Eine zerstörerische Gesetzesreform

Marco Buschmann will das Familienrecht "modernisieren".
Artikel teilen

Frau Engelken, lesbische Mütter halten schon den Sekt bereit. Sie warten schon lange auf eine Reform des Abstammungsrechtes.
Für lesbische Paare mag die Reform tatsächlich ein Vorteil sein. Sie erspart es der einen Lebenspartnerin, das Kind der anderen Partnerin, das in ihre Ehe hineingeboren wird, adoptieren zu müssen. Deswegen werden sie auch immer an erster Stelle genannt, wenn die Reformabsichten im Abstammungs- und Familienrecht seitens der Ampelkoalition verkündet werden. Doch das ist Masche.

Anzeige

Wieso?
Diese massive Reform im Abstammungs- und Familienrecht kommt hauptsächlich Männern zugute. Die Tragweite scheinen große Teile der Politik und der Gesellschaft noch gar nicht zu überblicken. Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ und flankiert vom Aktionsplan „Queeres Leben“ soll das bestehende Familien- und Personenstandsrecht regelrecht umgekrempelt werden. Nach den Plänen der Ampel greift dieses Reformvorhaben nicht nur die Kernfamilie an, die in der Tat eine patriarchale ist, sondern vor allem das Recht der Mutter und das Recht der Frauen auf den eigenen Körper.

Juristin Eva Engelken: Ein Gesetz auf Kosten von Frauen und Kindern - zugunsten von Männern.
Juristin Eva Engelken: Ein Gesetz auf Kosten von Frauen und Kindern - zugunsten von Männern.

Warum?
Fangen wir mit der „Mehrelternschaft“ an, die auch auf dem Regenbogenticket reist. Bislang gilt in Deutschland – wie in fast allen anderen Ländern auch – die Zwei-Elternschaft. Mit dem Reformvorschlag zur „Mehrelternschaft“ sollen künftig vier Personen Elternteile eines Kindes werden können, egal, in welcher Konstellation sie zueinander und zum Kind stehen.

Und was spricht dagegen?
Noch vor der Zeugung des Kindes soll eine Elternschaftsvereinbarung bestimmen dürfen, wie das Sorge-, Unterhalts- und Umgangsrecht aussehen sollen. Davon mal abgesehen, dass vieles auf einmal ganz anders ist, wenn so ein Kind da ist und eine Frau eine rechtliche Regelung, die sie vor der Geburt getroffen hat, nun vielleicht nicht mehr will, bereitet diese Reform den Boden für die Leihmutterschaft. Die Frau wird zur notariell beurkundeten festgelegten Gebärmaschine ohne ein Zurück. Bisher ist stets die Gebärende die Mutter eines Kindes. Selbst dann, wenn es genetisch, etwa durch eine Eizellenspende, nicht von ihr abstammt. Diese Reformpläne degradieren sie jedoch zu einer unguten Kombination aus Billiglöhnerin und Fertigungsroboter. Was ist, wenn sie eine Abtreibung will? Was ist, wenn ein Bestell-Elternteil eine Abtreibung will? Etwa, weil der Fötus eine Behinderung hat. Bisher kollidieren die Pläne zur Legalisierung der Leihmutterschaft mit dem klaren gesetzlichen Verbot im deutschen Embryonenschutzgesetz. Ärzte riskieren bis zu drei Jahre Gefängnis, wenn sie einer Frau einen Embryo als „Embryonenspende“ entnehmen oder ihn einer anderen Frau zum Zweck einer „Leihmutterschaft“ einsetzen. Strafbar nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz machen sich auch Vermittlungsagenturen für Leihmutterschaft und Embryonenspende. Deshalb wollen einige Reformer das Verbot am liebsten kippen.

Und was sagt die EU zu diesen deutschen Plänen?
Die EU-Kommission öffnet möglicherweise gerade eine Hintertür, um die verbotene Leihmutterschaft doch in Deutschland anerkennen zu lassen. Ihr „Verordnungsvorschlag“ vom 7. Dezember 2022 sieht die Schaffung eines „europäischen Elternschaftszertifikats“ mit der grenzüberschreitenden Anerkennung der Elternschaft in EU-Mitgliedstaaten vor. Diese Urkunde würde de facto zur Anerkennung der Leihmutterschaft in Ländern führen, die sie bislang verboten haben, also etwa Deutschland und die Schweiz. Würde das Zertifikat beispielsweise in Griechenland, wo altruistische Leihmutterschaft legal ist, den „Bestelleltern“ ausgestellt, müsste ihre Elternschaft dann auch in Deutschland anerkannt werden. Von da aus ist es nur ein winziger Schritt, Drittstaaten wie die Ukraine anzuerkennen, in denen die Leihbabyproduktion floriert. Dieser Vorschlag trägt eindeutig die Handschrift der Pro-Leihmutterschaftslobby; der Milliarden-Markt ist einfach zu verlockend. Allerdings muss diese EU-Ratsverordnung einstimmig beschlossen werden. Deutschland müsste wegen des Verbotes der Leihmutterschaft eigentlich mit Nein stimmen, es sei denn, das Embryonenschutzgesetz und das Adoptionsvermittlungsgesetz würden geändert. Und ein solcher Schritt würde wohl auch viele Konservative auf den Plan rufen.

Wie sieht es bei der geplanten Reform mit dem Adoptionsrecht aus?
Die Reform würde viele Adoptionsverfahren hinfällig machen. Bislang ist es das Jugendamt, das Adoptiveltern auf ihre Tauglichkeit überprüft, ehe sie ein Kind adoptieren dürfen. Diese Prüfung entfällt bei der Mehrelternschaft. Es kann praktisch jeder eingetragen werden, der volljährig ist. Es können auch alle Elternteile männlich sein, sich aber nach dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz als Frau deklarieren. Wieder eine Kontrollinstanz weniger, die Kinder schützen würde. Auch Pädo-Kriminelle kommen so schneller ans Kind.

Aber wie wahrscheinlich ist es, dass eine Mutter hierzulande künftig rechtlich ein Mann sein kann?
Die Neudefinition von Geschlecht als „Gender-Identität“ durch das „Selbstbestimmungsgesetz“ ist eines der wesentlichen Vorhaben der Koalition. Mit diesem Gesetz könnten sich Männer innerhalb der Ehe per reinem Sprechakt zu „Müttern“ ihrer Kinder erklären. Das macht den Begriff „Mutter“ genauso obsolet und beliebig wie den Begriff „Frau“.

Zur geplanten Reform des Familienrechtes gehört auch eine Festlegung auf das paritätische Wechselmodell nach einer Scheidung, nach dem Kinder 50/50 bei Mutter und Vater leben.
Eine Woche hier, eine Woche da. Das mag nach Gleichberechtigung klingen, ist für Kinder und Mütter aber oft die reine Hölle. Besonders wenn Gewalt in der Beziehung im Spiel war. Das paritätische Modell gibt es ja bereits. Wer es will, kann es so machen. Wenn aber vor allem Mütter es nicht wollen, haben sie dafür meist gute Gründe. Eine Festlegung auf das Wechselmodell schwächt die Position der Mutter immens. Es wird bei Gericht das Modell erster Wahl, selbst wenn die Gefährdung des Kindeswohls im Raum steht. Das Kind selbst wird nicht gefragt.

Das Reformpaket sieht auch ein neues Rechtsinstitut vor, das der „Verantwortungsgemeinschaft“. Das klingt doch nicht schlecht.
Ja, auf den ersten Blick. Diese „Verantwortungsgemeinschaft“ sichert zwei oder mehrere volljährige Personen jenseits von Liebesbeziehungen oder Ehe rechtlich füreinander ab. Das könnten in der Tat gute FreundInnen oder nicht verheiratete lesbische Paare sein. Viele ExpertInnen aber sehen dafür keinen zusätzlichen Regelungsbedarf. Für das bloße Zusammenleben braucht es keinen Trauschein und die gegenseitige Fürsorge und Erbberechtigung kann man einander auch via notariellem Vertrag einräumen. Die Verantwortungsgemeinschaft ist in erster Linie für andere Konstellationen höchst interessant.

Mehr EMMA lesen! Die aktuelle Januar/Februar-Ausgabe gibt es im EMMA-Shop (emma.de/shop)
Mehr EMMA lesen! Die aktuelle Januar/Februar-Ausgabe gibt es im EMMA-Shop (emma.de/shop)

Die da wären?
In der islamischen Rechtsordnung gibt es die „Mehr-Frauen-Ehe“, zu Deutsch „Vielehigkeit“ oder „Vielweiberei“. Die ist in Deutschland verboten, wird aber de facto umfangreich gelebt. Die Zweit- und Drittehefrau hatte bisher keinerlei Rechte und Ansprüche. Mit dem neuen Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft wäre das abgesichert. Und zwar ohne, dass die Beteiligten zugeben müssten, dass es sich bei dieser „Verantwortungsgemeinschaft“ um die verbotene Vielehe handelt. Das ist ein großes Entgegenkommen für fundamentalistische islamische Kreise. Das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern komplettiert dieses Entgegenkommen. Es soll ebenfalls zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickelt werden und auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden können, die dann voll sorgeberechtigt sind.

Entstehen auch Ansprüche auf Leistungen?
Ja, natürlich. Kindergeld, Sozialleistungen, Rentenansprüche, das Erbrecht. Dieses Konzept hatte die FDP schon Anfang 2020 in den Bundestag eingebracht. Durch die  Verantwortungsgemeinschaft würde vor Gericht für alle davon Betroffenen ein Auskunft- und Vertretungsrecht sowie ein Zeugnisverweigerungsrecht gelten und im Krankheitsfall auch eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht greifen. Gewünscht sind außerdem Ansprüche auf Leistungen für gegenseitige Pflege- und Fürsorge im Krankheitsfall sowie Steuerfreibeträge, Rentensplitting und Freibeträge bei der Schenkungssteuer. Ein riesiges Geschenk also! Was genau unter einer „Verantwortungsgemeinschaft“ verstanden wird, ist im
Koalitionsvertrag – meiner Meinung nach bewusst – nicht ausgeführt. Der Gesetzentwurf dazu soll erst Mitte der Legislaturperiode, also Ende 2023 kommen.

Gleichzeitig mauert gerade die FDP bei der Streichung des Abtreibungsparagrafen. Ein Faustpfand?
Ja, das ist gut möglich. Das Recht auf Abtreibung wird sozusagen Verhandlungsmasse. Schließlich muss den Koalitionspartnern etwas angeboten werden können. Nach FDP-Logik ergibt es gar keinen Sinn, sich gegen die Streichung von § 218 StGB zu stellen. Denn wenn etwa bei einer Leihmutterschaft „fehlerhafte Ware“, also ein behindertes Kind, entsteht, das nicht dem Vertrag entspricht, soll es schließlich problemlos abgetrieben werden können. Außerdem entspricht es der wirtschaftsfreundlichen Haltung der FDP, der Wissenschaft die lukrative Embryonenforschung zu ermöglichen. Der frühere Leitspruch ‚Mein Bauch gehört mir!‘ wird ja genau mit all diesen ausbeuterischen Mechanismen verzahnt. Soll eine Frau das Recht auf Abtreibung haben, soll sie auch das Recht darauf haben, ihr Baby oder ihre Eizellen zu verkaufen. Sie hat ja bereits das Recht, ihren Körper in der Prostitution zu verkaufen.  Es ist ja schließlich alles ihr freier Wille. Der Körper von Frauen stand in Deutschland noch nie so zur Vermarktung wie zurzeit. In Wahrheit reden wir über gigantische Märkte und eine erstarkende Männerrechtsbewegung.
 

Artikel teilen
 
Zur Startseite