Da staunt selbst die Queen

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Der deutsche Mann ist reif: reif für den Garten. Er soll endlich mehr machen als Rasen mähen und Carports bauen. Wenn es nach Gabriella Pape geht, soll er Dahlien pflanzen und Iris pflegen und Hecken schneiden und zwar mit Lust, ganz ohne Scham und schlechte Laune. Kann der Engländer doch auch. Ein Londoner Banker, sagt Pape, hat kein Problem damit, auf der Dinnerparty von seinen Rosen zu schwärmen und über Staudenbeete zu fachsimpeln.

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Wenn die 45-jährige Pape in Deutschland erzählt, was sie macht, kommt oft ein verhaltenes "Ach" zurück. "Gärtnern, das ist ungefähr so, als würde man Hausarbeit sagen", sagt die Gartengestalterin, die seit über 20 Jahren in England lebt, "ein conversation killer". Vielleicht nicht mehr lange. Denn Skeptiker klärt die resolute Natur-Designerin gerne mit einem britischen Spruch auf: "Gardening is the new sex."

Auf ihrem Feldzug für die neue deutsche Gartenkultur hat Pape die Lacher damit schon mal auf ihrer Seite. In England habe sich der Boom, den das Kochen erlebt hat, längst nach draußen fortgesetzt, sagt sie. Gerade unter jungen Leuten in London sind Schrebergärten der letzte Schrei.

Dass sich dieser Trend auch hierzulande etabliert, dafür setzt sich die gebürtige Hamburgerin, Tochter einer temperamentvollen Italienerin und eines rationalen deutschen Architekten, ein: mit ihrer Königlichen Gartenakademie in Berlin-Dahlem. Auf dem Gelände der alten, von Peter Joseph Lenné gegründeten Königlichen Gartenlehranstalt (in der Altensteinstraße vis-à-vis vom Botanischen Garten) baute sie ihr Zentrum für Gartenkultur auf, mit einer Gartenschule für Laien, Design-Center und Schaugärten.

Wer, wie Pape vor einigen Jahren, so flott aus dem Bett springt, dass er sich dabei den Fuß bricht, dem mangelt es nicht an der nötigen Energie für so ein Projekt wie die Dahlemer Akademie. Und so stürzte sich die hoch gewachsene Frau in die zähen Verhandlungen mit der TU und dem Senat, einige Jahre hat es gedauert, bis sie Grundstück und Baugenehmigung hatte. Mit Krediten ausländischer Banken und Unterstützung von FreundInnen investierte sie Millionen, kaufte das rund 9.000 Quadratmeter große Gelände und ließ die zehn Gewächshausflügel aus dem Jahr 1907 restaurieren.

Die Garten-Akademie wurde im Mai 2008 eröffnet und steht nach einem Jahr auf soliden Füßen. Für die Workshops – von der "Balkonbepflanzung für den Sommer" bis zur "Gestaltung großer Gärten" – werden Wartelisten geführt, nur jeweils 24 Lernbegierige dürfen im Glashaus Platz nehmen. Zum Konzept gehört, dass Besucher hier nicht nur viel über Gärten lernen, sondern auch Pflanzen und Gartenzubehör, Gartenmöbel und Accessoires kaufen können. Für das leibliche Wohl sorgt das Café Lenné.

Bei Gabriella Pape musste niemand Überzeugungsarbeit leisten. "Was ich werden wollte, wusste ich, seit ich laufen kann." Und als sie noch nicht laufen konnte, schleifte sie Gießkannen wie andere Mädchen ihre Puppen hinter sich her. Man ist versucht, ihr zu glauben, denn mit 15 tauschte sie die Schule gegen die Baumschule ein, das einzige Mädchen unter 170 Jungs. Die Eltern waren gar nicht amüsiert. Nach der Lehre machte Pape doch noch rasch das Abitur und zog nach England, um Gartengestaltung und biologische Landwirtschaft zu studieren. "Hätte ich Mode gemacht, wäre ich nach Paris gegangen."

1992 gründete Pape mit ihrer Partnerin Isabelle van Groeningen die Firma "Land Art". Büro und Zuhause liegen in einem kleinen alten Dorf in den Cotswolds bei Oxford, die AuftraggeberInnen wohnen überall; auch in Hamburg und München gestaltet die Designerin Gärten für Villen, Schlösser und Institutionen.

Vielleicht hängt ihr Erfolg damit zusammen, dass sie beide Welten vereint. Die Deutschen pflanzen ihrer Meinung nach eher mit dem Kopf – was kann wo gedeihen, was ist ökologisch? Die Briten gärtnern eher mit dem Herzen. "Die kaufen einfach, was ihnen gefällt." Während die einen Pflanzen als Investition betrachten und jammern, wenn was eingeht, hoffen die Engländer auf ihr Glück: "Toll, Platz für was Neues!"

Mutig, das ist ein Wort, das Pape selber häufig benutzt. Mutig fand sie es auch vom Daily Telegraph, einer urbritischen erzkonservativen Zeitung, sie, eine deutsche Gartengestalterin, anzuheuern, um mit ihrer belgischen Partnerin auf der Chelsea Flower Show 2009 einen deutschen Staudengarten anzulegen, und zwar nach dem Vorbild Karl Foersters, dem berühmten Gärtner aus Potsdam. Die Gartenschau der Royal Horticultural Society ist für Blumen das, was Ascot für Pferde und Wimbledon für Tennis ist. Das Höchste der Gefühle.

Jedes Jahr im Mai werden in Chelsea große Schau- und kleine Spezialgärten angelegt. 400.000 Euro hat Papes 250-Quadratmeter-Senkgarten gekostet, der wie alle anderen nach fünf Tagen wieder verschwand. Aber die Queen kam, im rosa Mäntelchen, und ließ sich alles erklären, natürlich auch Prinz Charles, der wie Pape ein alter Fan von Karl Foerster und bekanntermaßen auch selber Biobauer ist.

Es scheint ein lustiges Zusammentreffen gewesen zu sein, animiert vom Champagner, der bei der Eröffnung reichlich floss. Prinz Charles stocherte fröhlich mit seinem Stock zwischen dem Mosaikpflaster herum, wühlte die Erde dabei auf und fing sich eine Rüge der Gärtnerin ein. Er dürfe das, flachste His Royal Highness. Nö, fand Gabriella Pape, auch er dürfe das nicht. Wer schon so lange Pflanzen erzieht ("Die darf man nicht verwöhnen und zu viel gießen, dann wurzeln sie nur oben."), macht vor dem britischen Thronfolger eben nicht halt. Prinz Charles beeilte sich, den Schaden mit der Schuhsohle zu reparieren.

Pape war die erste Deutsche, die an der erlauchten Schau teilnehmen durfte und wurde gleich mit einer Silver-Gilt-Medaille ausgezeichnet. Damit war sie dem eigentlichen Ziel, der Berliner Akademie, einen wichtigen PR-Schritt näher gekommen. So forsch, wie sie mit dem langen Leinenrock und der obligatorischen Barbour-Jacke durch die Anlage schreitet, geht sie auch ihre Projekte an.

Mit dem gebrochenen Fuß hatte vor Jahren alles begonnen mit der Berliner Akademie. Weil Pape das Bein schonen und häufig hochlegen musste, fing sie an, mit ihren Gedanken zu wandern. Vielleicht war sie auch ein bisschen gelangweilt vom eigenen Erfolg, und so entwickelte sie ihren Traum, wie sie ihn nennt. Was nicht heißt, dass sie eine Träumerin wäre. "Ich bin eine gute Geschäftsfrau."

Sich einen renommierten Landschaftsarchitekten anzuheuern, können sich nur wohlhabende Leute leisten. An der Gartenakademie in Dahlem kann sich das Volk nun nach dem Billigfliegerprinzip von Gabriella Pape beraten lassen: für einen Euro pro Quadratmeter Gartenfläche (500 Euro Minimum). Dafür bekommt man zweimal eine halbe Stunde Beratung sowie einen Masterplan von der Designerin, muss aber selber was tun dafür: den Grundriss sowie ein "story book" liefern, in dem Wünsche, Träume und Abneigungen (keine Geranien!) festgehalten werden.

Nach der Beratung müssen die Kunden die Pflanzen dann selber kaufen, setzen und pflegen; wie das geht, können sie in ihren Seminaren lernen. Das wundert Pape manchmal: dass viele Leute denken, der Garten mache das alles allein, das sei doch Natur. "Kinder muss man ja auch füttern." Da könne man ruhig auch ein bisschen Geld und Zeit investieren in das kleine Paradies vor der Haustür, statt alles nur für das unerreichbare Urlaubsparadies in der Südsee zu sparen. "In den Vorgarten guckt man doch das ganze Jahr."

Gabriella Pape "Gartenverführung" und "Schritt für Schritt zum Traumgarten" (beide Callwey).
www.koenigliche-gartenakademie.de

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Übersicht Dossier Frauen & Gärten (4/09)

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