Das Blaue Mädchen: Für die Freiheit!

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Das Azadi-Stadion in Teheran trägt den Beinamen „Stadion der Freiheit“. Ein bitterer Zynismus. Es ist ein in Zement gegossener Ort der Freiheit der einen Hälfte der Bevölkerung - und der Unterdrückung der anderen. Denn Frauen haben keinen Zutritt, weder als Spielerinnen, noch als Zuschauerinnen. Der Anblick „halbnackter“ Männer sei für sie haram, eine Sünde, argumentieren die islamischen Sittenwächter seit der Revolution von 1979.

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Ein halbes Jahr Gefängnis für den Besuch eines Fußballstadions

Für die schlichte Freiheit, sich ein Fußballspiel anzusehen, ist nun eine junge Frau gestorben. Wie das Iran-Journal berichtet, wurde Sahar Khodayari, nachdem sie ein Fußballspiel im Stadion verfolgt hatte, im März verhaftet und zwar zunächst gegen Kaution wieder freigelassen. Kürzlich jedoch erfuhr sie, dass ihr ein halbes Jahr Gefängnis droht.

Im März hatte sich die 29-jährige Sahar Khodayari als Mann verkleidet, mit langem Mantel und blauer Fan-Perücke, um sich in das Stadion zu schleichen. Sie wollte das Spiel von Esteghlal Teheran sehen, auch vielen Deutschen ein Begriff durch ihren Trainer, Winfried Schäfer. Khodayari postete nach dem Abpfiff noch ein Foto aus dem Stadion, ganz in Blau gekleidet, den Farben von Estheglal. Dann schlug die Sittenpolizei zu und nahm sie wegen „mangelhafter islamischer Bekleidung und Widerstand“ fest. Es wurde Anklage erhoben wegen „Verstoßes gegen das Keuschheitsgebot, sittenwidrigen Benehmens und Beleidigung der Ordnungskräfte“. Drei Tage blieb Sahar im Gefängnis, ehe sie bis zur Verhandlung freigelassen wurde. Als Sahar bei ihrem Gerichtstermin am 2. September erfuhr, dass ihr ein halbes Jahr Gefängnis droht, war sie verzweifelt. Am Montag vergangener Woche stellte die 29-Jährige sich vor das Teheraner Revolutionsgericht. Dann schüttete sie sich einen Kanister Benzin über den Kopf und zündete sich an. Passanten versuchten, das Feuer zu löschen. Als die Rettungskräfte eintrafen, atmete die junge Frau kaum noch. Sahar Khodayari wurde mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie dann starb.

Der Familie von Sahar Khodayari wurde eine Trauerfeier untersagt

Das Regime hat sie ohne Beisein ihrer Familie außerhalb ihres Geburtsortes Qom begraben lassen, eine Trauerfeier wurde untersagt. Die iranische Presse durfte nicht über den Fall berichten. Die Information fand trotzdem ihre Wege und löste im Iran heftige Reaktionen aus. Das „blaue Mädchen“ wurde in den sozialen Medien schnell zur Märtyrerin des Protestes gegen die Unterdrückung der Frauen.

Andranik Teymourian, der ehemalige Kapitän und erste Christ in der iranischen Nationalelf, erklärte zum „Blauen Mädchen“: „Eines Tages in der Zukunft wird das Stadion den Namen Sahar tragen.“ Auch Trainer Winfried Schäfer war bestürzt. Er hatte sich bereits Monate zuvor gegen die Verbannung der Frauen aus den Stadien ausgesprochen. „Fußball ist im Iran eine der wenigen Möglichkeiten, Protest auszudrücken“, erklärte er in deutschen Medien. Er nahm auch die Fifa in die Pflicht, den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Die Fifa erklärte vorgestern: „Wir fordern die iranischen Behörden erneut auf, die Freiheit und Sicherheit aller Frauen zu gewährleisten, die an diesem legitimen Kampf zur Beendigung des Stadionverbots für Frauen in Iran beteiligt sind.“ Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen steht in den Fifa-Statuten, der Weltverband könnte den Iran von der WM-Qualifikation ausschließen.

Worauf wartet er?

 

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Iran: Gefängnis & Peitsche für Nasrin

Anwältin und Frauenrechtlerin Nasrin Sotoudeh. - Foto: Arash Ashourinia/AFP/Getty Images
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Als EMMA im April 2018 mit ihr sprach, klang sie besorgt aber entschlossen: „Es war niemals ein Fehler, dass ich diese Prozesse geführt habe“, sagte sie. „Egal, wie lange ich im Gefängnis saß, ich habe niemals bereut, was ich getan habe.“ Zwei Monate später, am 18. Juni, wurde die Anwältin Nasrin Sotoudeh verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis geworfen, wo sie seither sitzt.

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Jetzt wurde bekannt, dass das „Revolutionsgericht“ in Teheran die Anwältin in sieben Anklagepunkten für „schuldig“ befunden hat. Ihr drohen bis zu 34 Jahre Gefängnis und 148 Peitschenhiebe. Das Vergehen von Anwältin Sotoudeh? Die Verteidigung von Frauen, die gegen die Zwangsverschleierung protestiert haben.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass der als „Reformer“ geltende Staatschef Hassan Rohani den Hardliner Ebrahim Raisi zum Chef des Obersten Gerichtshofes der iranischen Republik ernannt hat. Der Oberste Richter steht noch über dem Justizminister, ihm untersteht die gesamte Justiz. Rohani ist mitverantwortlich für Tausende, wenn nicht Zehntausende Todesurteile gegen politische Oppositionelle. Er entschied persönlich, wer hingerichtet wurde und wer nicht. Die von ihm zum Tode Verurteilten wurden zum Beispiel im Juli und August 1988 im Halbstundentakt an Baukränen erhängt.

Vor Gericht schuldig gesprochen wegen "Propaganda gegen das Regime"

Auch Reza Khandan, der Ehemann von Nasrin Sotoudeh, wurde zu Gefängnis verurteilt, sechs Monate. Noch ist er auf Kaution frei. Die beiden haben zwei minderjährige Kinder.

Die iranische Presse berichtet nicht über den Fall. Khandan informierte jetzt die internationale Öffentlichkeit über den Schuldspruch gegen seine Frau.

Noch hat Nasrin weder den Schuldspruch, noch ein Urteil erhalten. Ihr wurde lediglich mitgeteilt, dass sie u.a. wegen „Propaganda gegen das Regime“, „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Förderung von Korruption und Prostitution“ schuldig gesprochen worden ist. Am Prozess durften weder sie noch ein Anwalt, eine Anwältin ihrer Wahl teilnehmen.

Die 55-jährige Anwältin verteidigt schon seit Jahrzehnten vor allem Frauen, die sich gegen die Zwangsverschleierung und für ihre Rechte einsetzten. Bereits 2010 war sie zu elf Jahren Gefängnis und Berufsverbot verurteilt worden. Sie wurde jedoch nach drei Jahren überraschend freigelassen und durfte auch wieder ihren Beruf ausüben.

Mit einem Justizchef wie Raisi ist diesmal auf „Milde“ für Nasrin Sotoudeh nicht zu rechnen. Die Welt schaut zu. Und Konvertitinnen bzw. Musliminnen „kämpfen“ in westlichen Demokratien für „das Recht auf Verschleierung“. – Sie würden besser für die elementarsten Menschenrechte ihrer Schwestern in den islamischen Diktaturen kämpfen. 

PS Das Urteil ist gefallen: 33 Jahre Gefängnis und 148 Peitschenhiebe, zusätzlich zu den fünf Jahren, zu denen Nasrin schon 2016 verurteilt wurde. Macht insgesamt 38 Jahre Haft. Nasrin erkennt das Urteil nicht an und ist in Hungerstreik getreten, berichtet ihr Mann. Sie will auf jeden Fall in Berufung gehen. -  Wirklich kann jetzt nur noch internationaler Druck helfen. Vielleicht.

Ein Justizsprecher sprach von sieben Jahre Haft für Sotoudeh aber Reza Khandan widersprach im Gespräch mit der persischen Redaktion der Deutsche Welle dieser Aussage.

Amnesty International hat einen Appell an das iranische Regime lanciert. Jetzt unterschreiben! Jetzt unterschreiben!

Auch auf change.org gibt es eine Petition, in der die Freilassung von Nasrin Sotoudeh gefordert wird.

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