Ein Besuch bei der Essener Tafel

Jörg Sator, der Vorsitzende der Tafel. Rechts: die alleinerziehende Christiane. - Fotos: Tim Schulz/Funke Foto Services, Lorraine Hoffmann
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Jetzt hat sie es doch getan. Lange dachte sie, sie könnte sich diesen Gang ersparen. Aber heute ist es ­soweit. Denn erstens ist gerade die Waschmaschine kaputt gegangen. Zweitens gibt es in ihrem Haushalt quasi nichts mehr, was sie noch für ein paar Euro bei Ebay verkaufen könnte. Und drittens hat ihr Sohn Hunger, und das darf nicht passieren. „Bei mir selbst ist es nicht so schlimm, wenn ich mal ein, zwei Tage nichts esse“, sagt die schmale, blasse Frau im dicken Rollkragenpulli. Aber ihr 13-Jähriger hat Diabetes Typ 1, von Geburt an. „Der muss immer genug zu essen haben, sonst kann er ins Koma fallen.“ Deshalb ist Sabine heute Morgen zum Huttroper Wasserturm gekommen, um sich bei der „Essener Tafel“ anzumelden.

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Der historische rote Backsteinturm an der vielbefahrenen Steeler Straße hat eine bewegte Geschichte. 1920 tobte hier der „Ruhrkampf“: Die Arbeiter der „Roten Ruhrarmee“ gegen die Reichswehr, die den kommunistischen Widerstand gegen den Kapp-Putsch niederschlagen sollte. Ein knappes Jahrhundert später tobt hier gerade wieder eine Schlacht um die Hoheit über den Turm. Zwar diesmal ohne Blutvergießen, aber scharf geschossen wird beim öffentlichen Schlagabtausch dennoch.

Vor allem auf Jörg Sartor, den Vorsitzenden der Tafel. Der gieße „Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“, ätzte der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Man solle „nicht solche Kategorisierungen vornehmen“, belehrte ihn die Kanzlerin. „Nazis“ sprühten selbsternannte Linke auf die Autos der Tafel. Der Ex-Bergmann Sartor schoss in Ruhrgebiets-Manier zurück: „Für die ganze Aufregung is mein Kopp zu klein!“ Was auf Hochdeutsch übersetzt so viel heißt wie das nicht zitierfähige Zitat von Götz von Berlichingen.

Der Beschluss des Vereins, vorübergehend nur noch Menschen mit deutschem Pass mit Lebensmitteln zu versorgen, machte Schlagzeilen nicht nur im ganzen Land, sondern in der ganzen Welt. Selbst die New York Times schickte eine Korrespondentin nach Steele, die schrieb, dass die Essener ­Tafel „einen Sturm ausgelöst“ habe. (...)

Den ganzen Artikel in der aktuellen Mai/Juni-EMMA lesen.

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