kritische Vermögen der Frauen stärker ausbilden, damit sie für ihre in einer Männergesellschaft durchaus nicht immer verbürgten und gesicherten Rechte eintreten kann, auch das ist gut. Aber die Redaktion geht dabei von ihrem eigenen Bildungsstand und Bewusstsein aus, und die sind für die Tina-Leserin zum Beispiel noch nicht erreichbar.
Stuttgarter Zeitung, Else Goelz

Man gibt sich betont männerfeindlich. Männer sind bei EMMA bestenfalls als Sekretäre gefragt und dürfen am Ende nur drucken, was für Frauen von Frauen geschrieben und redigiert wurde. Im Druck sind die Männer noch eine Konkurrenz.
Westfälische Rundschau, Rosemary Callmann

Bei EMMA sind die Männer allgegenwärtig – als Angeklagte. Sie sind es, die Frauen vor Gericht härter bestrafen als ihre Geschlechtsgenossen. Sie sind es, die in den Medien der Bundesrepublik Frauenprobleme verniedlichen oder sie nicht stattfinden lassen. Bei allem bleibt jedoch die Frage offen, ob hier eine allgemeine Frauensicht der Gesellschaft ihren Ausdruck findet, oder ob nicht vielmehr eine bestimmte, rein feministische Haltung auf allzu einfache Art versucht, vielschichtige gesellschaftliche Probleme auf einen Frauen-Nenner zu bringen.
dpa

EMMA ist ganz schön aggressiv, und es bleibt die Frage, ob ein feministisches Kampfblatt auf längere Sicht das breite Publikum finden wird, das es sucht.
Hannoversche Allgemeine, Ulla Plog-Handke

Spießig ist die Aufmachung und, was schwerer wiegt, häufig auch der Stil dieser kämpferisch gedachten Koketterie und Charme abholden Frauenzeitschrift. (...) Wohin schreiten die entschlossenen Damen auf dem Titelblatt? In ihre Zielgruppe oder in die roten Zahlen? Es wird sich zeigen, voraussichtlich sogar schon bald. Münchner Merkur, Effi Horn

Die Artikel in EMMA befassen sich sämtlich mit Problemen, die den Frauen näher sind als ihre Kleider. Im Gegensatz zu den anderen, von Männer dirigierten Frauenzeitschriften, wird die Frau nicht in wunderschönen Unterhaltungsstoff auf Glanzpapier eingewickelt. EMMA ist konkret und direkt. Der manchmal aggressive, manchmal zärtliche Ton wirkt aufklärend, ja – auch agitierend.
Deutsche Zeitung, Rosemarie Bölz

Muss eine Zeitschrift für Emanzipierte so schäbig sein?
Frau & Politik (CDU)

Ob Männer EMMA lesen können, sollen, dürfen – dies verbitten sich die Feministinnen zum Glück nicht. Emanzipation ist keine Sache der Frau allein; die Söhne und Enkel müssen zum Mitstreiten überzeugt werden.
Marie Schlei, Bundeswirtschaftsministerin im Stern

Die Frauenrechtsbewegung ist durch die Gründung der kindischen Zeitschrift EMMA besonders aktuell geworden. Hier lautet das Tabu: Man darf sich die Damen, die den Mann dressieren wollen, nicht näher ansehen.
Oberbergische Volkszeitung

EMMAs Ausdrucksweise ist zuweilen deftig maskulin. EMMAs Anliegen und erste Texte sind ernst zu nehmen. EMMAs Schicksal steht in den Sternen. Will sagen: Es ist das Ergebnis einer monatlichen Abstimmung des Frauenvolkes darüber, ob es für 3 Mark die totale Emanzipation wenigstens auf dem Papier will.
Welt der Arbeit, Heinz Koar

Ja, EMMA ist einseitig, ist erklärtermaßen ein feministisches Blatt, deswegen nicht objektiv, sondern parteiisch. Wer dürfte ihr das vorwerfen? Oder stehen denn dem männlichen Teil der Bevölkerung nicht genug Medien zur Verfügung, seine Sicht der Welt zu verkünden?
Passauer Kleine Zeitung, Anna Maria Wachinger

EMMA ist kein Strahleweib mit sexy Wackelpo. Wär’s so, dann hätte sie sich Annegret, Carmen oder auch Brigitte genannt. EMMA ist sehr sachlich, sehr nüchtern, ihr Charme ehrlich.
Kölner Express, Werner Aschemann

EMMA geht davon aus, dass das Ernstnehmen des Zorns der Frauen es erlaube, den allgemeinen Konflikt dieser Gesellschaft, den Klassenwiderspruch, zu vernachlässigen. Vielleicht ist das der Grund, warum dieses erste Heft trotz der Themenfülle ein gewisses Gelangweiltsein hinterlässt. Das Salz des Politischen und der Bezug zu anderen Bewegungen fehlen.
Deutsche Volkszeitung

Die Emanzipationsbewegung macht zunehmend von sich reden. Die von Frauen gemachte und für Frauen gedachte Zeitschrift EMMA der Dame Alice Schwarzer ist auf den Markt gekommen. Das lateinische „Emanzipation“ geht auf die Freilassung der Sklaven zurück, bedeutet Verselbstständigung, Gleichstellung, Gleichberechtigung. Fern sei es dem Chro- nisten, sich mit berüchtigtem männlichem Hochmut und herablassender Ironie über die ernsthaften Seiten der Frauenbewegung hinwegzusetzen. Auf Dauer wird hier für die moderne Gesellschaft mehr Sprengstoff liegen, als in den Traumtänzereien verworrener Systemveränderer.
FAZ, E.H.

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