FrauenFilmFestival: Was tun?

Artikel teilen

Nur das Fragezeichen fehlt, denn die Frage stellt sich eigentlich nicht: „Es muss etwas getan werden angesichts weltweiter ökologischer und politischer Krisen!“ finden die Festivalmacherinnen. Und so steht das Festival, das 2006 aus der Kölner Feminale und der Dortmunder Femme Totale fusionierte, mit seinen rund 100 Spiel-, Dokumentar- und Animationsfilmen in diesem Jahr im Zeichen derjenigen, die was tun.

Anzeige

Wie zum Beispiel Franny Armstrong. Die Dokumentarfilmerin hat mit ihrem beeindruckenden Science Fiction-Doku-Drama „The Age of Stupid“ das selbstzerstörerische „Zeitalter der Dummheit“ visualisiert: Im Jahr 2055 ist London überflutet, steht Sydney in Flammen und ist Las Vegas von der Wüste verschluckt. Der letzte Mensch (der oscarnominierte Pete Postlethwaite) blickt im Welt-Videoarchiv auf das Jahr 2008 zurück und fragt sich, warum die Klimakatastrophe nicht verhindert wurde.

Armstrongs Film wurde in Großbritannien zum Überraschungserfolg. Die Regisseurin zeigte ihn im britischen Parlament und gründete die Bewegung „10/10“: JedeR BürgerIn soll dazu beitragen, den CO2-Ausstoß um zehn Prozent zu verringern. Die Filmemacherin selbst geht mit gutem Beispiel voran: Die Filmpremiere fand in einem Solarzelt statt, selbst das Popcorn wurde mit Muskelkraft produziert. Da sich Armstrong aus Klimaschutzgründen weigert, sich in ein Flugzeug zu setzen, wird sie beim Frauenfestival per Skype zum Publikums-Gespräch zugeschaltet.

„Wer sich nicht wehrt“ heißt ein weiterer Schwerpunkt, und wehren sollte frau sich nicht nur gegen Atomkraft und Autowahn, sondern auch gegen Sexismus und Homophobie. Ersteres tut Sampat Pal Devi, Gründerin der schlagkräftigen indischen "Gulabi Gang" (EMMA 1/2011). „If you are shy – you will die!“ lautet ihr Motto: Wenn du dich nichts traust, stirbst du! In diesem Sinne hat die weibliche Kampftruppe ihr Frauenschicksal selbst in die Hand genommen und sucht in ihren rosa Saris und mit Bambusstöcken prügelnde Ehemänner ebenso heim wie korrupte Politiker. „Pink Saris“ heißt der Film der Britin Kim Longinotto, die nach Dokumentationen in Kamerun und Iran mit der „Gulabi Gang“ einmal mehr ­widerständige Frauen porträtiert.

Gewehrt haben sich auch die 26 lesbischen und schwulen ProtagonistInnen zwischen 18 und 77, die anno 1978 mutig vor die Kamera traten. „Word is out“, die erste Dokumen­tation über homosexuelles Leben, machte ­damals in den USA Furore. Zu ihrem 30. Jubiläum hat die sechsköpfige Mariposa Film Group ihren Film technisch runderneuert.

„Widerstand durch Kunst“, so ein weiterer Reihen-Titel, leistet zum Beispiel Kathleen Hanna, ihres Zeichens Riot Grrrl der ersten Stunde und Sängerin der Band „Le Tigre“. Und das nicht nur, indem sie ihr Publikum mit Tampons bewarf. In Dortmund hat der Konzertfilm „Le Tigre: On Tour“ Deutschlandpremiere.

Die Libanesin Zeina Daccache porträtiert in „12 Angry Lebanese“ eine Gefängnis-Theatergruppe. Die oscarnominierte Lucy Walker entführt ihre ZuschauerInnen in „Waste Land“ in die apokalyptische Trostlosigkeit einer brasilianischen Müllhalde, wo der Künstler Vik Muniz aus Abfällen überlebensgroße Porträts der MüllsammlerInnen baut.

Begleitet wird das „Was tun“-Festival von einem entsprechenden Rahmenprogramm. So gibt die Attac-Gründerin Jutta Sundermann in ihrer „Top Ten des Widerstands“ aufschlussreiche „Tipps für erfolgreiches Protestieren. Und die belgische Künstlerin Annemie Maas mit Schwerpunkt „Guerilla Gardening“ gibt einen Grundkurs im Saatbomben-Bau.

Das diesjährige Schauspielerinnen-Porträt „Weder glatt noch gefällig“ ist Maren Kroymann gewidmet, die in einem Werkstatt-Gespräch über ihre Arbeit berichten wird. Das Multitalent – Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin – ist auch Jury-Mitglied für den mit 25 000 Euro dotierten Regie-Wettbewerb. Ebenfalls unter den Preisrichterinnen: Filmkritikerin Melissa Silverstein, deren Blog „Women and Hollywood“ in den USA zu den meist gelesenen gehört.

Zwei kleine Perlen des Festivals: Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des österreichischen Animationsfilm-Festivals „Tricky Women“ zeigen die deutschen Kolleginnen unter dem Titel „Best of Tricky Women“ zwölf Highlights weiblicher Trickfilm-­Macherinnen (wie den den Trickfilm "Kutoja - the last knit", über eine rasante Strickerin). Und in der Kategorie „Endlich wieder auf der Leinwand“ toben, live am Klavier begleitet, „anarchisch-renitente Komikerinnen der 1910er Jahre mit viel ­revolutionärem Potential: Sie hüpfen, rennen, springen, schubsen, sie klettern auf Schränke und kippen mit dem gesamten Möbel um. Frauen dreschen auf Männer ein oder solidarisieren sich mit ihren Angestellten gegen eben diese“. Es gab eben schon damals eine Menge zu tun.

www.frauenfilmfestival.eu

 

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite