Kein Bock auf Krieg!

In Berlin gingen 3.000 SchülerInnen auf die Straße. Foto: Peter Homann/Imago Images
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„Unser Land ist nicht sicher durch Soldaten, sondern durch Politiker, die alles dafür tun, um Kriege zu verhindern!“, sagt Moritz Schubert aus Leipzig. Leo Reinemann aus Koblenz erklärt: „Ich habe keine Lust, meine Freunde zu verlieren, für irgendwelche Staatsinteressen oder Kapital-Interessen!“ Urs Boho aus Freiburg findet: „Wir werden überhaupt nicht gefragt! Hier wird einfach über unsere Köpfe hinweg entschieden!“ Und Ann-Sophie aus Berlin fragt: „Warum setzt sich keiner von unseren Politikern für Frieden ein? “

Unter dem Slogan „Wir wollen nicht als Kanonenfutter enden“ sind am Freitag rund 60.000 Schülerinnen und Schüler in über 90 Städten aus ganz Deutschland auf die Straße gegangen. Das Bündnis „Schulstreik gegen Wehrpflicht“ mit Sitz in Hamburg hatte an diesem Tag dazu aufgerufen. Denn am Freitag, dem 5. Dezember, hatte der Bundesstag nach 14 Jahren Aussetzung der Wehrpflicht ein neues Wehrdienstgesetz verabschiedet. Es soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Ihr Vorwurf: Warum stellen unsere Politiker militärische Logik über alles?

Dann müssen alle 18-jährigen Männer ab Jahrgang 2008 Fragebögen ausfüllen und zu einer Musterung erscheinen. „Dieses sogenannte Wehrdienstmodernisierungsgesetz ist der erste Schritt zur Wiedereinführung des Zwangsdienstes an der Waffe“, befürchten die Demonstrierenden.

Die Printmedien haben sich in der Regel mit dpa-Meldungen über die Demos begnügt und oft betont, dass die SchülerInnen den Unterricht „geschwänzt“ haben. Die 20-Uhr-Tagesschau hat kurz berichtet und meinte, folgenden O-Ton von dem Schüler Peter Bannwarth aus Freiburg einfügen zu müssen: „Ich möchte nach der Schule ein bisschen Geld verdienen, damit ich auch ein bisschen reisen kann.“

Ausführlicher und weniger tendenziös gingen die Lokalzeitungen und Lokalsendungen mit den Schülerinnen und Schülern um. Die Berliner Zeitung ließ viele von ihnen zu Wort kommen. In Berlin hatte die größte Demo stattgefunden, mit etwa 3.000 TeilnehmerInnen, darunter auch Eltern mit Klein- und Grundschulkindern.

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Endlich: Die Jugend wacht auf. Da können Politik, Medien und Kirchen noch so sehr von der „Ehre der Ukraine“ und einem „gerechten Krieg“ schwadronieren. Während die Bundesregierung weiter Hunderte Millionen Euro nach Kiew schickt, Milliarden in die Aufrüstung der Bundeswehr steckt und nun den neuen Wehrdienst beschließt, wächst der Widerstand bei denen, die es tun müssten.

Diese Jugendlichen sehen klar. „Was passiert denn, wenn Deutschland nicht genug Soldaten hat? Erleben wir dann auch eine Mobilisierung wie in der Ukraine?“, fragt Gideon aus Hamburg. Durch das neue Wehrdienstgesetz wären dann alle Daten da. Der Staat hätte vollen Zugriff. „Ich habe Videos gesehen, wie junge Männer in der Ukraine zwangsrekrutiert werden. Das ist grausam!“, fügt Gideon hinzu. Sein Freund Simon fragt: „Was haben all die Waffen der Ukraine denn gebracht? Fast eine Million Tote und ein kaputtes Land. War es das wirklich wert?“

Die Generation, die am Freitag auf die Straße ging, ist mit Echtzeitbildern aus der Ukraine aufgewachsen. Viele haben jetzt ein ähnliches Erwachen wie einst die AmerikanerInnen, als sie erstmals Bilder vom Vietnam-Krieg im Fernsehen sahen. Viele der heutigen Demonstrierenden haben Videos und Bilder von verstümmelten und toten Soldaten direkt von der Front gesehen. Und sie sind sicher: Da wollen sie nicht hin.

Sie sind wütend. Wütend wie Leo Reinemann, Organisator des Schulstreiks in Koblenz und Jahrgang 2007. Er betont: „Ich habe keine Lust, meine Freunde zu verlieren, für Leute, die Krieg führen wollen in Europa.“ Und er fügt hinzu: „Seit den Corona-Maßnahmen haben wir stark gelitten. Unser Bildungssystem wird seit Jahrzehnten nicht reformiert, unsere Schulgebäude sind alle renovierungsbedürftig.“ Viele der SchülerInnen warfen den PolitikerInnen vor, militärische Logik über alles zu stellen.

Auch die Mädchen stehen gegen den Krieg auf - wie hier in Essen.
Auch die Mädchen stehen gegen den Krieg auf - wie hier in Essen.

Anders als bei den „Fridays-for-Future-Demos“, die von vielen LehrerInnen wohlwollend unterstützt wurden, drohten die Landesschulämter den kriegsmüden SchülerInnen jetzt mit „möglichen Konsequenzen“. Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, drohte den SchülerInnen mit „erzieherischen Maßnahmen bis hin zu einem Schulverweis“.

Klara aus dem Ruhrgebiet kann da nur mit dem Kopf schütteln. Die 17-Jährige geht auf eine Schule die „Dietrich Bonhoeffer“ im Namen trägt. „Der Namensgeber unserer Schule ist mit seinen Kindern im Konzentrationslager ins Gas gegangen. Und wir haben heute das Gefühl, dass niemand mehr ein Problem damit hat, junge Menschen in den Tod zu schicken.“

Am 5. März wollen die SchülerInnen wieder deutschlandweit auf die Straße gehen. Und sie hoffen auf Unterstützung.

Alle Infos: Schulstreikgegenwehrpflicht.com 

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