Alice Schwarzer schreibt

Gründe zum Männerhass?

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Als ich nach Köln zog, veröffentlichte die hiesige Boulevardzeitung Express einen Artikel mit der Schlagzeile: "Deutschlands Männerhasserin Nr. 1 kommt nach Köln!"

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Auf die Gefahr hin, die Herren der Schöpfung zu enttäuschen, muss ihnen hier einmal deutlich und klar gesagt werden: Frauenkampf ist in erster Linie Kampf für Frauen, nicht Kampf gegen Männer. Männer spielen da eine bisher für sie ungewohnte, weil sekundäre Rolle. Bedaure. Gegen sie richtet sich Frauenkampf nur da, wo sie die Emanzipation von Frauen, wo sie ihre Befreiung verhindern wollen.

Ich werde jedoch nicht als Person, nicht als Alice Schwarzer, angegriffen, sondern stehe für all die Frauen in diesem Land, die es im Augenblick wagen, Männer in Frage zu stellen. Ich soll exemplarisch fertig gemacht werden. Das Etikett "Männerhasserin" ist als Diffamation gemeint: Wir Frauen sollen damit gespalten werden! Gespalten in hie böse Weiber, die mit den Männern nicht können und da liebenswerte Geschöpfe, die eilfertig versichern: "Ich habe nichts gegen Männer".

"Männerhasserin" - das ist die vernichtendste Beschimpfung, die diese Männergesellschaft auf Lager hat. Aus ihrer Sicht konsequent, denn was gibt es in den Augen der Herrschenden Verwerflicheres, als die, die sich gegen diese Herrschenden richten? Aus der Sicht einer Frau allerdings fatal, aber leider dennoch weit bereitet: Es war schon immer ein charakterisierendes Merkmal der Sklavenmentalität, die eigene Unterwerfung zu akzeptieren.

Ich bin eine Frau. Ich habe nicht immer dieselben Interessen wie ein Mann. Manchmal sogar entgegengesetzte. Darum sei mir erlaubt, die Frage einmal aus weiblicher Sicht zu beleuchten: Was eigentlich hat es mit dem Männerhass auf sich? Hassen ist an sich noch nichts Negatives. Im Gegenteil: die totale Unfähigkeit zu hassen und die totale Bereitschaft, hinzunehmen und zu leiden, ist sicherlich eine seelische Verkrüppelung.

Hass ist nur da mies, wo er grundlos oder fehlgeleitet ist. Da, wo es Anlass gibt zu hassen, kann Hass auch ein durchaus positives, weil antreibendes und veränderndes Moment sein. Juden haben Grund, Antisemiten zu hassen, sich gegen sie zu wehren. Schwarze haben Grund, Rassisten zu hassen. Und eine von Männern - einzeln oder/und gesamtgesellschaftlich - unterdrückte Frau hat recht, etwas gegen Männer und/oder die Männergesellschaft zu haben. Das Gegenteil wäre beunruhigend. Wer den Hass abschaffen will, muss die Gründe zum Hass abschaffen! Wer etwas gegen Männerhass hat, muss gegen die Frauenunterdrückung kämpfen!

Sonst bleibt das Gerede wider den Männerhass eine einzige Farce. Das ist, als würde man hohes Fieber künstlich unterdrücken, dem Fieberherd an sich aber nicht zu Leibe rücken: Die Ursache der Malaise bleibt, das Leid schwelt weiter. In den letzten Jahren bin ich bei unendlich vielen Frauen auf einen tiefen Männerhass gestoßen; mehr noch außerhalb der Frauenbewegung als in ihr. Nicht selten waren das Frauen, die sich nach außen nichts anmerken ließen.

Ich denke da an die Münchener Arbeiterfrau, die mir am Küchentisch gegenüber saß, von ihrer Abtreibung erzählte und ungefragt und sehr ruhig sagte: "Er ist ein Schwein. Wenn ich könnte, würde ich lieber heute als morgen gehen - aber wohin mit den Kindern?" Sie hat vier.

Oder an die geschlagenen Frauen, die ich in diesen Tagen traf, und von denen mir mehr als eine gesagt hat: Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte ihn umgebracht!

Es gibt nichts "Weiblicheres" (anerzogen weiblich, wohlgemerkt) als die Selbstverleugnung. Immer nur an die anderen denken: an ihn, an die Kinder, nie an sich selbst. Wenn Frauen jetzt anfangen, sich selbst ernstzunehmen, wird ihnen auch ihr Hass bewusst. Neu ist, dass Frauen beginnen, stark genug zu werden, um sich diesen Hass eingestehen zu können. Schaffen wir die Gründe ab, dann schaffen wir auch den Hass ab - nicht umgekehrt.

Da, wo Männer nicht hassenswert sind — um so besser. Für sie und für uns.

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