Attentäter Breivik ist zurechnungsfähig

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Es ist das umfangreichste psychiatrische Gutachten der norwegischen Rechtsgeschichte: Die beiden Psychologen Agnar Aspaas und Terje Törrissen erklären den Osloer Massenmörder Anders Behring Breivik in ihrer 300 Seiten langen Untersuchung für „zurechnungsfähig“. Damit widersprechen sie einer vorangegangen, in Norwegen stark kritisierten Untersuchung, die dem Attentäter „paranoide Schizophrenie“ diagnostiziert und ihn für unzurechnungsfähig erklärt hatte; unter anderem wegen angeblicher Wahnvorstellungen über ein terroristisches Netzwerk, dem Breivik nach eigenen Angaben angehöre. Nun muss das Osloer Gericht entscheiden, welchem der beiden Gutachten es mehr Gewicht gibt. Inwiefern Breiviks Frauenhass vor Gericht eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten.

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Erklären die Richter den Mörder für schuldfähig, drohen ihm bis zu 21 Jahre Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Bei Unzurechnungsfähigkeit dagegen die Einweisung in eine psychiatrische Anstalt. Breivik hatte am 22. Juli 2011 erst eine Autobombe gezündet und acht Menschen getötet und danach auf der Insel Utoya 69 vornehmlich jungen Menschen erschossen. Laut Augenzeugenberichten habe er als erstes auf die attraktiven Mädchen gezielt.

Denn der Massenmörder wollte die „westliche Welt“ nicht nur vor der „islamischen Invasion“ retten. Sondern auch vor den Feministinnen: „Das Erstarken des Feminismus bedeutet das Ende der Nation und das Ende des Westens“, verkündete Breivik in seinem 1500 Seiten langen „Manifest“ und schrieb weiter: Die „Verweiblichung“ der westlichen Männer sowie die „Wahlfreiheit der Frauen“ sei zum Einfallstor für die muslimische „Bevölkerungs-Offensive“ geworden.

Er handelte also nicht nur aus Fremden- sondern auch aus Frauenhass. 
Ein Zusammenhang, der bis heute in der Medienberichterstattung kaum erwähnt wird. Dabei war „die Verbindung zwischen Frauenhass und rechtem Nationalismus selten so klar“, analysierte die US-Journalistin Michelle Goldberg in Newsweek kurz nach dem Attentat. Denn am Ende ging es doch um die Frauen und maskulistische Phantasien, die sich aus Männlichkeitswahn, Frauenhass und der Angst vor dem Weiblichen speisen, schrieb auch die österreichische Autorin Sibylle Hamann mit Bezug auf Klaus Theweleits Klassiker „Männerphantasien“.

Breivik selbst forderte in einem offenen Brief jüngst die Anerkennung seiner Schuldfähigkeit. Er habe in vollem Bewusstsein gehandelt und werde seine Anwälte vor Gericht beweisen lassen, dass er geistig gesund sei, kündigte er an. Die Einstufung als Geisteskranker nannte er die „ultimative Kränkung“, die Einweisung in eine Anstalt findet er „schlimmer als den Tod“.


Wie gefährlich der gekränkte Mann werden kann, hat Breivik vor einem Jahr selbst bewiesen. Bis heute inszeniert er sich als Märtyrer. Er hat den Massenmord zwar gestanden, schuldig fühlt er sich nicht. Die Wahnvorstellung eines einzelnen Irren?

Damit steht das Gericht durch das neue Gutachten auch vor der Frage: An welchem Punkt kippt Frauenhass ins Pathologische? Kann es überhaupt eine Grenze zwischen ganz „normalem“ Hass auf Frauen geben und einem krankhaften? Verkennt diese Diagnose nicht vielmehr die Selbstverständlichkeit, mit der heute Frauen oft im Namen des Biologismus in alte Rollenmodelle zurückgedrängt, objektiviert und bis zur Gewaltanwendung sexualisiert werden? Was Extremtätern wie Breivik das Fundament für ihre wahnsinnigen Taten liefert?


Der Prozess gegen Breivik beginnt am 16. April. Inwiefern das Motiv Frauenhass vor Gericht in Oslo überhaupt eine gravierende Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten.

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