Gedenken: Das Mahnmal

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Die gute Nachricht zuerst: Der Film im Innern des „Mahnmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ zeigt endlich auch küssende Frauen (siehe Foto). Wer durch den Spalt in dem Betonkubus im Berliner Tiergarten linst, sieht in Endlosschleife: zwei Frauen- und drei Männerpaare. Am 26. Januar 2012 wurde der neue Film im Berliner Tiergarten im Beisein von Kulturstaatsminister Bernd Neumann eingeweiht, die Festrede hielt die offen homosexuelle Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer.

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Bis dahin war es ein harter Kampf. Denn ursprünglich sollte das Mahnmal nur der verfolgten homosexuellen Männer gedenken, homosexuelle Frauen sollten unsichtbar bleiben. Denn sie seien, so behaupteten die einen, im Nationalsozialismus überhaupt nicht verfolgt worden. Und die Künstler Michael Elmgreen und Ingar Dragset rieten lapidar, die Frauen sollten sich von ihrem Film, der ein küssendes Männerpaar zeigte, doch einfach „mitgemeint“ fühlen.

Im Winter 2006 startete EMMA eine Kampagne gegen die historisch falsche und geschlechterpolitisch ignorante Entscheidung der Jury, die klar gegen die Ausschreibung verstoßen hatte. Die lautete: „Mit diesem Gedenkort wollen wir die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten, ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen.“ 1 500 MitstreiterInnen von Ulrike Folkerts bis Ralf König unterschrieben den Appell für die Präsenz von Lesben im Homomahnmal.

Die Aktion hatte Erfolg. Kulturstaatsminister Neumann handelte einen Kompromiss aus: Der Film im Mahnmal sollte nach zwei Jahren ausgetauscht werden. In der neuen Ausschreibung hieß es nun: „Angesichts der Widmung des Denkmals sind für den zweiten Film Beiträge willkommen, die geeignet sind, ein Zeichen gegen die Ausgrenzung von Lesben in der Gegenwart zu setzen.“

Und damit sind wir bei der schlechten Nachricht. Von einem Gedenken an die im Nationalsozialismus verfolgten Lesben kann nämlich immer noch nicht die Rede sein. Wann immer einer der Verantwortlichen aus dem Ministerium, vom Lesben und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) oder von der für den Wettbewerb zuständigen „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ von den homosexuellen Frauen im Mahnmal spricht, geht es um deren Diskriminierung in der „Gegenwart“. Und die Vergangenheit?

Es war eine der ersten Amtshandlungen der Nazis, die Leiterinnen der beiden größten Berliner „Damenclubs“, Lotte Hahm und Elsa Conrad, zuerst ins Gefängnis und dann ins KZ zu stecken. Zeitzeuginnen berichten, dass Blockwarte und Nachbarn Frauenpaare bei der Gestapo denunzierten. In Akten aus Erziehungsheimen und medizinischen Instituten finden sich zahlreiche Zeugnisse von Entmündigungen und Zwangssterilisationen lesbischer Frauen.

Auch wenn der § 175 nur für homosexuelle Männer galt, gibt es Gerichtsurteile, in denen der Willkürstaat auch Frauen verurteilte: „Um der Angeklagten klar zu machen, dass sie künftig ihre Neigungen in dieser Hinsicht im Zaum zu halten hat, glaubt das Gericht von einer Geldstrafe Abstand nehmen zu müssen und auf eine Haftstrafe von 1 Monat zu erkennen“, heißt es zum Beispiel über die Angeklagte Thea Hasselfeldt in den Strafakten des Hamburger Staatsarchivs. Im seit 1938 dem Deutschen Reich angeschlossenen Österreich wurde der § 175 ohnehin auch auf Frauen angewandt.

Dennoch versuchten schwule Aktivisten mit einem Offenen Brief an den Kulturstaatsminister, die Frauen im Mahnmal zu verhindern. Sie behaupteten dreist: Es sei „nicht ein einziger Fall einer lesbischen Frau historisch zu belegen, die aufgrund ihrer homosexuellen Veranlagung in die Verfolgungsmaschinerie der Nationalsozialisten geraten wäre“. Widersprochen hat ihnen offiziell bisher noch niemand. Die „Ehrung“ der im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Lesben steht also weiterhin aus.

EMMAonline, 21.6.2012

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