Dombaumeisterin

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Es gibt wenig, was man der Dombaumeisterin zu Köln in Köln nicht zutraut – aber das… Als Barbara Schock-Werner gleich zum Antritt ihres Postens 1999 höchstpersönlich die Südspitze des Doms erklomm, da stand all denen unten der Mund sehr weit offen. Sicher, da war das Baugerüst, „und ich war doch auch angeschnallt“. Aber mitten in der City in 157 Meter Höhe kraxeln, das machen sonst nur Akrobaten. Diese Szene ist gewiss nicht alltäglich, aber charakteristisch. 13 Jahre lang hatte der Kölner Dom eine wahrhaft unerschrockene, gradlinige, zupackende Dombaumeisterin. Am 31. August nun ist ihr letzter Arbeitstag. Die ungebrochen Vitale hätte gerne weitergemacht – doch die Altersgrenze von 65 ist erreicht.

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Die Architektin und Professorin für Kunstgeschichte war von 1999 bis 2012 die erste Herrin der Dombauhütte mit ihren rund 90 Fachleuten, vom Steinmetz bis zur Glasmalerin, und Hausherrin des Doms. Wer sie jemals in ihren schwarzen Anzügen und mit großen Schritten in flachen Schnürschuhen durch den Dom eilen sah, den gewaltigen Schlüsselbund bis zum Allerheiligsten fest im Griff, der zweifelte keine Sekunde, dass diese Frau das schon macht. Auch für ihren Ehemann und ihre zwei Kinder war immer klar: Der Konflikt Karriere oder Kinder kann Mutter nicht bremsen.
Neben den routinemäßigen Dauerrenovierungen des ewig bröckelnden Doms aus Sandstein und überfälligen Neuerungen des deutschesten aller deutschen Denkmäler wagte Schock-Werner auch etwas Unerhörtes: Sie gab den Auftrag für das neue Glasfenster im Westflügel an den in Köln lebenden, berühmten Maler Gerhard Richter. Der entwarf nicht etwa ein brav katholisch-figürliches, sondern ein abstraktes Fenster. Was dermaßen den Unmut des einen Steinwurf entfernt residierenden Kardinals Meisner hervorrief, dass er sich 2007 sogar zu der unglücklichen Formulierung, dies sei „entartete Kunst“, hinreißen ließ.
Doch Schock-Werner sollte recht behalten: Das dem Eingang auf der Bahnhofseite frontal gegenüberliegende Fenster ist für Gläubige wie Touristen längst einer der künstlerischen wie mystischen Höhepunkte im Kölner Dom. Gemacht für die Ewigkeit.
Und der bedeutende, wenn für sie auch vergängliche Posten von Schock-Werner? Den übernimmt jetzt wieder ein Mann. Und die Frau geht in den Ruhestand? Schwer vorstellbar. Dieser EMMA-Leserin der ersten Stunde wird schon was einfallen. Wir werden zweifellos wieder von ihr hören.
EMMAonline, 30.8.2012

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Porträt Barbara Schock-Werner (EMMA 3/1999)

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