Pornografie & Macht

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Die erste Sitzung der Sektion „Dichtung und Sprachpflege“ an der Akademie der Künste, zu der ich, nachdem ich 1986 als Mitglied gewählt worden war, kam, war zum Thema „Pornografie im Sozialismus“. Die sich als avantgardistisch verstehenden Herren gingen davon aus, dass Vorreiter der Kultur auch für Pornografie endlich eine Lanze brechen müssen. Anlass war, dass unser Staat für harte Devisen Pornografie druckt, aber nur für den Export. Die Recken von der Akademie wünschten nun, dass wir davon auch im Inland haben sollten.

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Ich fühlte mich wie in einem Biertischgespräch. Dabei war mir klar, dass Vater Staat antisemitische Schriften auch nicht für harte Devisen drucken würde und auch keinen Rassismus. Aber diese Spielart von Sexismus, die natürlich mit Gewalt zu tun hat, die druckt er! Kein Antisemitismus, kein Rassismus, aber Sexismus.

Eine Gewaltform gegen die Hälfte der Bevölkerung, die das tradierte Gefälle zwischen den beiden Hälften zementiert. Denn wenn so ein Junge mit Pornografie heranwächst – die sexuell anmacht, eine Frau von oben herab zu nehmen – dann prägt ihn das, und er kann nicht wieder weg davon.

Da braucht man sich dann nicht zu wundern, dass die meisten Männer nicht mögen, wenn ihre Partnerinnen im Beruf mehr können. So geprägt kann Frauenüberlegenheit Männer impotent machen. Auf diese Weise kann man die Emanzipation ziemlich nieder machen. Denn diese Weise bedeutet, dass Frauen, die etwas können und sich einen männlichen Partner wünschen, fürchten müssen, keinen zu finden. Eine Art Erpressung!

Diese Pornografie zerstört vitale Strukturen der Frauen. Sie schafft weibliche Vorbilder, die sich dem männlichen Partner gegenüber inferior verhalten. Gegen solche prägenden Vorbilder anzureden – selbst mit den besten Argumenten – richtet nur wenig aus. Weil die Prägung auf der vitalsten Ebene festgemacht ist. Der pornografisierte Mann wird zu einer nicht inferior aussehenden Frau sagen: Ich kann einfach nicht. Das ist psychologisch feldherrnmäßig angekocht. Die Sache ist überhaupt nicht zu überschätzen!

Das kommt bei offenen Grenzen jetzt erst richtig mit Wucht auf uns (in der DDR, Anm. d. Red.) zu, ist aber schon verbreitet. Zum Beispiel choreografisch mit Tänzerinnen bei uns im Fernsehen, die sich da herumwerfen müssen auf der Bühne.

Pornografie möchte ich dieses Mimen von Wegwerffrauen nicht direkt nennen. Aber Zerstreuung um jeden Preis, und zwar auf Kosten von Frauen – stalinistische UFA.

Ich weiß, es gibt Frauen, die befinden – natürlich laut – Pornografie sei eine Lebensqualität, die die Frauen sich erkämpfen müssten. Ja, die springen eben so auf den neuen Zug auf. Das ist eine Form, sich anzuwanzen.

Ich erinnere mich, wie ich Mitte der 70er Jahre zum ersten Mal in einem pornografischen Film war, in „Emanuelle“, ganz ahnungslos. Mir war gesagt worden, es handle sich um einen Softporno. Und da ich selbstverständlich ein erotisch interessierter Mensch bin, dachte ich, das müsste mich sehr interessieren.

Ich bin da mit großen Erwartungen und positivem Vorurteil reingegangen. Und ich war da zusammen mit Männern drin, die Marxisten waren und außerordentlich linientreu. Danach hätte ich sie alle zusammenschießen können. Sie amüsierten sich nämlich glänzend. Und ich dachte, mit diesen Leuten bist du in einer Partei? Furchtbar!

Also, die amüsierten sich über eine Frau, die richtig generalstabsmäßig psychisch abgeschlachtet wurde. Das ist nicht weniger schlimm, als jemanden physisch abzuschlachten. Und dabei amüsierten sich diese Kerle. Und ich war danach tagelang erotisch tot. Absolut unansprechbar.

Was für mich Erotik ist, das kann man in meinen Büchern lesen. Natürlich nicht nur in Beschreibungen von Liebesszenen; wahrscheinlich in allen Beschreibungen mehr oder weniger. In der Sowjetunion zum Beispiel ist kein einziges Buch von mir erschienen, ein paar Erzählungen wurden übersetzt, aber kein Buch. Grund: Pornografie.

Doch Pornografie (übrigens auch bei mir nachzulesen): also Pornografie hat etwas mit Macht zu tun. Es ist ja klar, dass Männer Probleme haben, mit ihrer Geschlechterrolle klarzukommen, die sie verpflichtet, überlegen zu sein. So eine Pflicht überfordert jeden Menschen. Und ein Mann, der diese seine Pflicht nicht schafft, ist schwer frustriert und versucht, sein Versagen irgendwie zu kompensieren. Also zum Beispiel sexuell. Und die einfachste Art, sich überlegen fühlen zu können, ist, den anderen zu erniedrigen. Pornografie hat also überhaupt nichts mit Erotik zu sein, sie hat etwas mit Macht zu tun.

Die wichtigsten Bücher von Irmtraud Morgner wurden in dem Verlag Faber & Faber wieder aufgelegt, zuletzt „Amanda“ (1983). – Irmtraud Morgner auf EMMAonline

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