EMMA-Interview mit Merkel: Über

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Frau Merkel, Sie haben einen Entwurf für ein Gleichberechtigungs-Gesetz vorgelegt. Worauf kommt es Ihnen bei diesem Gesetz besonders an?
Angela Merkel Das ist das erste Gesetz, das die Stellung der Frauen im öffentlichen Dienst verbessern und sie auch vor sexueller Belästigung im Beruf schützen will!
Was passiert denn einem Mann, der Kolleginnen belästigt?
Das Wichtigste ist doch, daß die Frauen mit dem Problem ernstgenommen werden und es auch in den Personalabteilungen zur Sprache kommt. Wir denken durchaus auch an Sanktionen...
...an welche denn?
Es werden disziplinarische Maßnahmen eingeleitet gegen denjenigen, der belästigt, also: Versetzung, Abmahnung. Und dann gibt es ja auch noch das Strafrecht.
Gab es auch früher in der DDR sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?
Klar, das waren ja dieselben Menschen. Allerdings konnten sich die Frauen in der Ex-DDR manchmal besser wehren, weil sie besser ausgebildet waren und bessere Stellen hatten.
Ihr Gesetz sieht auch eine Art Quotierung vor, aber leider nicht fiftyfifty. Sie nennen das "flexible Zielvorgaben". Was heißt das?
Also, wir können ja nicht zum Beispiel 50 Prozent Staatssekretäre verlangen, wenn wir heute nur zwei Abteilungsleiterinnen haben.
Aber nehmen Sie mal die Schulen: Jeder zweite Lehrer ist eine Frau aber nicht einmal jeder fünfte Schulleiter! Da sitzen doch genug Frauen in den Startlöchern.
Wenn die Frauenquote innerlich nicht gewünscht wird von den Männern, dann werden die immer einen Grund finden, quer zu schießen.
In Ihrem Entwurf spielt die so genannte "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" eine zentrale Rolle.
Mir wäre es lieb, wenn zumindest für jede Frau, die berufstätig sein will, ein Kindergartenplatz da ist.
Das ist aber nett. Was sagen Ihre CDU-Männer dazu?
Die Chancen sind besser als je zuvor. Ich werde auf jeden Fall dafür kämpfen.
Sie stoßen mit ihrem Gesetzes-Vorschlag bei der Regierungskoalition keinesfalls nur auf Begeisterung. Wirtschaftssprecher Wolfgang Weng von der FDP befürchtet sogar, daß sich "eine Frau nur noch bewirbt, um mit dem Schadenersatz (für ihre Ablehnung) den Urlaub zu bezahlen".
Von Seiten der Männer wird oft versucht, mit dem absurdesten Beispiel eine Sache zu Fall zu bringen. Man nimmt ja auch nicht bei jedem Steuergesetz den schlimmsten Betrügerfall an...
Mit Ihrem Frauen-Gesetz sind Sie anscheinend zu weit gegangen, Frau Merkel. Bisher wurden Sie nur von der Oppositionspresse tüchtig gezaust. Jetzt geht Ihnen auch die CDU-nahe Presse ans Fell. So veröffentlichte Bild am Sonntag zum Beispiel ein nicht sehr nettes Foto von Ihnen und höhnte: "Würden Sie diese Frau einstellen?"
Frechheit! Also... hier wird mit Chauvinismus, oder - wie sagt man? - Machismus auf billigste Art versucht, meine Person madig zu machen, um der Sache zu schaden.
Stecken Sie jetzt zurück?
Nein, ich nehme nichts zurück! Aber ich wünsche mir mehr Sachlichkeit. Auch beim Thema Frauenförderung.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Merkel.

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PS: Das Gespräch wurde leider nicht 2013 geführt, sondern im Jahr 1992 und erschien in der April-Ausgabe der EMMA. Damals war Angela Merkel im Kabinett Kohl Frauenministerin.

EMMAonline, 31.1.2013

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