Meine Geschichte

EMMA, ich ärgere mich über dich!

Die draufgängerische Astrid aus "Drachenzähmen leicht gemacht".
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Ich hab gerade die neueste EMMA erhalten, mit dem von mir sehnlichst erwarteten Dossier über Studentinnen. Und muss mich jetzt erstmal aufregen: Und zwar über den Brief "Liebe Studentin. Werd endlich mal erwachsen!" von Judith Rauch.

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Ich finde das, was Sie, Frau Rauch, an der Mehrheit der (weiblichen) Studierenden oder auch der Jugend an sich bemängeln, zwar durchaus zutreffend. Also, dass wir leistungsorientiert, erfolgsfixiert und auf Bestätigung angewiesen sind und manchmal zu hilfsbedürftig und zu unselbstständig. Aber dass es uns so schwer fällt, erwachsen zu werden und selber zu denken, ist nicht allein unsere Schuld. Wir haben in unserem Schulsystem einfach nie ausprobieren können, wie das geht!

Unsere "Turbo-Gymnasien", wie Sie es nennen, der gesellschaftliche Leistungsdruck und die Notenfixiertheit, die uns von kleinauf begleiten und formen. Die perfekten Models, die erfolgreichen Geschäftsfrauen, die wir sein sollen. Die Erinnerung an die abhängigen Frauen vor uns, die darauf angewiesen waren, einem Mann zu gefallen. Die tausend Chancen, die sie uns erkämpft haben und die wir jetzt nutzen müssen und wollen. All das hat mehr Einfluss auf uns als sich jemand Ihrer Generation vielleicht vorstellen kann. Es ist unfair, diese äußeren Umstände in Ihrem Brief außer Acht zu lassen.

Wir wollen nicht richtig erwachsen werden, weil wir manchmal das Gefühl haben, nie wirklich jugendlich gewesen zu sein. Weil wir immer einfach funktionieren müssen. Bloß schafft man das leider nicht, sobald man selber denkt und das tut, was einen interessiert.

Ein Beispiel: Ich habe in Französisch mit Freude lange Texte geschrieben, verschiedene Satzstellungen ausprobiert, mit Worten und Argumenten gespielt und neue, nicht aus dem Unterricht stammende Begriffe ausprobiert. Das fand meine Lehrerin auch toll! Wirklich. Und auch echt gut geschrieben. Das wäre also eigentlich eine Eins gewesen! Allerdings habe ich bei 780 Worten zwei Kommas vergessen, drei mal le und la verwechselt, einmal falsch konjugiert und der accent musste nach links zeigen, nicht nach rechts. Also ist es leider nur eine gute Drei geworden. Fazit: Beim nächsten mal lieber ganz einfache Sätze machen und vor allem nicht mehr so komplexe Gedanken einbringen.

Nicht zu vergessen die guten Noten, die ich brauche, um den Schnitt zu erhalten, den ich für die Anmeldenote fürs Abi benötige. Damit ich insgesamt den Durchschnitt erreiche, mit dem ich den NC für meinen Studienplatz erfülle, mit welchem ich später dann sehr gute Berufschanchen habe. Falls ich im Bachelor gut genug bin, um im Masterprogramm aufgenommen zu werden und dort dann einen Topabschluss schaffe ...

Wir haben das Gefühl, nie wirklich jugendlich gewesen zu sein

Diese Denkweise wurde uns beigebracht, nicht: Denke selbst, träume! Überleg dir was Neues! Mach mal was gegen den Strom! Setz mal ein Komma zuviel, scheiter mal, das gehört dazu! Es ist doch kein Wunder, dass wir Probleme haben, dieses Muster aus unserer Kindheit plötzlich im Studium von einem Tag auf den anderen abzulegen.

Langer Rede kurzer Sinn: Ihre Aufforderung ist richtig. Aber wir können ihr nur nachkommen, wenn uns das Schul-, Studium- und Arbeitssystem dazu eine Chance lässt. Denn wenn man Zeit zum Träumen hat, bekommt man auch Ideen, die einen begeistern und für die man ganz von alleine nach rechts und links und oben und unten und vorne und hinten guckt, um sie zu verwirklichen.

In diesem Sinne.

Liebe Grüße
Svenja

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