Fritzi Haberlandt traut sich was!

Schauspielerin Fritzi Haberlandt: Was hat sie geprägt? - © imago/Future Image
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„Ich hatte gerade am Anfang der Schauspielschule unheimliche Komplexe. Ich fand mich nicht schön“, sagt Fritzi Haberlandt. Dennoch, oder gerade deshalb, wurde sie eine der interessantesten Persönlichkeiten ihrer SchauspielerInnen-Generation. „Der ganze Blick auf Film ist männlich dominiert, gleichzeitig weiß ich, dass ich jemand bin, der das unterläuft, der sich ganz anders positionieren musste und nicht vor diesem männlichen Blickurteil als ‚die schöne Schauspielerin‘ bestehen konnte.“ Fritzi setzte auf den Mut zum Eigensinn und hat „für so wahnsinnige Schönheiten auf der Kinoleinwand nicht viel übrig, das finde ich oft langweilig.“  

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Viele empfinden das ‚Ostige‘ als Makel

Sie sei „von Anfang an im Charakterfach gelandet“, erzählt die 40-jährige Absolventin der renommierten Ernst-Busch-Schauspielschule. Und das hat auch damit zu tun, dass Fritzi Haberlandt in der DDR aufgewachsen ist. „Ich war schon 14, als die Mauer fiel, habe also noch viel von der DDR mitbekommen. Meine Eltern waren recht kritisch, haben sich mit Politik auseinandergesetzt, und das ist eine Prägung, die das ganze Leben anhält: Dass man nicht einfach alles hinnimmt und versucht, das Beste für sich herauszuziehen. Für mich hat das etwas mit meiner DDR-Vergangenheit zu tun. ‚Jeder kämpft für sich allein‘, das ist einfach nicht Osten.“

„Viele empfinden das ‚Ostige‘ ja als Makel oder entschuldigen sich dafür, aber ich sehe das positiv. Ich bin total froh, dass ich das genau richtig biografisch erleben durfte, dass ich die DDR erlebt habe, aber später keine Einschränkungen mehr hatte. Nicht, weil ich die DDR so toll fand, sondern weil ich dadurch gelernt habe, anders zu denken und die Welt wahrzunehmen. Ich frage mich als Schauspielerin: Was hat das, was ich mache, mit der Gesellschaft zu tun? Wo befinde ich mich gerade?“

Die Schauspielerin, die in den Medien gern als „sperrig“ und „kantig“ bezeichnet wird, weiß zu schätzen, dass weibliche Regisseure einen anderen Blick auf sie haben. „Bei einem Polizeiruf habe ich zum ersten Mal erlebt, wie das Arbeiten mit einer Regisseurin ist: Total anders! Natürlich willst du als Schauspielerin dem Regisseur gefallen. Und du musst dem auch gefallen. Was immer das heißt! Wenn aber eine Frau Regie macht, versucht man eher, Freundinnen zu sein. Man will viel zusammen lachen und so eine Nähe aufbauen. Als ich meinen letzten Film mit Lola Randl gemacht habe, habe ich mich einfach nur gefreut, jemanden zu haben, der genauso denkt wie ich. Da ist all dieses ‚Gefallen wollen‘ dieses ‚Ah, sehe ich gut aus? Findet der mich jetzt gut?‘ weggefallen. So etwas kann man nur mit einer Frau erleben: Dass es nur um die Arbeit geht und nicht um die Eitelkeiten drum herum. Das ist so eine neue Freiheit, die jetzt mit den neuen Frauen kommt.“

Ich bin froh,
dass ich das
erleben durfte

Die Initiative „Pro Quote Regie“, die im Herbst 2014 startete, ist daher ganz in Haberlandts Sinne. Deren Forderung: 30 Prozent der öffentlich-rechtlichen Gelder für die Film-Förderung sollen an weibliche Regisseure gehen. 264 Regisseurinnen haben den Appell inzwischen unterzeichnet, darunter auch die „Stars“: Doris Dörrie, Margarete von Trotta, Caroline Link, Hermine Huntgeburth. Und auch Schauspielerin Haberlandt ist „absolut dafür, ganz vehement. Denn für die Ungleichheit gibt es ja keinen Grund, außer dass Männer lieber sich selbst wählen und ihresgleichen um sich haben.“

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Alice Schwarzer schreibt

Unter Frauen: Orange is the new Black

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Sie können nicht shoppen, denn sie dürfen nicht raus. Sie tragen keine Highheels, sondern Boots. Sie konkurrieren nicht um Männer, sie werden von ihnen bewacht. Sie sind unter Frauen. Im Frauengefängnis. Frauen aller Hautfarben, aller Altersklassen, aller Lebens- und Liebeslagen. Highclass-Girls sind eher rar unter den weißen Underdogs, Schwarzen und Hispanics. Und überhaupt ist die Serie weder chic noch cool. Zu vermuten ist: Hätte die Autorin und Produzentin, hätte Jenji Kohan dem TV-Sender für die TV-Serie „Orange is the new Black“ von Anbeginn an klare Ansage gemacht, wäre wohl nichts draus geworden. Denn welcher Sender hält schon eine Serie über eine Community aus Frauen, nach denen sich bei neun von zehn kein Mann auf der Straße umdrehen würde, für einen Quotenrenner?

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Eine Serie mit
ganz normalen Frauen wird Kult

Doch herausgekommen ist eine Erfolgsserie, die gerade Fernsehgeschichte schreibt und längst Kult ist in Amerika. Das hat mit der ungeschminkten Lebensnähe der vielfältigen Figuren in diesem Knastreigen zu tun, mit der Komplexität und Ambivalenz der Charaktere, mit dem Nebeneinander von Drama und Komik. Eben ganz wie im Leben. Und natürlich mit der herausragenden Qualität von Drehbuch, Regie und SchauspielerInnen.

Inzwischen gibt es schon drei Staffeln à 13 Folgen auf Deutsch, der US-Start für die vierte ist für 2016 angekündigt. Dass es jemals überhaupt eine zweite Staffel geben würde, hat zunächst wohl selbst der Bezahlsender Netflix nicht geahnt, und schon gar nicht, dass die Knastfrauen die Politelite aus Netflix‘ bisher erfolgreichster Serie, aus „House of Cards“, überflügeln würden.

Die Knast-Story
beruht auf einer wahren Geschichte

Die Story beruht auf einer wahren Geschichte, die die echte Piper veröffentlicht hat. Das weiße Mittelstandsgirl muss in den Knast. Sie ist Anfang dreißig und mit einem netten Muttersöhnchen verlobt. Zehn Jahre zuvor allerdings hatte Piper eine heiße Love-Affair mit Alex, die sie ins Drogen-Dealen reingezogen hat. Diese Vergangenheit holt die naive Bürgerstochter nun ein und beschert ihr ein Jahr Gefängnis.

Zunächst ist der Schock für die wohlerzogene, wenn auch emotional vernachlässigte Tochter aus gutem, wenn auch unherzlichem Hause groß. Doch von Tag zu Tag wird sie mehr und mehr eine von ihnen. Und sie begegnet im Knast Alex wieder. Was zu Komplikationen mit dem Verlobten draußen führt.

Die Intensität der Serie ist nicht zuletzt der Präsenz aller Figuren, auch der Nebenrollen, zu verdanken. Rückblenden und Nebenbemerkungen zeigen, warum diese Frauen im Gefängnis sind, und wie sie wurden, was sie sind.

Versteht sich, dass sie typische Frauenschicksale haben, gespielt von Schauspielerinnen, die nicht selten nur zu gut wissen, was sie darstellen.

Einige Schau-
spielerinnen
haben auch im Leben Bitteres erfahren

So Kate Mulgrew, die Galina Reznikov, genannt Red, spielt. Mulgrew war der erste weibliche Captain in „Raumschiff Voyager“ und ist in der Knast-Serie eine der Führungsfiguren, eine Mischung zwischen Sowjet-Kommissarin und Mutter Teresa. Im Leben wurde Kate vergewaltigt und gab das Kind 1977 zur Adoption frei.

Oder Natasha Lyonne, die die drogenabhängige, lesbische Nicky spielt, neben Piper die einzige Bürgerliche im Knast. Sie war auch im Leben heroinabhängig. Oder Laverne Cox, die als die transsexuelle Sophia im Knast die Frauen frisiert, und deren Part alles andere als glamourös, sondern eher tragisch ist. Laverne ist auch im Leben eine bekannte Transgender-Aktivistin.

Es kämpft jede für sich in diesem Panicroom, gleichzeitig aber herrscht ein gewisser Gemeinschaftsgeist und neben der Abgebrühtheit eine tiefe Menschlichkeit. Schließlich ist der Außenfeind klar, kommen die größten Demütigungen von den Wärtern und der Gefängnisleitung. Die hat übrigens eine Frau, fern vom Gefangenenalltag. Diese hochbeinige, rothaarige Karrierefrau ist die einzige bruchlos widerliche Figur in der Serie. Irgendwie noch widerlicher als der sadistische Wärter mit dem ekligen Schnäuzer.

Wer einsteigt in die Knastwelt von Kohan, riskiert süchtig zu werden. Und dabei reden wir bei drei Staffeln (auf Netflix oder Staffel 1 + 2 auf DVD) von je 13 Folgen über rund 39 Stunden Fernsehen. Das könnten lange Abende werden. Doch es lohnt sich. Denn diese Serie zeigt, was Fernsehen sein kann, wenn es sich traut.

Serien-Macherin
Kohan 
hat auch geschrieben:
Sex and the City

Wir lernen viel über das Leben der Anderen – aber auch über unser eigenes. Wen wir gerade noch naiv fanden, erweist sich bald als gerissen; wer uns gerade noch scheußlich schien, erzeugt plötzlich unser Mitgefühl; wer gerade noch verrückt war, ist nun kreativ.

Die Macherin der Serie, Jenji Kohan, hat auch für „Sex and the City“ geschrieben, sozusagen das Gegenstück zu „Orange is the new Black“. Sie kommt aus einer jüdischen New Yorker Familie von Kreativen. Der Vater schreibt TV-Komödien, die Mutter ist Schriftstellerin, der Bruder hat eine erfolgreiche Serie mit homosexuellen Protagonisten mitgemacht. Und sie? Sie ist verheiratet mit einem Schriftsteller. Die Regisseurinnen der Serie wechseln, eine von ihnen ist Jodie Foster. Bei ihr wird es jedes Mal noch genauer, beklemmend hart und zart zugleich.

Schon jetzt ein
feministischer
TV-Klassiker!

Diese TV-Serie hat keine Angst vor dem Leben. Und sie zeigt Spannungen, Rivalitäten und Gemeinheiten unter Frauen ebenso wie Freundschaft, Liebe und Leidenschaft. In Amerika und Großbritannien wird „Orange is the new Black“ längst als „feministischer Klassiker des Fernsehens“ (Soziologin Debra Ferreday) gehandelt. Und genau das ist es: eine Kultserie, die durch und durch geschlechterbewusst ist.

Alice Schwarzer

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