Jessica Hansen: Mischt an & auf

Malermeisterin Jessica Hansen: Kein Problem mit Fachkräftemangel. Foto: Oliver Schmidt
Artikel teilen

Die Malerin – der feine Unterschied“ prangt auf den Shirts der 21 Angestellten von Malermeisterin Jessica Hansen aus Osterby bei Eckernförde. Den „feinen“ Unterschied, den gibt es bei ihr gleich zwei Mal. Zum einen hat sie als Frau allein auf weiter Flur ihren Maler- und Lackierbetrieb hochgezogen. Zum anderen leidet sie nicht – im Gegensatz zur gesamten Konkurrenz in Schleswig-Holstein – unter dem Fachkräftemangel.

Im Gegenteil. Jessica Hansen rennen die Fachkräfte, vor allem die weiblichen, die Tür ein. Es gibt sogar eine Warteliste in ihrem Betrieb. Warum? „Wegen der Vier-Tage-Woche“, sagt die Malermeisterin kurz und bündig. Während Unternehmensberatungen und Politik von Homeoffice und Co-Working-Labs faseln, hat sie – als erste MalermeisterIN im Norden – Tatsachen geschaffen.

Noch vor gut einem Jahr musste auch Hansen ihre KundInnen auf mindestens sechs Monate Wartezeit vertrösten. Der Auftragslage nach hätte ihr Betrieb sofort expandieren können, aber wie, ohne Personal? „So, ich mach’s jetzt wie in Dänemark“, überlegte Hansen sich, „ich führe die Vier-Tage-Woche ein, richte meinen
Betrieb auf Flexibilität aus“. Die Aussicht auf ein langes Wochenende und die Möglichkeit, die Arbeitszeit nach Bedarf legen zu können, reichte, um den Personalnotstand ad hoc zu beenden. Und: Hansen bezahlt ihre Angestellten nach Stunden, inklusive Anfahrt. Bei Anfahrtswegen zu Baustellen in rund 60 Kilometern Entfernung ist auch das ein attraktives Angebot – und nicht gerade üblich aufm Bau. Normalerweise wird dort erst gezahlt, wenn die Baustelle betreten wird.

Hansens MalerInnen organisieren sich in Schichten, je nach Bedarf. „Dadurch wächst auch das Miteinander im Betrieb“, sagt die Meisterin. „Man spricht sich ab, weiß, was beim anderen los ist.“ Die Logistik ist die größte Herausforderung. Neun Tage im Voraus gibt jede und jeder an, wie er oder sie arbeiten möchte. Ein Kollege hat mittwochs frei, weil er den Sohn aus der Kita holt, eine Mutter arbeitet Vollzeit im Büro. „Ich habe selbst drei Kinder“, sagt Jessica Hansen, „ich weiß doch, wie das ist. Flexibilität ist alles!“ So konnte sie auch Mütter als Malerinnen einstellen, zwei Frauen sind als Auszubildende im Betrieb, eine weitere hat als Gesellin gerade angefangen. Selbst auf der Warteliste für neues Personal stehen zwei Frauen. „Natürlich gucken Kunden manchmal komisch, wenn Frauen bei ihnen auflaufen, aber das gibt sich schnell“, lacht Hansen.

Sie selbst war als Lehrling auch die einzige Frau, musste sich bei den Kollegen durchsetzen. Doch ihr Chef hat sie genauso wie die Jungs behandelt, ihre Arbeit schnell wertgeschätzt. „Wir wenigen Mädels haben dann bei der Meisterprüfung am besten abgeschnitten!“

Ihren Meister hat Hansen 2016 gemacht, in der Abendschule, da war ihr drittes Kind gerade zwei Jahre alt. Ihr Mann, ein Betriebswirt, „musste halt mit ran“. „Den Meister sollte übrigens jede Handwerkerin machen“, empfiehlt Jessica, „der hilft enorm, um bei Baubesprechungen ernst genommen zu werden!“

Das nötige Selbstbewusstsein für die Branche hat ihr der Vater  mitgegeben. Der war Maurer und sagte: „Du bist eine Macherin, mach was mit deinen Händen!“ Ihre Mutter, eine Verkäuferin, sah es ähnlich, diverse Onkel aus der Putz- und Elektriker-Branche ebenso: „Das Handwerk hat goldenen Boden!“

Und das ist etwas, das Jessica Hansen heute sowohl ihren GesellInnen als auch der Gesellschaft vermitteln will. „Diese Abwertung von Handwerksberufen, die muss aufhören. Wenn wir über ‚neue Arbeit‘ und den Fachkräftemangel diskutieren, dann müssen wir auch über den Wert von Arbeit reden.“

Sie selbst hat damit angefangen, hält Vorträge und gibt gern Interviews. „Ich sehe es bei meiner Vier-Tage-Woche. Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen.“ Als Handwerkerin ist das ja Teil ihrer DNA.

Ausgabe bestellen
Anzeige
'

Anzeige

 
Zur Startseite