Proteste gegen Judoka mit Hijab

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„No Sharia“ hatten sie in schwarzen Buchstaben auf ihre nackte Brust gepinselt, eine andere hatte sich einen künstlichen Bart angeklebt und brüllte: „Freedom for Women around the world!“ Die Femen haben wieder zugeschlagen, diesmal in London, wo heute bei den Olympischen Spielen eine von zwei Athletinnen aus Saudi-Arabien antrat: die Judoka Wodjan Ali Seraj Abdulrahim Shaherkani. Und die ukraninischen Aktivistinnen machten in der ihnen eigenen Art darauf aufmerksam, dass die 16-jährige Wodjan keineswegs zu den freien Frauen dieser Welt gehört. Sie musste im Hidjab kämpfen. Das verstößt nicht nur gegen das Regelwerk des Judoverbandes, der zusätzliche Kleidungsstücke wegen der Verletzungsgefahr verbietet, sondern auch gegen die Olympische Charta, die das Tragen „politischer und religiöser Symbole“ und „jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ verbietet. Aber das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte sich dem Druck Saudi Arabiens gebeugt. Es hagelt Protest – nicht nur von den Femen. 

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Nur unter dem Druck des IOC hatte sich Saudi Arabien dazu durchgerungen, überhaupt weibliche Athleten zu Olympia zu schicken. Es solle diesmal kein einziges Land mehr mit frauenfreier Delegation antreten, lautete das Ziel des Komitees.
Saudi Arabien, wo Frauen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne öffentliche Förderung Sport treiben dürfen, schickte zwei Alibi-Frauen: Die Judoka Wodjan Ali Seraj Abdulrahim Shaherkani und die 800-Meter-Läuferin Sarah Attar, die in den USA lebt.
Allerdings stellten die religiösen Fundamentalisten drei Bedingungen: 1. Die Sportlerinnen müssen einen Hidjab tragen. 2. Sie müssen immer von einem männlichen Verwandten begleitet werden. 3. Sie dürfen nicht mit männlichen Sportlern zusammentreffen. Das IOC willigte ein. Und zeigte sich sehr angetan von seiner Entscheidung: „Diese Lösung garantiert ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit der Sportlerinnen und den kulturellen Gepflogenheiten“, erklärte IOC-Pressesprecher Mark Adams.

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Dass es hier nicht um „kulturelle Gepflogenheiten“ geht, sondern um eine Geschlechter-Apartheid und die Einhaltung der Olympischen Charta, hatte eine Frauendelegation dem IOC vor einer Woche bei ihrem Treffen mit Tomas Sithole erklärt, dem IOC-Direktor für Internationale Kooperation. Mit enttäuschendem Resultat. „Mr. Sithole bestritt, dass es zu den Aufgaben des IOC gehöre, bei der Frage der Sportkleidung Vorschriften zu machen“, berichtet die französische Aktivistin Annie Sugier, die mit ihrer Aktionsgruppe „London 2012 - Justice for Women“ für Geschlechtergerechtigkeit bei den Olympischen Spielen kämpft. Zwei Tage vor dem Olympia-Start hatten Aktivistinnen von 28 Frauenorganisationen eine symbolische Beerdigung der Olympischen Charta auf der Westminster Bridge organisiert.

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Und sie sind nicht die einzigen, die gegen den Kniefall vor den Fundamentalisten protestieren: „In allen Judo-Verbänden gibt es eine Bewegung gegen die Bresche, die damit in das Regelwerk geschlagen wird“, erklärt die ehemalige Judoka Céline Géraud. „Wenn die saudiarabische Judoka antritt, werden wir der Matte den Rücken zuwenden, um gegen die Entscheidung des IOC zu protestieren.“

EMMAonline, 3.8.2012

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