Tamponsteuer: Kampf gewonnen!

Die change.org-Aktivistinnen Nanna-Josephine Roloff (l.) und Yasemin Kotra. - Foto: Sven Rehder
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„Man muss verdammt hartnäckig sein und immer wieder die Parteien ansprechen“, verrät Nanna-Josefine Roloff ihr Erfolgsrezept. Vor eineinhalb Jahren startete sie zusammen mit Yasemin Kotra die Petition „Die Periode ist kein Luxus“ auf change.org der weltweiten Plattform für Online-Aktivismus (EMMA berichtete) Ziel: die Steuer von 19 Prozent für Luxusartikel auf die gebrauchsüblichen 7 Prozent zu drücken.

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Dann lass dir doch die Gebärmutter rausnehmen!

Nun ist Erntezeit. Am Dienstag übergaben Roloff, hauptberuflich PR-Beraterin und Studentin Kotra Bundesfinanzminister Olaf Scholz 180.000 Unterschriften. Scholz erklärte, die sogenannte „Tamponsteuer“ ab dem 1. Januar 2020 auf die geforderten 7 Prozent senken zu wollen. Theoretisch könnte der Bundestag noch dagegen stimmen. „Klar, das kann passieren, es ist aber unwahrscheinlich. Welche Partei hat Interesse daran, mindestens 180.000 Frauen gegen sich aufzubringen?“, fragt Roloff gutgelaunt. Die gute Laune ist mehr als angemessen. Von „Das wird doch eh nichts“ über „Was wollt ihr Frauen eigentlich noch alles?" Bis hin zu „Dann lass dir doch die Gebärmutter rausnehmen“ reichten die Kommentare in den sozialen Medien bei Start der Kampagne.

Buch mit brisantem Inhalt: Das Tampon-Book der Female Company.
Buch mit brisantem Inhalt: Das Tampon-Book der Female Company.

Roloff und Kotra, die sich Anfang 2018 auf einem „Frauen-Barcamp“, einer Art offenen Tagung zu feministischen Themen, kennengelernt hatten, ließen sich nicht beirren. Im Gegenteil: die Zahl ihrer Mitstreiterinnen stieg rasant, mehrere Initiativen schlossen sich an. Einen gewaltigen Schub für mehr Öffentlichkeit brachte dann das „Tampon Book“, entworfen von der Werbeagentur „Scholz & Friends“. Zusammen mit dem Online-Startup „Female Company“ veröffentlichte die Berliner Agentur ein „Buch“, dass nicht nur Sexismus thematisiert, sondern obendrein eine Box für Bio-Tampons ist – und, da es ein Buch ist, nicht als „Luxusartikel“ besteuert wird. Das Buch löste eine breite Debatte aus. „Scholz & Friends“ räumte damit in Cannes den ersten PR-Grand Prix für Deutschland ab.

Es ist kein Luxus, nicht in die Hose zu bluten!

Übrigens: Andere Länder machen es schon lange vor. Sie schafften die Steuer auf Tampons und andere Frauenhygieneartikel vollständig ab. EU-weit marschierte Frankreich voran. Das französische Parlament senkte die Tamponsteuer 2015 von satten 20 Prozent auf die 5,5 Prozent. Kenia, Kanada, Südafrika, Indien, Malaysia, Australien und einige US-Staaten erheben gar keine Steuer mehr auf Tampons und Binden. Diese Länder finden, dass Menstruation kein Luxus ist und keine zu hohe Besteuerung zu Lasten der weiblichen Bevölkerung sein sollte. Das ist Dank Nanna-Josephine Roloff, Yasemin Kotra und ihren UnterstützerInnen nun auch in Deutschland angekommen.

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www.tamponbook.com

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Endlich Schluss mit der Tampon Tax?

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Wir möchten Sie zu einem einfachen, aber effektiven Experiment einladen: Wenn Sie den nächsten Drogeriebesuch planen, um Ihren Vorrat aufzustocken an: Tampons, Gesichtscreme, Körperlotion, Selbstbräuner, Nassrasierer, Nassrasiererklingen, Rasierschaum, Enthaarungscreme, Parfüm, Deo, Duschgel, Körperpeeling, Gesichtspeeling, Gesichtsmasken, Haarwaschmittel, Haarspülung, Haarkur, Haarspray, Schaumfestiger, Nagellack, Nagellackentferner, Wattepads, Augen-Make-Up-Entferner oder Gesichtswasser – dann erledigen Sie diesen Einkauf zusammen mit Ihrem besten Freund! Beobachten Sie sein Gesicht, wenn Sie Ihren Vorrat an Beauty-Produkten an die Kasse legen.

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Bei Beauty-Produkten ist der Gap am größten und am offen-
sichtlichsten

Und beobachten Sie sein Gesicht auch, wenn er seine Zahnbürste, seine Zahnpasta, sein Deo, seine Feuchtigkeitscreme und sein Two-In-One-Haarwaschmittel (auch als Duschgel verwendbar) an die Kasse legt. Und beobachten Sie sein Gesicht nochmal, während Sie bezahlen.

Na, was sehen Sie? Fassungslosigkeit? Irritation? Eine gewisse Häme? Mitleid? Wenn wir uns nicht irren, werden Sie etwa das fünf- bis zehnfache im Drogeriemarkt bezahlen wie Ihr Begleiter. Um sich „was Gutes zu tun“; um sich „schön zu fühlen“; oder einfach nur, weil das Ihre „Basics sind“, die Sie „immer im Haus haben“. Finden Sie, dass Ihr bester Freund sich vernachlässigt? Finden Sie ihn etwa hässlich? Wenn ja: Sagen Sie ihm das bloß nicht! (Der ist für immer beleidigt, wären Sie auch!) Wenn nein: Wann haben Sie sich eigentlich zuletzt gefragt, ob Sie alle diese Produkte auf dem Fließband wirklich brauchen, um froh und schön zu sein?

Ginge es nach der Schönheits-Industrie, stellen Sie sich diese Frage natürlich nicht. Die ist zufrieden, dass Frauen eine sichere Bank sind. Deren Botschaft lautet: Kaufen Sie, kaufen Sie! Und Sie kaufen. Etwas anderes haben Sie ja auch nicht gelernt, seit sie als Mädchen das erste Mal eine Frauenzeitschrift aufgeschlagen haben (statt EMMA) oder den Fernseher eingeschaltet. Weshalb sich solche Unternehmer feixend die Hände gerieben und eine einfache, aber lukrative Strategie entworfen haben: So, da schlagen wir jetzt nochmal so richtig einen drauf. Rechnet ja eh keine nach!

„Pink Tax“ heißt das in Amerika. Die pinke Steuer. Meint: Produkte für Frauen sind deutlich teurer – einfach nur, weil sie für Frauen und rosa statt blau verpackt sind. Der Inhalt ist quasi identisch. Die Pink Tax gibt es bei Klamotten, bei Gebrauchsgegenständen (wie Laptop-Taschen), bei Spielzeug und sogar in der Reinigung – aber bei kaum einer Produktsparte ist dieser Gap so hoch und so dreist wie bei Produkten, die dem Bedürfnis der Frauen dienen, jung, schön und begehrt zu sein. Sprich: Kosmetik und Körperpflege.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat im Frühjahr 2016 mal nachgerechnet. Ergebnis: „Bei Produkten für Frauen haben wir Preisaufschläge von bis zu 200 Prozent ausfindig gemacht“. Rasierschaum der Marke „Wilkinson“ zum Beispiel. Da kosten 200 Milliliter für Männer 99 Cent und 150 Milliliter für Frauen 2,39 Euro. Macht knapp 50 Cent pro 100 Milliliter für Männer und 1,59 Euro für Frauen. Bei „ähnlicher Zusammensetzung“ und „unterschiedlicher Farbe und Aufmachung der Verpackung“, so die Verbraucherzentrale. Die zugehörigen Rasierklingen kosten für Männer pro Stück 2 Euro und für Frauen 2,83 Euro. Frauenaufschlag: 42 Prozent. 100 Milliliter eines Parfums der Marke „Boss“ kosten Männer 81 Euro und Frauen 151,90 Euro. Frauenaufschlag: 87 Prozent. Die Q10-Augencreme von Nivea kostet für Männer 6,79 Euro. Und für Frauen 9,99 Euro – bei „fast identischer Rezeptur“. Das Urteil der Verbraucherschützer: „Seit Jahren die gleiche Masche.“

Und beim Friseur? Schneiden für Männer macht nach Recherchen der Hamburger beispielsweise 22 Euro, für Frauen 31 Euro. Strähnen gefällig? Kosten für Männer rund 30 Euro, für Frauen 44. Färben? Männer: 25 Euro, Frauen: 34 Euro – zuzüglich „Längenaufschlag zwischen 10 und 30 Euro“. Haben Sie eine Kurzhaarfrisur? Dann ordern Sie demnächst einfach einen Schnitt für Männer. Und machen Sie in Zukunft den Preisvergleich bei allen Produkten, die Sie in den Einkaufswagen legen (und schreiben Sie uns: redaktion@emma.de).

„Was kostet es, ein weiblicher Verbraucher zu sein?“, fragte auch das „New York City Department of Consumer Affairs“ in einer großangelegten Feldstudie im Auftrag von Bürgermeister Bill de Blasio. Dafür klapperten Tester 24 Läden ab und nahmen 800 Produkte unter die Lupe. Die wesentliche Erkenntnis: „Frauen zahlen in ihrem Leben zigtausend Dollar mehr, um sich die gleichen Produkte zu kaufen wie Männer.“ Für Deutschland könnte man noch ergänzen: Und sie verdienen gleichzeitig zigtausend Euro weniger. Der Gender-Pay-Gap liegt hierzulande aktuell bei 21,6 Prozent.

Nur manchmal ist die Pinke Steuer auch gar nicht so leicht zu entlarven

Jetzt können Sie sich natürlich wahnsinnig über sich selbst ärgern, weil Sie nur diesen schlecht bezahlten Teilzeitjob haben; und weil Sie immer so viele unnötige Tinktürchen kaufen; und weil die Kosmetik-Industrie des Teufels ist. Sie können es aus Selbstgeißelung sogar noch spartanischer angehen als Ihr bester Freund: Zahnbürste, Zahnpasta, Kernseife!

Bloß: Das rettet Sie leider immer noch nicht. Denn die Pink Tax, die betrifft nicht nur Produkte, von denen Sie denken, dass Sie sie unbedingt wollen. Sondern leider auch solche, die Sie unbedingt brauchen. Und oft ist der Frauenzuschlag nicht so leicht zu entlarven.

Bei Tampons zum Beispiel. Während für einen Blumenstrauß der verminderte Steuersatz von sieben Prozent gilt, liegt die Mehrwertsteuer für Tampons und Binden in Deutschland bei 19 Prozent. In Großbritannien haben die Frauen sehr lange, sehr laut und sehr lustig unter #endtampontax gegen eine ähnlich unfaire „Besteuerung der Menstruation“ protestiert.

Eine Petition hatte 300.000 Unterzeichnerinnen. Und Erfolg: Ministerpräsident Cameron setzte auf einem EU-Gipfel durch, dass jedes Mitgliedsland nach englischem Beispiel die Steuer auf Tampons und Binden auf Null setzen könnte, wenn es denn wollte. Also auch Deutschland.

Statt Gram über die blöde Pink Tax empfehlen wir also bewusstes Kaufen und laustarken Protest. Das wirkt sich bei Erfolg positiv auf Ihr Portemonnaie aus – und auf Ihre Seele. Und Stressabbau macht ja auch viel schöner als dieser ganzen Beauty-Kram.

Alexandra Eul

 

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