Künstlerin und Mutter?

Das Malerinnen-Netzwerk Berlin/Leipzig setzt sich für die Rechte von Künsterlinnen ein. Foto: Nina K. Jurk
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Schon 2020 schrieb die Fotografin Marcia Breuer zwei offene Briefe an die Stiftung Kunstfonds. Die hatte nach dem ersten Corona-Lockdown „Stipendien für Künstler*innen mit Kindern unter sieben Jahren“ vergeben. Allerdings an mehr Männer als Frauen. Dabei hatten sich 497 Mütter und 323 Väter sowie sechs „Diverse“ beworben. Am Ende bekamen dennoch mehr Väter als Mütter, nämlich 47 Männer, 44 Frauen und drei Paare den Zuschlag.

Das ist ein Skandal! Schließlich übernehmen Mütter nach wie vor den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Dennoch sollten wir die Zeiten, in denen sich eine Künstlerin zwischen Beruf oder Familie entscheiden muss, allmählich überwunden haben. Müsste man meinen. Aber in der Realität sieht es leider oft noch anders aus.

2019 hatte Marcia Breuer das viel beachtete Manifest „Mehr Mütter für die Kunst“ verfasst und die Frage gestellt, ob wir in einer Gesellschaft leben wollen, „die Frauen in der Kunstproduktion ihrer Mutterschaft wegen disqualifiziert?“ Breuer wünscht sich, „dass Künstlerinnen mit Kind als legitime Bereicherung der Kunstwelt betrachtet werden“. Für sie sei immer klar gewesen, dass sie Mutter werden wollte. Doch: „Tatsächlich verlor ich mit den Geburten meiner Kinder, die sich mir inwendig mit großer Sicherheit als unbedingt richtig vermittelten, einen Großteil meiner beruflichen Souveränität: (…) Mutterschaft als Makel?“ So wie Breuer geht es den meisten Künstlerinnen in Deutschland. Viele berichten von der Erfahrung, als Künstlerin nicht mehr so geachtet zu werden, sobald sie Mutter geworden sind. Auch Hannah Cooke forderte im Interview mit Monopol: „Der Kunstbetrieb muss elternfreundlicher werden“. Sie spricht darin „hartnäckige Stereotype, Hindernisse bei Stipendien und Solidarität unter Künstlerinnen“ an.

Ein positives Beispiel dafür ist das Malerinnennetzwerk Leipzig-Berlin (MNW), das Kathrin Landa 2015 mit 28 weiteren Künstlerinnen initiierte, darunter Verena Landau, Rosa Loy, Miriam Vlaming und Sophia Schama.

„Weil ich die ganze Zeit nur aufpassen muss, dass sie sich nicht Farbtöpfe über den Kopf kippen, Tuben ausquetschen, Leinwände aufschlitzen oder mit Farbpigmenten Schneesturm spielen, können meine Kinder beim Malen nicht dabei sein“, klagt die Künstlerin Mandy Kunze. Sie studierte Grafik und Malerei in Paris, Dublin und in Leipzig bei Neo Rauch. Nach einer langen Phase blauer Gemälde tauchen in ihren Werken nun Neongelb, Giftgrün und Pink auf. Alarm, passend zum inneren Aufruhr, wenn der Kindergarten wieder einmal geschlossen hat, was während Corona mehr oder weniger regelmäßig der Fall war. Und immer noch ist. Neben den ausgefallenen Ausstellungen und damit Verkaufsmöglichkeiten für Kunst, fallen für Mütter auch noch geregelte Arbeitszeiten weg. Mit den Einschränkungen der Pandemie wurde die Lage junger Künstlerinnenmütter teilweise verzweifelt.

Die Gründe sind vielfältig und fangen bei der allgemeinen Benachteiligung von Frauen im Kunstmarkt an. So führt der „Kunstkompass“ des Wirtschaftsmagazins Capital in den letzten 20 Jahren meist nur die drei bis vier immer gleichen Künstlerinnen in den Top Ten: Rosemarie Trockel, Cindy Sherman, Pipilotti Rist und Louise Bourgeois. Bourgeois hatte drei Kinder und Rist ist Mutter eines Sohnes. Wer also Zweifel an der künstlerischen Schaffenskraft von Müttern hegt, der sollte sich die Biografien dieser beiden Künstlerinnen anschauen. Wie bereits 2016 von Elke Buhr kritisiert, beweisen silberrückige Gremien wie die Bayerische Akademie der Schönen Künste, dass auch die Lehre bestens ohne Vertreterinnen auskommt: Die Abteilung für bildende Kunst und Architektur setzt sich aus fünf Frauen und 37 Männern zusammen. Dazu passt dann auch wieder die Argumentation des Kunstfonds, der seine ungerechte Entscheidung auf Kriterien „der künstlerischen Qualität“ schob. Gerade so, als wären Männer die besseren Künstler und als hätte Parität selbst in einem Stipendium, welches an Kinder im eigenen Haushalt gebunden ist, nichts zu bedeuten.

Dramatisch sind auch die Angaben der Künstlersozialkasse, wonach Künstlerinnen 2020 genau 5.951 Euro im Jahr weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen. Das sind rund 29 Prozent Gender-Pay-Gap.

Natürlich würde heute keiner mehr behaupten, Frauen malten schlechter, aber es ist eine Tatsache, dass Frauen in fast allen Galerien unterrepräsentiert sind. Ein paar Stichproben sprechen Bände: Johann König vertritt vermeintlich viele Frauen, nämlich 17. Aber mehr Männer. Das Verhältnis ist 26 : 17. Sprüth Magers weist ein Verhältnis von 49 : 24, Dittrich & Schlechtriem 12 : 2, Eigen + Art 25 : 13 und selbst in der von Arne Linde geführten Galerie ASPN sind mehr Männer als Frauen vertreten (7 : 3). Dementsprechend sind Frauen auch in Museen unterrepräsentiert.

Marcia Breuer lässt sich nicht davon entmutigen. Sie, Hannah Cooke und andere treten weiter und immer stärker öffentlich für die Interessen von Künstlerinnen ein. Sie wollen ihre Mutterschaft offen leben, nicht quasi verheimlichen und auf dem Kunstmarkt so agieren müssen, als hätten sie keine Kinder, nur um die Karriere nicht zu gefährden. Die Erfahrung der Mutterschaft darf einfach kein Karrierekiller mehr sein. Auch und erst recht nicht in der Kunst.

SARA TRÖSTER KLEMM

IM NETZ: malerinnennetzwerk.com

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