Alice Schwarzer schreibt

Ganz anders: Patricia Highsmith

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Es ist ein zärtlicher, einfühlsamer Film über Patricia Highsmith. Er widmet sich speziell einem Aspekt ihres Lebens: ihrer Homosexualität. Denn die ist prägend für ihre ganze Persönlichkeit und ihr Werk. Die 1921 Geborene war schon zu einer Zeit lesbisch, in der es keine Homoehe gab, sondern nur Verachtung, schlimmer noch: Missachtung. Im Gegensatz zu Männerpaaren wurden Frauenpaare noch nicht einmal als solche wahrgenommen. Im besten Fall.

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Die Regisseurin, die Schweizerin Eva Vitija, verarbeitet Dokumentarmaterial und aktuelle Gespräche mit drei Geliebten von Highsmith zu einem Strom ihres Lebens. Besonders die Amerikanerin Marijane Meaker ist aufschlussreich. Mit ihr hat Highsmith in ihren jungen Jahren sogar kurzfristig zusammengelebt, auf dem Land, mit ihren vier Katzen und der fünften der Freundin dazu.

Meaker erzählt, wie tief das Desinteresse der Mutter, ja die Verachtung ihrer Tochter, Pat, wie Freunde sie nannten, verletzt hat. Sie machte der Mutter zuliebe sogar eine Konversions-Analyse, um hetero zu werden. Vergeblich.

Fotos zeigen, dass Pat schon von Kindesbeinen an eine garçon manqué war, ein verpasster Junge. Was vermutlich der einzige Weg war, sich als Mädchen aus der reaktionären Geschlechterwelt in Texas zu befreien. In dieser Welt waren die Männer Rodeo-Helden und trugen die Frauen Push-up-BHs und Perücken. So auch ihre geliebte Großmutter, bei der sie in den ersten sechs Lebensjahren aufwuchs.

Das Abgründige, die doppelten Identitäten, die Schuldgefühle – das alles prägte ihr Werk. „Carol“, ihr Roman über eine Frauenliebe, veröffentlichte sie 1952 unter Pseudonym. Es war der erste lesbische Roman ohne tragisches Ende.

Jüngst wurden Highsmiths Tagebücher komplett veröffentlicht. Und da tauchen aus tiefem Grund ihr struktureller Rassismus und Antisemitismus auf. Daneben steht ihre konkrete Empörung über die Diskriminierung jüdischer Freundinnen und Schwarzer in Texas. Die Kosmopolitin, die in der Schweiz gestorben ist, ist wohl lebenslang eine Südstaatlerin geblieben. Der Mensch entgeht leider seinen frühen Prägungen nicht so leicht.

Dieser Film ist ein bemerkenswertes Porträt von Highsmith und gleichzeitig ein Stück Geschichte der weiblichen Homosexualität. Zu deren Befreiung hat auch Pat beigetragen.

A.S.

Kinostart: 7. April
Weiterlesen: Patricia Highsmith. Tage- und Notizbücher, Hrsg. Anna von Planta. Ü: Melanie Walz, pociao, Anna-Nina Kroll, Marion Hertle und Peter Torberg. (Diogenes, 32 €)

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