Ein echter Fundamentalist ist gefährlich

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Die Hälfte von God's own Country ist an Bushs Seite bei diesem Kreuzzug, in dem das Gute das Böse bekämpft. Und sie scheinen es wirklich zu glauben.

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Göttliche Mission Irak-Krieg. Das US-Fernsehen zeigt Bilder von jungen Soldaten, die sich taufen lassen vor der entscheidenden Schlacht. Für den Irak-Einsatz wurde eine Sonderausgabe der Bibel gedruckt in Tarnfarben. Und täglich holen sich junge Soldaten in der Feldkapelle spirituelle Stärkung. Noch nie spielte bei einem Feldzug das Bild vom letzten Kampf gegen das Böse eine so große Rolle. Zur Zeit beliebter GI-Song: Die Rettung kommt,

sie reitet auf den Wolken, sie glänzt wie ein Stern, und die Trompeten werden erschallen...
Kreuzzug für Demokratie, Sicherheit und im Namen der Vorsehung. So sieht es der oberste Kriegsherr George W. Bush, der immer mehr als oberster Missionar der Nation auftritt. Jeden Morgen sucht Bush religiöse Inspiration, bevor er seine Amtsgeschäfte beginnt. Er betet, liest Feldpredigten aus dem 1. Weltkrieg, und - sobald er Colin Powell, Dick Cheney, Donald Rumsfeld und Condoleezza Rice um sich versammelt hat - betet nochmal.
Keine Regierung war je so aggressiv fromm wie diese. Aber die Tradition reicht weit zurück in Gods own Country, Gottes auserwähltes Land. Sonntäglicher Gottesdienst eine Selbstverständlichkeit für Bush wie die meisten Amerikaner. Jeder zweite Gläubige gibt an, einmal in der Woche in die Kirche zu gehen. In Europa ist es jeder Fünfte, und es ist kein Skandal, wenn Gerhard Schröder den Amtseid nicht auf die Bibel ablegt. Gott, Allah, Jahwe: Pro Kopf stehen in den USA mehr Kirchen, Tempel, Synagogen oder Moscheen als sonst irgendwo auf der Welt. Als Atheist bezeichnet sich nur jedeR ZwanzigsteR.
Diese Frömmigkeit und der Glaube an die moralische Führungsrolle Amerikas vermengen sich in Bush zur christlichen Mission. Und der Glaubenskrieger predigt sie der Welt. In einer von allen Zweifeln befreiten und seltsam anti-modernen Sprache. Wir beten, dass Gott jeden einzelnen Gefallenen bei sich aufnimmt und segnet. Und wir danken Gott, dass die Freiheit solche tapferen Verteidiger hat. Oder: "Die Freiheit, die wir schätzen, ist nicht das Geschenk Amerikas an die Welt. Sie ist die Gabe Gottes an die Menschheit. Oder: Amerikaner sind großzügig und stark und anständig. Nicht weil wir an uns selbst glauben. Unser Glaube geht über uns hinaus.
Dass der konvertierte Methodist Führer der einzigen Supermacht der Welt wurde, führt er selbst auf göttliche Fügung zurück: Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht vor 17 Jahren aufgehört hätte zu trinken. Und das schaffte ich nur durch die Gnade Gottes. Vom Loser zum Leader. Er war als Bankrotteur und Partylöwe berüchtigt und hatte ein gewaltiges Alkoholproblem. Doch dann, kurz nach seinem 40.Geburtstag wurde er bekehrt, von Billy Graham, dem "Maschinengewehr Gottes" persönlich. Bush schwor dem Alkohol ab, besuchte Bibelstunden: Gott ist in mein Leben getreten und hat mich von Herzen verwandelt.
Die spirituelle Wiedergeburt teilt Bush mit vielen. Von einer regelrechten Erweckungsbewegung ist die Rede. 46 % aller Amerikaner nennen sich evangelistisch oder wiedergeboren - wie Bush. Die meisten sind ultra-konservativ und wollen ein anderes Amerika, wie in den 50er Jahren. Als Schulgebete Pflicht waren. Als die Kinder lernten, die Schöpfungsgeschichte in der Bibel wörtlich zu nehmen. Als die Gleichberechtigung der Frauen noch ein Fremdwort war. Als Homosexuelle, Schwarze und andere Minderheiten noch offen diskriminiert werden konnten.
Fundamentalistischen Christen sind dabei, vom Rand der amerikanischen Gesellschaft in den politischen mainstream zu marschieren. Und sie unterstützen den Mann im Weißen Haus als besten Präsidenten, den Amerika seit langem hatte (Roberta Combs, Christian Coalition). Schon jetzt bereiten sie sich auf die nächsten Wahlen vor, ihr zentrales Anliegen: die Entsäkularisierung der amerikanischen Politik. Dazu gehören für sie: die weitere Verschärfung der Abtreibungsverbote, die Abschaffung von Anti-Diskriminierungsgesetzen und die Verkirchlichung der Wohlfahrt (nur gute Arme, Arbeitslose oder Obdachlose werden dann noch Fürsorge bekommen). Und natürlich eine Außenpolitik, die im Namen der Vorsehung der ganzen Welt ihren Stempel aufdrückt.
George W. Bushs schwarz-weißes Weltbild wurde verstärkt durch die terroristischen Anschläge vom 11. September. Sie brachten in den USA eine Endzeitstimmung, eine tiefe Verunsicherung hervor. Da bot der wiedergeborene Präsident Trost und einfache Gewissheiten - mit seinem unverrückbaren Glauben an Amerikas göttliche Mission: den Kampf von gut gegen böse. Kurz nach dem 11. September sprach George Bush von einem Kreuzzug gegen den Terrorismus. Kreuzzug gleich Dschihad. Die Gegner radikalisierten sich und beide Seiten sind in dem Wahn, im himmlischen Auftrag zu handeln.
Ein Kreuzzug, so heißt es auf einer Webseite der Southern Baptist Church, hat nichts mit einem gerechten Krieg zu tun. Ein Kreuzzug stellt die gesamte gesellschaftliche Ordnung und das Wertesystem eines Feindes in Frage. Es gibt keine Unterschiede mehr zwischen Kämpfenden und Zivilisten. Ein Kreuzzug ist totaler Krieg, der keinen Kompromiss zwischen Gut und Böse erlaubt. Und darum kann ein Kreuzzug auch nie zu Ende gehen.
Der 43. Präsident der USA sieht sich als Werkzeug der Vorsehung, auserkoren, die pax americana zu schaffen. Eine Welt ewigen Friedens, Sicherheit und Harmonie nach amerikanischem Vorbild. Von Ölinteressen, von Geostrategie, imperialem Ehrgeiz und anderen weltlichen Dingen ist wenig die Rede. Dafür von Idealen, die es mit Waffengewalt umzusetzen gilt. Und Bush ist nicht allein. Jetzt hat das US-Repräsentantenhaus einen offiziellen Gebets- und Fasttag gefordert: um göttlichen Beistand für die US-Soldaten im Irak zu erflehen. Den letzen Appell dieser Art richtete Abraham Lincoln an die Nation. Im Jahr 1863.
Sonia Mikich, EMMA Mai/Juni 2003 

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