Frauen wählen grün, Männer die AfD

Jubel bei den Grünen: Historischer Sieg bei der EU-Wahl. - imago images / snapshot
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Eine so große Überraschung ist es auf den ersten Blick auch wieder nicht. Sechs Prozent mehr Frauen (24%) als Männer (18%) haben die Grünen gewählt, dafür haben sechs Prozent mehr Männer (14%) als Frauen (8%) die AfD gewählt. So weit, so üblich bei vergangenen Wahlen. Ein Blick auf die verschiedenen Altersgruppen und das Wahlverhalten von Frauen und Männern in Ost und West zeigt allerdings: Bei diesen Europawahlen ist der Gender Gap rekordverdächtig!

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Frauen ist das Klima-Thema wichtiger.

So sind die Grünen bei den Westfrauen zwischen 18 und 60 die mit Abstand stärkste Partei. Bei den jungen Frauen bis 29 machten sogar 40 Prozent ihr Kreuz bei der Partei, die sich wie keine andere den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat. Bei den jungen Westmännern bis 29 sind die Grünen ebenfalls stärkste Partei, allerdings mit nur 26 Prozent der Stimmen, also 14 Prozent weniger als die Frauen dieser Altersgruppe.

Auch im Osten sind die Grünen bei den jungen Frauen stärkste Partei. Allerdings nur mit der Hälfte der Stimmen, nämlich 22 Prozent. Bei den Westmännern zwischen 30 und 60 liegt die CDU vorne.

Für Frauen war das Klima-Drama schon immer wichtiger als für Männer: Zwei von drei Frauen halten laut einer aktuellen Umfrage des Umweltbundesamtes Umwelt- und Klimaschutz für „sehr wichtig“, aber nur knapp jeder zweite Mann. Und so sind auch die Gesichter der „Fridays for Future“-Bewegung durchweg weiblich: Luisa Neubauer, Clara Mayer und, klar, Greta Thunberg stehen für den Kampf gegen den Klimawandel.

Westmänner zwischen 30 und 60 wählten CDU.

Auch bei der AfD gibt es einen enormen Gender- sowie Ost/West-Gap. Ginge es nach den Ostmännern zwischen 18 und 60 Jahren wären die Rechtspopulisten die stärkste Partei im ganzen Osten. Jeder Dritte in dieser Altersgruppe machte sein Kreuz bei der AfD (im Westen nur jeder achte). Aber auch die Frauen im Osten wählen viel häufiger AfD als ihre Geschlechtsgenossinnen im Westen: Jede fünfte Ost-Frau zwischen 30 und 60 machte ihr Kreuz bei der AfD (aber nur jede zwölfte West-Frau).

Und die anderen Parteien? Die CDU ist in West wie Ost nur noch in der Altersgruppe Ü 60 stärkste Partei, bei Frauen wie Männern – mit einem leichten Frauen-Überschuss von vier Prozent.

Die SPD wird in allen Altersgruppen gleichermaßen selten von Frauen und Männern gewählt. Ihren Frauenbonus, den die SPD seit den 1970ern hatte – und den ihr Angela Merkel abjagte – haben die Sozialdemokraten auch bei dieser Europawahl mit der Spitzenkandidatin Katarina Barley nicht zurückholen können.

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Alice Schwarzer schreibt

Klima-Heldinnen zu Besuch

Paula, Lilly und Maira bei den Protesten. (v. li.).
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Wie hat das eigentlich für euch ganz persönlich angefangen, die Fridays for Future-Proteste?

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MAIRA Von der Bewegung habe ich Anfang Dezember 2018 erfahren, als ich auf einem Kongress des Bildungswerkes der Schülervertretung bei dem Projekt „Schule-Klima-Wandel“ war. Da haben eine Schülerin und ein Schüler Fridays for Future vorgestellt. Ich war total beeindruckt und dachte: Wow, krass! Das kann ich auch machen! Am Anfang waren wir bei den Demos dann echt ganz wenige. Aber über die Wochen sind es immer mehr geworden. Am 15. März waren wir 10.000 allein in Köln!

PAULA Ich habe über einen Freund in einer WhatsApp-Gruppe Anfang Januar von Fridays for Future erfahren. Ich war sofort Feuer und Flamme! In der Orga-Gruppe habe ich ganz schnell meinen Platz gefunden. Am 15. Februar haben wir unsere erste Demo in Wuppertal auf die Beine gestellt, mit fast 1.500 Leuten.

LILLY Von Fridays for Future habe ich im November aus der Tagesschau erfahren. Der Schülersprecher meiner Schule hat im Februar die erste Demo organisiert, allein, weil bei uns noch nicht so viele von der Bewegung gehört hatten. Also ich komm ja vom Dorf, in der Nähe von Geislingen an der Steige, zwischen Stuttgart und Ulm. Das Dorf heißt Kuchen und hat etwa 6.000 Einwohner. Ich war dann gleich dabei, wir haben bisher insgesamt zwei Mal gestreikt, einmal mit hundert und einmal mit 200 Leuten. Das letzte Mal habe ich auch eine Rede gehalten.

Gab es einen Schlüsselmoment, wo ihr gedacht habt: Jetzt muss ich was tun?

PAULA Letztes Jahr kurz vor den Sommerferien gab es in Wuppertal eine riesige Überschwemmung durch einen Starkregen. Ich habe mich zufällig in der Innenstadt befunden. Sowas hatte ich noch nie erlebt, höchstens mal im Fernsehen gesehen. Das Wasser stand anderthalb Meter hoch, die Gullis sind hochgegangen und sogar unser Haus war unter Wasser, obwohl es auf einem Berg steht. Das war so ein Punkt, wo ich dachte: Der Klimawandel spielt sich nicht irgendwo außerhalb von Deutschland ab, sondern der ist genau hier. Und wir müssen genau jetzt was unternehmen. Meine Familie lebt schon lange bewusst. Mein Vater hat eine Schreinerei mit zwei Elektroautos, wir haben eine Solaranlage auf dem Dach und Fleisch kaufen wir vom ­Bauernhof.

LILLY Ich habe schon immer klimafreundlich gelebt und war viel in der Natur. Meine Familie – meine Mutter arbeitet mit schwererziehbaren Kindern und mein Vater ist bei Porsche – hat immer bewusst gelebt und auf Nachhaltigkeit beim Essen und bei der Kleidung geachtet.

MAIRA Für mich war bewusst leben auch relativ normal. Das kommt von meinen Müttern. Ich habe zwei Mütter, die eine arbeitet als Sprachtherapeutin, die andere ist Lehrerin an einer Förderschule. Eingekauft wird bei uns mit dem eigenen Jutebeutel.

Und jetzt habt ihr noch mal einen Zahn zugelegt?

MAIRA Auf jeden Fall! Ich hab meiner Familie gar nicht die Wahl gelassen: Seit meinem Entschluss, vegan zu leben, wurde vegan gekocht.

LILLY Meine Familie hat schon immer Bio gekauft. Ich wollte dann aber, dass wir bei dem Demeterhof bei uns in der Nähe einkaufen.

PAULA Ich glaube, ich habe noch mal ein bisschen mehr Bewusstsein geschaffen, dadurch, dass ich jetzt so aktiv in der Bewegung bin. (...)

Das Gespräch führten Alice Schwarzer und Angelika Mallmann. Das ganze Gespräch in EMMA-Ausgabe 3/19 lesen. Ausgabe bestellen

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