Die KonvertitInnen sind im Kommen

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"Liebe Brüder und Schwestern, ich bekomme jetzt eine großartige Möglichkeit mit meinem Baby. Deshalb will ich euch bitten, für mich und mein Baby zu beten, dass Allah der Gepriesene, uns für das Paradies akzeptieren wird." Die alleinerziehende Mutter, die diese Mail am 9. April 2006 in einem islamistischen Internet-Chatroom verschickte, ist eine zum Islam übergetretene Deutsche: Sonja B., 39, aus Berlin, die, heißt es, nie ohne schwarze Ganzkörperverhüllung auf die Straße geht. Ermittler vom Berliner Landeskriminalamt vermuten, berichtet der Spiegel, dass die Konvertitin "in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet reisen wollte, um sich dort als Märtyrerin im Kampf gegen die Ungläubigen zu opfern".

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Seit dem 11. September 2001 zittert die westliche Welt vor islamistischen Terroristen. Fiction- und Dokudramen zeigen uns Schreckenszenarien, in den arabisch aussehende, dunkle, bärtige Männer Finsteres planen. Aber was, wenn die Täter keine Männer wären, sondern Frauen? Nicht schwarzhaarig, sondern blond? Nicht braun-, sondern blauäugig? Was, wann sie nicht Arabisch oder Englisch sprächen, sondern Deutsch - wie die Konvertitin Sonja B. aus Berlin?

Wie auch immer: Der von Politik und Medien gerne funktionalisierte Terror ist nur die Spitze des Eisberges und verdeckt das eigentliche Problem - nämlich die Unterwanderung des Rechtsstaates durch die Scharia mitten in Deutschland: Parallelwelten, in denen statt des Grundgesetzes das Gesetz der Umma gilt; Schulausflüge und Sportunterricht, von denen Mädchen aus "religiösen Gründen befreit" werden; Sexualkundeunterricht, an dem die Kinder nicht teilnehmen dürfen, weil es ihren Eltern nicht passt; Lehrerinnen, die unter dem Kopftuch Flagge zeigen gegen die Gleichheit der Geschlechter. In diesen Szenarien aus dem deutschen Alltag spielen KonvertitInnen eine zunehmend bedeutende Rolle.

Die Grundschullehrerin, die Anfang Juli 2006 beim Stuttgarter Verwaltungsgericht durchsetzte, mit Kopftuch unterrichten zu dürfen, weil Nonnen an staatlichen Schulen in Baden-Württemberg auch Schleier tragen, ist eine Konvertitin. Als am 3. März 2006 in Bielefeld über die Mohammed-Karikaturen diskutiert wurde, saßen als Vertreter der Muslime zwei Konvertiten auf dem Podium.

Der ‚Zentralrat der Muslime in Deutschland' (ZMD) wird seit dem 5. Februar 2006 von einem Konvertiten geleitet; zwei der stellvertretenden Vorsitzenden sind ebenfalls KonvertitInnen. Seit dem Sommersemester 2005 werden in Münster erstmals an einer deutschen Universität LehrerInnen für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet - von einem Konvertiten.

Die "merkwürdige Welt deutscher Kopftuchlehrerinnen", der die Zeit im Dezember 2003 einen Besuch abstattete, war von Konvertitinnen bevölkert. Der Geschäftsführer der hoch umstrittenen König Fahad Akadamie in Bad Godesberg bei Bonn (vor der EMMA schon 1995 warnte, siehe www.emma.de) ist Konvertit; ebenso der Vorsitzende der Muslimischen Akademie in Berlin. Der Herausgeber und der Chefredakteur der Islamischen Zeitung (IZ) sind Konvertiten. Und so weiter und so fort.

Es sind viele, wie viele weiß niemand so genau. Denn zum Islam überzutreten, ist ein unbürokratischer Akt, der sich in keiner offiziellen Statistik niederschlägt. "Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Gesandter." Dieses auf Arabisch gesprochene Glaubensbekenntnis reicht. Meist wird es in Anwesenheit von zwei Zeugen in einer Moschee abgelegt, aber Pflicht ist das nicht.
Bei der letzten Volkszählung 1987 wurden knapp 48.000 Personen muslimischen Glaubens mit deutscher Staatsangehörigkeit registriert, darunter auch eingebürgerte AusländerInnen. Danach ist staatlicherseits die Zahl der deutschen Muslime nie wieder erhoben worden. Das Islam-Archiv im westfälischen Soest jedoch versendet alljährlich an die muslimischen Gemeinden in Deutschland Fragebögen, durch die auch Konversionen erfasst werden. Früher seien es höchstens 350 pro Jahr gewesen, sagt Mohammad Salim Abdullah, Seniordirektor des Soester Archivs, doch bei der letzten Erhebung, die noch nicht komplett ausgewertet worden sei, tendiere die Zahl der Neuzugänge durch Übertritt gegen 4.000 innerhalb von zwölf Monaten.

Den freundlichen alten Herrn am Telefon freut es ungemein, dass sich so viele Deutsche dem Islam zuwenden: "Ausgerechnet in einer Zeit, wo er unter dem Generalverdacht des Terrorismus steht!" Aber eine Schätzung, wie viele KonvertitInnen es mittlerweile insgesamt sind, will Abdullah nicht wagen, weil das Islam-Archiv keine Abwanderungen und Sterbefälle zählt. In den allgemeinen Fragebögen wird auch nicht nach den Gründen für eine Konversion gefragt, erläutert der Seniordirektor, allerdings würden sie stichprobenartig durch Einzelfragebögen erforscht.

Demnach stellen deutsche Frauen mit einem muslimischen Ehemann die größte Gruppe unter den KonvertitInnen. Die ChristInnen, die nicht wegen einer Heirat zum Islam übertreten, sondern aus purer Überzeugung, seien "überwiegend Protestanten": "Sie haben mit der Dreifaltigkeit Probleme und wünschen sich einen starken Monotheismus." Das Islam-Archiv registriert auch "eine große Zahl von atheistisch erzogenen jungen Frauen aus der ehemaligen DDR". Die mystischen Sufi-Orden hätten es ihnen besonders angetan, erzählt Mohammad Salim Abdullah.

Bei der Bekehrung der Archäologin Susanne Osthoff - seit ihrer Entführung im Irak die wohl bekannteste deutsche Konvertitin - scheinen auch Abenteuerlust und Begeisterung für die arabische Kultur eine Rolle gespielt zu haben. Vielleicht aber nicht nur das. Die Leipziger Kultursoziologin Monika Wohlrab-Sahr vermutet: Osthoffs Konversion könne auch "eine Art Emigration aus der Herkunftsfamilie" gewesen sein.

Wohlrab-Sahr erforscht Konversions-Motive durch biografische Interviews. Dabei hat die Professorin von der Uni Leipzig festgestellt, dass Frauen oft aufgrund von "Erfahrungen persönlicher Entwertung im Bereich der Sexualität und des Geschlechterverhältnisses" konvertieren. Auf Deutsch gesagt: Diese Frauen haben Erniedrigung und Gewalt durch Männer erlebt. Der islamische Schleier, wird ihnen von MissionarInnen eingeredet, biete ihnen Schutz vor sexuellen Übergriffen und der Vermarktung des weiblichen Körpers in der westlich-säkularen Welt.

Weil der Islam das gesamte private und öffentliche Leben eines Menschen bis ins Kleinste durch Vorschriften und Gesetze (Scharia) regelt, führt das bei manchen "deutschdeutschen Muslimen" - so werden sie in Abgrenzung zu den eingebürgerten MigrantInnen genannt - zu einem radikalen Persönlichkeitswandel. Wohlraab-Saar: "Das sind dann die Konvertiten, die uns auffallen, weil sie im Grunde strenger sind als die Muslime, die einen gelebten Glauben mitbringen."

Zum Beispiel der 25-jährige Thomas Fischer aus Ulm. Er zog in den Dschihad ("Kampf auf dem Wege Gottes"), den islamistische Terroristen in Tschetschenien gegen die Zivilbevölkerung und die russische Besatzungsmacht führen. Im November 2003 fiel der junge Ulmer für Allah. Oder die belgische Konvertitin Muriel Degauque. Sie zündete im November 2005 im Irak einen Sprengsatz, den sie unter ihrer Ganzkörperverschleierung verborgen hatte. Die laut Spiegel von ihrem marokkanischen Ehemann akquirierte Selbstmordattentäterin starb; die US-Patrouille, die sie mit in den Tod reißen wollte, überlebte unverletzt.

Dies sind nur zwei von zahlreichen konvertierten Dschihad-KriegerInnen. Bei allen war massive Indoktrination am Werk. In Ulm und Umgebung beispielsweise hat sich nach Recherchen der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) "eine islamistische Szene aus Konvertiten und Ausländern gebildet, deren Spuren bis nach Tschetschenien und in ein terroristisches Ausbildungslager in Pakistan reichen". Diese Szene hat, so die NZZ, Thomas Fischer ideologisch aufgerüstet.

Die potenzielle Terroristin Sonja B. aus Berlin kam gar nicht erst dazu, zur Tat zu schreiten. Während die Polizei mit Sprengstoffhunden ihre ärmliche Zweizimmerwohnung im Bezirk Neukölln durchsuchte, wurde sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Sonja B. hat früher in Hamburg gelebt, nach der Trennung von ihrem muslimischen Ehemann zog sie in den Ostberliner Bezirk Treptow. Und dann auf einmal "bei Nacht und Nebel" ein neuer Umzug nach Neukölln: "Nachbarn soll sie von ihrer Angst erzählen haben, jemand könne ihr das Kind wegnehmen." (Spiegel)

Schützt diese verängstigte, vereinsamte Frau sich etwa mit der schwarzen Ganzkörperverhüllung, unter der sie nicht erkannt wird, vor der Verfolgung durch ihren Mann und seine Glaubensbrüder? Hofft Sonja B., dass ihr wenigstens Allah noch als Freund geblieben ist? Sehnt sie sich nach dem Paradies, weil das Leben auf Erden die Hölle für sie ist? Wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass in Kreisen von Islamisten die Heirat mit einer Deutschen als sicherer Weg zum Aufenthaltsstatus gilt.

Bisher haben wir uns in den Niederungen des bekehrten Fußvolks bewegt - jetzt kommen wir zu den Elite-KonvertitInnen. Zum Beispiel Dr. Ayyub Axel Köhler. Dieser 1938 in Stettin geborene und 1963 als Student in Freiburg zum Islam übergetretene Kölner ist der neue Vorsitzende des ‚Zentralrats der Muslime in Deutschland' (ZMD).

Der weltläufige "Dr. rer. nat." war wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Luft- und Raumfahrtforschung und Assistenzprofessor an der Uni Teheran. Er hat die ‚International Association of Islamic Banks' beraten. Im Kölner ‚Institut der deutschen Wirtschaft' war er bis zu seiner Pensionierung 26 Jahre "im Bereich Ökonomie/Ökologie tätig". Köhler ist FDP-Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des Landesfachausschusses für religiöse Fragen der Freidemokraten in NRW.

Auf einer Veranstaltung in Köln über den Karikaturen-Streit - so schildert es der FAZ-Reporter Andreas Rosenfelder - fragte ein türkischer Lehrer für Religionskunde, ob das strikte Bilderverbot im Islam überhaupt noch notwendig sei. Köhler ausweichend: "Das kommt darauf an, wie nah oder fern man seiner Religion steht." Beim anschließenden Zwiegespräch mit dem FAZ-Reporter bekannte der neue Zentralrats-Chef freimütig: "Ich habe einen festen islamischen Standpunkt, und der ist auch nicht verhandelbar." Und dann eine liberal klingende Äußerung: Bei der Integration ausländischer Muslime in die deutsche Gesellschaft gelte es, auf einen "verantwortungsvollen Umgang mit Freiheit" zu setzen. Ob denn Freiheit nicht eine "genuine Errungenschaft säkularer Staaten" sei, fragte der Journalist. Köhler zögerlich: "Der Islam hat einen starken Freiheitsbegriff in der direkten Gottesbeziehung." Alles klar?

Auch Nadeem Elyas - Köhlers Vorgänger an der Spitze des Dachverbands für 19 Organisationen - plädierte bis vor kurzem oft und gern für ein "friedliches Zusammenleben der Kulturen". Dafür wurde dem aus Saudi-Arabien stammenden Frauenarzt 1999 sogar der ‚Alternative Friedenspreis' verliehen. Der ‚Zentralrat der Muslime' vertritt nur eine winzige Minderheit der schätzungsweise 3,2 Millionen Menschen muslimischer Herkunft in Deutschland, nämlich etwa 10.000. Trotzdem wurde der honorige Dr. Elyas jahrelang als vermeintlicher Sprecher aller Muslime in Deutschland hofiert.

Warum hat er bei den ZMD-Vorstandswahlen Anfang Februar nicht wieder kandidiert? Wir wissen es nicht! Aber das ARD-Politmagazin report berichtete am 21. Juli 2003, dass ein "früheres Mitglied radikal-islamistischer Gruppen" eine "ganz andere Meinung" über den scheinbar so Friedfertigen hat. O-Ton des Aussteigers, der aus Angst anonym bleiben will: "In den arabisch sprachlichen Publikationen haben wir einen wirklich radikalen Nadeem Elyas, den wir in seinen deutschsprachigen Publikationen nicht wieder erkennen."

Dazu im Juli 2003 NRW-Verfassungsschutz-Chef Hartwig Möller im report-Interview: "Herr Elyas ist Repräsentant der Muslimbruderschaft." Die Muslimbrüder sind die ägyptische Urzelle der heute weltweit agierenden Islamisten.

Angeblich soll unter dem Vorsitz des deutschen Konvertiten Ayyub Axel Köhler im ‚Zentralrat der Muslime' ein liberalerer Flügel den Ton angeben. Dafür scheint zu sprechen, was die FAZ so beschreibt: "Anders als viele Konvertiten, die ihren neuen Glauben mit blonden Vollbärten zur Schau tragen, verkörpert Köhler westlichen Lebensstil. Mit Glatze, dünnrandiger Brille und Fliege umweht ihn sogar ein Hauch von Salonlöwentum." Aber können wir uns auf solche Äußerlichkeiten verlassen?

Die ehemalige Frauenbeauftragte des Zentralrates, Ulrike Thoenes, ebenfalls eine Konvertitin, deren Gesicht früher unter dem Schleier kaum zu erkennen war, präsentiert sich neuerdings kopftuchlos: im Regional-Vorstand der LehrerInnengewerkschaft VBE und als Direktorin einer Wuppertaler Grundschule. Aus Überzeugung oder aus Taktik? Ihre Nachfolgerin als ZMD-Frauenbeauftragte, die Hildener Hauptschullehrerin Maryam Brigitte Weiß, ebenfalls eine Konvertitin, versucht unterdessen, die kleinen, aber feinen Unterschiede zwischen Kopftuch und Burka zu erklären: Laut Mohammed würde "ein korrekt gebundenes Kopftuch und ein langer Mantel den Kleidungsregeln einer islamischen Frau in der Öffentlichkeit voll genügen". Beruhigend.

Als die Zeit die mit einem Ägypter verheiratete Aachener Grundschullehrerin Eva-Maria El-Shabassy, die mit Kopftuch unterrichtet, im Dezember 2003 fragte, ob Ehebruch mit Steinigung geahndet werden sollte, antwortete sie lakonisch: "Diese Strafe steht in der Scharia." Und: "Ehebruch ist ein Verbrechen, wie Mord." Nachdem Kritik laut geworden war, monierte die Konvertitin auf der ZMD-Homepage: Der Interviewpartner habe wegen seiner "atheistischen Perspektive" nicht nachvollziehen können, "dass man als religiöser Mensch die eigenen Quellen nicht einfach in Bausch und Bogen verwerfen kann". Alles klar?

Von insgesamt 19 Unterorganisationen des Dachverbandes ‚Zentralrats der Muslime' sollen laut Verfassungsschutz "mindestens neun" zur Muslimbruderschaft gehören. Auch die ‚Deutsche Muslimliga' (DLM) mit Sitz in Hamburg fühlt sich nach wie vor unter diesem Dach zuhause. Allerdings mit einem neuen Vorsitzenden: Michael Muhammad Abduh Pfaff (41). Dieser relativ junge und (noch) relativ unbekannte Elite-Konvertit mit "diversen Tätigkeiten in der Tourismusbranche" ist für die Konvertitin Iyman Alzayed eingesprungen. Die ehemals protestantische Lehrerin, die partout mit Kopftuch unterrichten wollte, hat ihren Rechtsstreit mit dem Land Niedersachsen verloren. Sie sei nach Österreich ausgewandert, sagt ihr Nachfolger Pfaff, weil sie dort "ihren Beruf mit Kopftuch ausüben" dürfe.

Er selbst, so ist unter www.muslim-liga.de nachzulesen, deutet die Verschleierung als "spirituelle Übung": "Ich freue mich, wenn ich sehe, dass Frauen, die bewusst das Kopftuch tragen, durch diese Übung persönlich und charakterlich gestärkt werden."

Auch Michael Muhammad Abduh Pfaff trägt keinen Vollbart, sondern einen modischen Kurzhaarschnitt. Er wirkt wie ein großer Junge, den sich jede Mutter als Schwiegersohn wünscht. Als er am 3. März in Bielefeld vor 130 ZuhörerInnen über die Mohammed-Karikaturen diskutierte, saß drei Plätze weiter rechts auf dem Podium Uwe Zimmer, Chefredakteur der Regionalzeitung Neue Westfälische. Der verteidigte geradezu leidenschaftlich die "säkulare Ordnung": "Für die Trennung von Kirche und Staat haben wir lange kämpfen müssen. Religion ist Privatsache." Daraufhin der nette Michael Pfaff mit einem freundlichen Lächeln: "Soweit würde ich nicht gehen, ich würde Religion nicht völlig ins Private drängen."

Als zweiter Konvertit diskutierte in Bielefeld Sulaiman Wilms mit. Dieser Vollbartträger ist Chefredakteur der Islamischen Zeitung (IZ). Man hätte ihn aber auch für ein Attac-Mitglied halten können, denn er tönte so ähnlich wie diese linke Bewegung gegen die globalisierte Macht des Großkapitals. Zwar werde bei dem Streit um die Mohammed-Karikaturen Meinungsfreiheit reklamiert, so Wilms, aber die gebe es in Deutschland doch gar nicht, weil hier die Konzerne das Sagen hätten. Außerdem: Diejenigen, die den Islam als fundamentalistisch kritisieren, seien ja selbst Fundamentalisten - nämlich Verfassungsfundamentalisten. In Deutschland werde "das Säkulare zur Religion gemacht".

Auf solche Töne werden wir uns in Zukunft einzustellen haben - wir, die wir noch an den Menschenrechten und der Rechtstaatlichkeit hängen. Anscheinden wird jetzt offensichtlich, was sich schon länger abzeichnet: der islamistische Schulterschluss mit der propalästinensischen Linken und antikapitalistischen Globalisierungsgegnern - oder mit radikalen Rechten. Was sich da zusammenbraut, schildert Johannes von Dohnanyi in seinem Buch ‚Schmutzige Geschäfte und heiliger Krieg. Al-Qaida in Europa' am Beispiel des Konvertiten Friedrich Ahmet Huber aus der Schweiz.

Laut Dohnanyi half dieser 1927 geborene Journalist dem "Schweizer Rechtsextremisten" Jürgen Graf 2001 bei der Vorbereitung einer Konferenz in Beirut, an der "bekannte Holocaustleugner und NS-Revisionisten" teilnehmen sollten. Erst auf internationalen Druck hin habe die libanesische Regierung das braun-islamistische Treffen in letzter Minute verboten. Darum sei es schließlich in Moskau abgehalten worden. Dohnanyi: "Die russische Regierung hatte keine Einwände, und früher stramm kommunistische Journalisten fanden nichts dabei, auch in angesehenen Zeitungen über die Gefahr des Weltjudentums und die globale Verschwörung des von ‚den Juden' kontrollierten ‚Kapitals' zu spekulieren."

Die Islamische Zeitung (IZ), die der Antiglobalisierer Sulaiman Wilms als Chefredakteur leitet, wird von dem Konvertiten Abu Bakr Rieger, im Hauptberuf Rechtsanwalt, herausgegeben. Herbert Landolin Müller, Islamwissenschaftler beim Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, liest die IZ von Berufswegen. So auch den im März 2001 im IZ-online-Archiv aufgerufenen Artikel ‚Die falsche Romantisierung der 68er. Eine Betrachtung der heutigen Eliten' von Abu Bakr Rieger. In diesem Text werden laut Müller Mitglieder der damals rot-grünen Bundesregierung als "Bürokraten des Systems" verhöhnt und in ein diffuses System der "internationalen Hochfinanz" eingeordnet, die auch den "rational betrachtet anti-deutschen Euro" zu verantworten habe. Verfassungsschützer Müller: "Ein Zufall ist dies gewiss nicht, wenn man den geistigen Mentor im Umfeld der Islamischen Zeitung kennt."

Dieser Schotte heißt eigentlich Ian Dallas. Heute ist er Ende 60, in jungen Jahren soll er ein Hippie gewesen sein. Doch dann schloss er sich in Marokko einem mystischen Sufi-Orden an. Ian Dallas nennt sich inzwischen "Scheich Abdalqadir Al Murabit" und führt eine eigene Bewegung an - das ‚Murabitun Worldwide Movement'. Der weltweit bewegte Konvertit aus Schottland ist laut Herbert L. Müller gegen jede Art von Verfassung: "Denn der ‚Konstitutionalismus ist nicht islamisch, er ist freimaurerisch und demzufolge jüdisch'. Eine Befreiung für einen ‚authentischen Islam' gebe es erst dann, wenn man sich vom westlichen Kreditsystems samt der damit verbundenen ‚destruktiven jüdischen Kontrollsysteme' befreie."

Das alles ahnte das Gros der ZuhörerInnen in Bielefeld natürlich nicht, die dem IZ-Chefredakteur Sulaiman Wilms begeistert applaudierten. Kaum bekannt ist auch, dass das Soester Islam-Archiv, das als einzige Instanz in Deutschland Zahlen über hiesige Muslime erhebt, nicht ganz so unabhängig ist, wie es tut. Jedenfalls sah das Berliner Landgericht am 9. Oktober 1997 die Verbindung des Archivs zur ‚Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs' (IGMG) als erwiesen an.

Der freundliche alte Herr am Telefon, Seniordirektor Abdullah, hieß früher Krawinkel, aber er beteuert, kein Konvertit zu sein. Dafür werde er "fälschlicherweise" gehalten, weil er "in einer christlichen Pflegefamilie" aufgewachsen sei. Zwar habe er eine deutsche Mutter: "Aber mein Vater war ein bosnischer Muslim." Neulich sei er 75 geworden, erzählt Abdullah. "Für die Festschrift hat mein Imam, der mich ab meinem sechzehnten Lebensjahr begleitet hat, das Vorwort geschrieben."

Dieser Imam ist - wir ahnen es schon - ein Konvertit: Muhamad Aman Hobohm, deutscher Diplomat a.D., nur fünf Jahre älter als sein Zögling Abdullah alias Krawinkel, und früher Geschäftsführer der hoch umstrittenen ‚König Fahad Akademie' in Bonn-Bad Godesberg (EMMA 6/1995). Sowie Ehrenmitglied im ‚Zentralrat der Muslime'. Genau wie sein Ex-Kollege im diplomatischen Dienst für die Bundesrepublik Deutschland: der zum Islam konvertierte Botschafter a. D. Murad Wilfried Hofman (über den EMMA seit 1992 berichtet). Und so schließt sich mal wieder der Kreis.

War da nicht noch was? Ach ja! Es ist zwar leicht, Muslim zu werden, doch der Weg zurück ist schwer und manchmal sogar lebensgefährlich. Denn den Abfall vom Islam gestattet die Scharia nicht - er kann sogar mit der Todesstrafe geahndet werden. So beklagte der bayerische Innenminister Günther Beckstein 2001 im Spiegel: Gegen ihren Willen würden viele deutsche Ehefrauen militanter Islamisten in deren Heimatländer geschickt, "damit sie sich nicht scheiden lassen können". Mehr noch: Die Frauen würden dort "ruhig gestellt". Hoffentlich leben sie noch.

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