Menstruation: An Tagen wie diesen

Mit diesem Foto löste Rupi Kaur einen Proteststurm im Netz aus.
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Ich möchte Ihnen wirklich dringend davon abraten, mich zwischen dem Ersten und – planen wir einen Puffer ein – dem Neunten eines Monats auf eine Party einzuladen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit und zur Sicherheit Ihrer Gäste. Denn in dieser Zeit bin ich eine tickende Zeitbombe, eine ABC-Waffe – und Unglück bringe ich dann übrigens auch!

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Denn zwischen dem Ersten und dem Neunten, und jetzt werden sie bitte nicht rot (haha, rot!) habe ich ... Unwohlsein. Also, dann kommt die Tante. Sie wissen schon, Erdbeerwoche und so. Da bin ich indisponiert. Okay, nennen wir den Kram gemeinsam laut und deutlich beim Namen. Luft holen! Fertig? Meeeeenstruuuuuaaaaatioooon! Na, was sagen Sie jetzt?

Die Butter verdirbt. Die Mayonnaise kippt. Die Pflanze stirbt.

Das Verhältnis der Frauen meiner Generation (nach 1980 geboren) zur Periode ist keineswegs entspannt, eher verschämt. Dabei gelten wir doch als so aufgeklärt. Bloß: Alles, was wir über die Menstruation wissen könnten, wurde in literweise blauer Always-Ultra-Flüssigkeit ertränkt. Was uns seit Teenagerinnen-Tagen als der große Vorzug des Tampons verkauft wird, ist gleichzeitig sein größter Nachteil: Er hat die Menstruation quasi abgeschafft. Zumindest im Kopf der Frauen. Clean sein soll sie, die Menstruation, so als wäre sie gar nicht da. Mit diesem Versprechen eroberte die 1933 gegründete US-Firma Tampax in den 1950ern den deutschen Markt. „Sicher und sauber!“ schwor eine Drogistin mit Wasserwelle und Häubchen im schwarz-weißen Werbeclip, mit Betonung auf SAUBER!

Wer mit Frauen aus dieser ersten Tampon-Generation spricht, hört Geschichten über ein ganz neues Gefühl von Freiheit. Und Amüsement. Die Frauen waren froh, die unbequemen und nicht immer sicheren Windel-Binden los zu sein. Aber so manche blickte auch mit Befremden auf diese Pappe-Watte-Torpedos von Tampax, die frau sich nun mit Hilfe eines komplizierten „Applikators“ rein manövrieren sollte. Wie genau soll das denn jetzt gehen?!

Inzwischen gibt es Farbfernsehen, Internet und Tampons ohne Applikator – darüber hinaus aber hat sich zumindest in Sachen Menstruationshygiene nicht viel getan. „Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse“, erklärte in den 1990er Jahren eine ­makellose Blondine in einem Werbeclip der – übrigens 1948 in Wuppertal gegründeten – Tamponfirma O.B. Das stand für: ohne Binde. Sodann umschloss die Blondine den Tampon mit ihrer wohlmanikürten Hand. O-Ton: „Man riecht nichts, man sieht nichts. Und außen bleibt alles angenehm sauber“. Ach, sooooo läuft das!

Und gegen die „Regelschmerzen“ (das ist dieser Euphemismus für das Gefühl, dass Ihnen jemand einmal im Monat die Eingeweide rausreißt) gibt es ja zum Glück Schmerzmittel. Nehmen Sie einfach fünf am Tag und zu Beginn gleich zwei auf ­einmal. Und dann lächeln Sie! Lächeln! Einfach lächeln!

Zurück zu Ihrer Party: Sie sollten sich vorab eine Kopie der Menstruationskalender aller weiblichen Gäste zuschicken ­lassen. Vor allem, wenn die Ihnen bei der Essens-Zubereitung helfen wollen. Oder wussten Sie etwa nicht, dass in den Händen einer menstruierenden Frau die Butter verdirbt, die Mayonnaise kippt, die Milch gerinnt, die Hefe nicht aufgeht und die Früchte faulen? Wegen der „Bakterien“. Und nicht nur das! Wenn Sie Pech haben, kontaminiert diese Frau durch ihre bloße Anwesenheit das gesamte Buffet. Denn das Gift, das ihr Körper während der Tage produziert, tritt auch über den Atem und die Haut aus und macht sich als schädliche Wolke im ganzen Raum breit.

Das Gift tritt auch über die Haut und die Atemwege aus!

Außerdem stehen menstruierende Frauen im Verdacht, Spiegel zu trüben, Metall zum Rosten und Blumen zum Verdorren zu bringen – nur falls Ihnen an Ihrer Deko irgendetwas liegen sollte. Und ja, der Wein wird auch sauer in Gegenwart einer Frau mit Periode. Und Sie wissen doch, wie Partys enden, auf denen es nicht genügend zu Trinken gibt.

Sie finden diese Ratschläge reichlich ­bescheuert? Ich auch. Es handelt sich hierbei um ein Resümee nur einiger der landläufigen Annahmen über die Auswirkungen der Menstruation auf Frauen und ihre Umwelt, wie sie bis heute noch auf der ganzen Welt zu finden sind. Und das ist nicht neu. Die Menstruation galt stets als Beweis für die Fehlerhaftigkeit, die Schwäche, die Unterlegenheit der Frauen. Und sie steht für die Bedrohung, die von dem weiblichen Geschlecht ausgeht. Stichwort: Dunkle Magie!

Überflüssig zu sagen, dass die Menstruations-Mythen in der Regel (haha!) der Phantasie der Männer entsprungen sind. Werfen wir als erstes einen Blick in die Bibel. Dort erfahren wir, dass die Regelblutung die ewige Strafe für Evas Ursünde ist. Sie wissen schon: Baum der Erkenntnis, Apfel, Schlange, ein extrem saurer Gott, Rauswurf aus dem Paradies und so weiter. Wer mit dem Menstruationsblut in Berührung kommt, gilt als „unrein“. Auch die Überzeugung, dass Frauen, die ihre Tage haben, für diese Zeit vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden sollen, findet sich schon in der Bibel: „Wenn ein Weib ihres Leibes Blutfluss hat, die soll sieben Tage beiseite getan werden; wer sie anrührt, der wird unrein sein bis zum Abend. Und alles, worauf sie liegt, so lange sie ihre Zeit hat, wird unrein sein, und worauf sie sitzt wird unrein sein …“

Menstruation macht Waffen stumpf und den Wein sauer

Die Passage über die Unreinheit der menstruierenden Frau im dritten Buch Moses ist ziemlich lang, deshalb seien hier nur Auszüge zitiert. Schlimm trifft es auch Männer, die mit einer Frau schlafen, wenn sie „ihre Zeit hat“. Die sind dann ebenfalls „sieben Tage unrein“.

Auch im orthodoxen Judentum gilt ein Mann, der eine menstruierende Frau berührt, als unrein. „Um diese Gefahr zu vermeiden, legt man zum Beispiel Gegenstände, die man einander geben möchte, zuerst ab, um sie nicht direkt in die Hand reichen zu müssen“, schrieb die Jüdische Allgemeine in ihrer Rubrik „Religiöse Begriffe aus dem Judentum“ über die „Nidda“. Und weiter: „Nachdem ein vorgeschriebenes Minimum von fünf Tagen vorbei ist und die Frau sich nach allen vorgeschriebenen Regeln vergewissert hat, dass kein Tropfen Blut mehr vorhanden ist, darf sie anfangen, die obligatorischen sieben reinen Tage zu zählen. (...) Anschließend darf die Frau dann in die Mikwa gehen.“ Um sich dort einer rituellen Reinigung zu unterziehen. Eine solche Reinigung schreibt auch der Islam vor – denn selbstverständlich gilt auch hier die menstruierende Frau als: ­unrein. „Das Thema Menstruation wird besonders tabuisiert und auch der Umgang mit der Monatshygiene ist nicht ohne Angst – beispielsweise das Jungfernhäutchen beim Einführen des Tampons nicht zu verletzen“, schreiben Sabine Zinn-Thomas und Walter Stolle in „Menstruation – Monatshygiene im Wandel von 1900 bis heute“. Ach, Religion! werden Sie jetzt vielleicht abwinken. Sie kennen ja auch die medizingeschichtlichen Überlegungen zur Periode noch nicht …

Hippokrates, auf dessen Eid sich Ärzte bis heute berufen, vertrat um 460 v.Chr. die folgende Auffassung: Die Konstitution der Frau sei feuchter, weniger dicht und weniger stark als die des Mannes, weswegen sich der Körper regelmäßig von „überschüssigen Säften“ reinigen müsse. Auch Aristoteles (um 384 v.Chr.) interpretierte die Menstruation als Anzeichen für die Minderwertigkeit der Frau. Für ihn war das Menstruationsblut das „Material“, aus dem Kinder entstehen. Der Mann hingegen liefert das, „was diesem Material die Form verleiht“. Der Samen macht also aus einem Haufen Blut und Schleim ein Lebewesen mit Seele. Warum das so sein soll, dafür hatte Aristoteles auch eine Erklärung: Die Frau habe von Natur aus nicht genügend „Lebenswärme“, weshalb sie nur dieses schlappe Periodenblut produzieren kann. Der Mann hingegen koche innerlich vor Energie – und kann deshalb das Periodenblut in seinem Körper zu Samen umwandeln. Laut Aristoteles ist die Frau „eine Missbildung“, ein Fall gehemmter Entwicklung. Sie kommt nicht über das Menstruationsblut hinaus.

Im antiken Rom spitzte der Gelehrte Plinius diese Thesen zu: Das Periodenblut sei ein Gift, das Waffen verstumpfen lasse und den Mann krank mache. Es sollte fast 2000 Jahre dauern, bis der Wiener Arzt Bela Schick diesem Gift einen Namen gab: ­„Menotoxin“. Zum Beweis schenkte er einer menstruierenden Frau Blumen, die prompt verwelkten. Sein Experiment konnte leider in der Form nicht wiederholt werden. Sprach man der Periode jemals eine positive Wirkung zu, hatte das sogleich einen unheimlichen Unterton: Periodenblut am Türrahmen hält Hexen fern. Ein Tropfen davon im Brötchen macht die Männer liebestoll. Und wenn menstruierende Frauen ein Feld umschreiten, schützt das vor Ungeziefer.

Und was sollten Frauen zu ihrem eigenen Schutze während ihrer Menstruation vermeiden? Reiten, Radfahren, Tanzen, lautes Sprechen und geistige Anstrengungen wie Romane-Lesen. Sowie: Kaffee, scharfe Suppen und Alkoholika. So steht es in Gesundheitsratgebern, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten. Und ich wette, Sie haben mindestens eine Kollegin, die sagt: „Ach, das hat mir meine Mutter so auch noch beigebracht …!“

Und jetzt fragen Sie sich bestimmt: Warum der ganze Stress für etwas, was für die eine Hälfte der Weltbevölkerung einfach zum Leben dazugehört? Und damit sind wir beim politischen Kern der Perioden-Panik angekommen. Sie war stets dazu da, Frauen aus Politik, aus Bildung und Berufsleben fern zu halten. Und sie an ihre von Gott bestimmte Aufgabe zu fesseln: an die Mutterschaft.

Vermeiden Sie Radfahren, Tanzen, Lesen und Alkhol!

Darüber schreiben Janice Delaney, Mary Lupton und Emily Toth in ihrem 1979 erschienenen Band „The Curse – A Cultural History of Menstruation“. Da heißt es: Stets schien das „wichtigste Thema zu sein, dass die Emanzipation der Frauen die Zerstörung ihres menstruellen Zyklus bedeuten würde, und damit auch das Ende der Menschheit“. Während der Industriellen Revolution zum Beispiel betrachtete man die Frauen als viel zu schwach für die ­Fabrikarbeit und auch als weniger widerstandsfähig als Männer – unter anderem, weil sie menstruieren. Aber die Frauen wurden gebraucht, also schufteten sie bis zu 16 Stunden am Tag für wenige Dollar. Weil sie ja an gewissen Tagen ausfallen könnten. Schnee von gestern? Kürzlich geisterte das kleine nette Video „Warum Mädchen nicht programmieren können“ durchs Internet. Darin karikierten junge Frauen die Klischees über Hackerinnen. Eine spöttelte: „Wenn ich nicht meine Tage habe, dann habe ich meinen Eisprung. Es bleibt also quasi überhaupt gar keine Zeit zum Programmieren!“ Die nächste höhnte: „Jede Stunde muss ich aufs Klo rennen, um meinen Tampon zu wechseln. Sonst bekomme ich das toxische Schock-Syndrom!“ Denn ewig blutet das Weib … Das alles sind immer mehr Frauen leid. Es regt sich Protest. Weltweit gehen am "Tag der Menstruation" die Frauen auf die Straße. Und kämpfen - bis aufs Blut!

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Tamponsteuer: Kampf gewonnen!

Die change.org-Aktivistinnen Nanna-Josephine Roloff (l.) und Yasemin Kotra. - Foto: Sven Rehder
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„Man muss verdammt hartnäckig sein und immer wieder die Parteien ansprechen“, verrät Nanna-Josefine Roloff ihr Erfolgsrezept. Vor eineinhalb Jahren startete sie zusammen mit Yasemin Kotra die Petition „Die Periode ist kein Luxus“ auf change.org der weltweiten Plattform für Online-Aktivismus (EMMA berichtete) Ziel: die Steuer von 19 Prozent für Luxusartikel auf die gebrauchsüblichen 7 Prozent zu drücken.

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Dann lass dir doch die Gebärmutter rausnehmen!

Nun ist Erntezeit. Am Dienstag übergaben Roloff, hauptberuflich PR-Beraterin und Studentin Kotra Bundesfinanzminister Olaf Scholz 180.000 Unterschriften. Scholz erklärte, die sogenannte „Tamponsteuer“ ab dem 1. Januar 2020 auf die geforderten 7 Prozent senken zu wollen. Theoretisch könnte der Bundestag noch dagegen stimmen. „Klar, das kann passieren, es ist aber unwahrscheinlich. Welche Partei hat Interesse daran, mindestens 180.000 Frauen gegen sich aufzubringen?“, fragt Roloff gutgelaunt. Die gute Laune ist mehr als angemessen. Von „Das wird doch eh nichts“ über „Was wollt ihr Frauen eigentlich noch alles?" Bis hin zu „Dann lass dir doch die Gebärmutter rausnehmen“ reichten die Kommentare in den sozialen Medien bei Start der Kampagne.

Buch mit brisantem Inhalt: Das Tampon-Book der Female Company.
Buch mit brisantem Inhalt: Das Tampon-Book der Female Company.

Roloff und Kotra, die sich Anfang 2018 auf einem „Frauen-Barcamp“, einer Art offenen Tagung zu feministischen Themen, kennengelernt hatten, ließen sich nicht beirren. Im Gegenteil: die Zahl ihrer Mitstreiterinnen stieg rasant, mehrere Initiativen schlossen sich an. Einen gewaltigen Schub für mehr Öffentlichkeit brachte dann das „Tampon Book“, entworfen von der Werbeagentur „Scholz & Friends“. Zusammen mit dem Online-Startup „Female Company“ veröffentlichte die Berliner Agentur ein „Buch“, dass nicht nur Sexismus thematisiert, sondern obendrein eine Box für Bio-Tampons ist – und, da es ein Buch ist, nicht als „Luxusartikel“ besteuert wird. Das Buch löste eine breite Debatte aus. „Scholz & Friends“ räumte damit in Cannes den ersten PR-Grand Prix für Deutschland ab.

Es ist kein Luxus, nicht in die Hose zu bluten!

Übrigens: Andere Länder machen es schon lange vor. Sie schafften die Steuer auf Tampons und andere Frauenhygieneartikel vollständig ab. EU-weit marschierte Frankreich voran. Das französische Parlament senkte die Tamponsteuer 2015 von satten 20 Prozent auf die 5,5 Prozent. Kenia, Kanada, Südafrika, Indien, Malaysia, Australien und einige US-Staaten erheben gar keine Steuer mehr auf Tampons und Binden. Diese Länder finden, dass Menstruation kein Luxus ist und keine zu hohe Besteuerung zu Lasten der weiblichen Bevölkerung sein sollte. Das ist Dank Nanna-Josephine Roloff, Yasemin Kotra und ihren UnterstützerInnen nun auch in Deutschland angekommen.

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www.tamponbook.com

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