Farida Nekzad kämpft weiter

© Hans-Jürgen Wege
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Du gehst durch das Menschengetümmel mitten in der Stadt und fragst dich, was will der Mann, der hinter dir hergeht. Ist er ein Selbstmordattentäter? Wird er gleich seine Bombe zünden? Du steigst in ein Taxi und merkst, dass der Fahrer in die entgegengesetzte Richtung losrast – und kommst nur davon, weil sich der Verkehr staut und du die Tür aufreißen kannst. Und nachts sind da ständig diese Anrufe, diese männlichen Stimmen, die drohen, dich zu vergewaltigen, dir Säure ins Gesicht zu schütten. Dein Auto fliegt vor deinen Augen in die Luft. „Das nächste Mal bist du dran mitsamt deiner Wohnung und allen, die drin sind“, sagt der nächste nächtliche Anrufer. 

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Farida steht auf der Todesliste der Taliban

Das sind keine leeren Drohungen. Eine nach der anderen sind sie bereits umgebracht worden, deine Freundinnen, deine Kolleginnen, deine Mitarbeiterinnen. Was ist das für ein Leben? „Es ist ein Leben in ständiger Angst“, sagt Farida Nekzad. Seit einem halben Jahr ist die afghanische Journalistin Gast der „Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte“. Sie steht auf der Todesliste der Taliban: Weil sie sich für Menschenrechte, für Frauenrechte, für das Recht überhaupt einsetzt. In Deutschland soll diese mutige Frau wenigstens einmal kurz durchatmen können. 

Anfang dieses Jahres sind die Isaf-Truppen aus Afghanistan abgezogen. Nun sollen 12.000 Mann des besorgen, was 130.000 in 13 Jahren nicht geschafft haben: den Menschen Sicherheit verschaffen, vor allem aber, die Frauen befreien. „Waren sie nicht überhaupt deshalb gekommen? Hatte Hillary Clinton nicht immer wieder versprochen, uns Frauen nicht im Stich zu lassen? Aber sie hat uns verraten und verkauft, denn die meiste Zeit haben sie sich nur um ihre eigene Sicherheit gekümmert“. Die 38-Jährige ist tief enttäuscht.

„Gemeinsam haben wir das afghanische Volk aus der Finsternis der Verzweiflung gehoben“, behauptete dagegen der amerikanische Oberkommandierende John Campbell. Wie viele afghanische Frauen fürchtet Farida Nekzad, dass der Westen nun den gleichen Fehler macht wie 1992, als die USA schon einmal ihr Land im Stich ließen und damit den roten Teppich für die Taliban ausrollten. Das war das Jahr, in dem Farida in Kabul ihr Journalistik-Studium an der Universität begann. „Mein Vater war ein hoher Beamter im Verteidigungsministerium und ein gebildeter Mann. Er wollte, dass auch wir fünf Mädchen und nicht nur unsere fünf Brüder eine gute Ausbildung bekamen.“ 

Doch was unter der russischen Besetzung noch gefördert worden war, nämlich die Emanzipation der Frauen, wurde nun zu einem Risiko – der Besuch einer höheren Schule oder der Universität. Denn jetzt führten die von den USA gepäppelten Mujaheddin, die so genannten „Freiheitskämpfer“ das Regiment. „Die wollten keine Frauen, die ­gebildet waren. Sie kidnappten die Mädchen und zündeten Bomben.“ 

Ich werde kämpfen, für Mädchen und Frauen

Zwei Jahre später war sowieso alles vorbei. Da legten die Mujaheddin im Kampf um die Macht das bis dahin unzerstörte Kabul und auch die Universität in Schutt und Asche. Zwei weitere Jahre später, 1996, standen die Taliban vor der Haustür. Sie verlangten die Herausgabe der unverheirateten Töchter, zu denen auch Farida gehörte, um sie zwangsweise zu verheiraten; dazu die Köpfe der älteren Brüder. Die Brüder entkamen durch die Hintertür und flohen nach Pakistan, die Frauen folgten ihnen eine Nacht später. „Auf meinen zurückgebliebenen Vater schossen sie. Er überlebte mit über 100 Splittern im Körper.“

Im pakistanischen Peshawar setzte Farida ihr Journalistik-Studium fort. In Delhi schloss sie ihr Journalistik-Studium mit einem Diplom ab. „Ich beschloss: Ich werde kämpfen, für Mädchen und Frauen.“

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