In der aktuellen EMMA

Rabtaldirndln erobern die Bühne

Foto: Nikola Milatovic
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Eine große, weiche Figur, die an Niki de Saint Phalles „Nanas“ erinnert, dominiert die Bühne: Sie ist nackt, der Busen üppig, die Vulvalippen schimmern rosa, die Vagina steht einladend offen. Aus ihr flutschen vier Frauen, Kopf voran: Da sind sie: die Rabtaldirndln! Staunend schauen die Frischgeborenen in die Welt.

„Ahnfrauen“ heißt das Stück des österreichischen Theater-und Performance-Kollektivs Rabtaldirndln, das die Gruppe zum 20-jährigen Jubiläum entwickelte. Die Performerinnen beschäftigen sich darin mit ihren eigenen Müttern, suchen nach ihren Wurzeln und befragen ihre eigenen Mutterschaften: Wie viel Mutterliebe geschieht freiwillig? Und wie viel Unterdrückung und Überforderung bringen sie mit sich? Sie verlesen SMS-Konversationen mit ihren eigenen Müttern, betrachten Mutterfiguren der Kunstgeschichte und stellen das Schnitzelessen nach, zu dem sie ihre Mütter geladen hatten, um mit ihnen über ihre Beziehung zu sprechen – und zu dem eine nicht kommen wollte. 

Herausgekommen ist die persönlichste Arbeit in der Geschichte des freien Ensembles. Die Rabtaldirndln sind nicht nur Kunstfiguren, sondern auch ein eigener Kosmos. Auf der Bühne werden die Schauspielerinnen üblicherweise zu den Provinzlerinnen Renate, Sonja, Marianna und Toni. In „Ahnfrauen“ treten Barbara Carli, Rosi Degen, Bea Dermond und Gudrun Maier erstmals als sie selbst in Erscheinung. „Es fühlte sich stimmiger an, bei den Realnamen zu bleiben“, erklärt Barbara Carli. 

Vor 21 Jahren gründete die Theaterpädagogin Carli zusammen mit ihren Kolleginnen die Gruppe „Die Rabtaldirndln“. Alle vier waren aus der Provinz zum Studieren in die steirische Landeshauptstadt Graz gezogen. Was als Hobby anfing, wurde schnell zu einem Fixbestandteil der österreichischen Theater-und Performance-Landschaft. Seitdem machen die Rabtaldirndln hauptberuflich cooles, innovatives, feministisches Theater. Eigentlich gibt es das Rabtal gar nicht. Benannt hat sich das Kollektiv nach dem volkstümlichen Musikquartett Die Raabtal Dirndln, was in den Anfängen immer wieder Verwirrung stiftete: Nicht selten landete Publikum irrtümlicherweise in einer zeitgenössischen Performance statt im Schlagerkonzert.

Mit klugem und oft auch bösem Humor greift das Ensemble regelmäßig brennende Themen unserer Zeit auf. Am Anfang ging es oft um das Stadt-Land-Gefälle. Zur bislang erfolgreichsten Arbeit geriet „Du gingst fort“, ein Abend über Landflucht. Inspiriert vom Fernsehformat „Aktenzeichen XY ungelöst“, fahndeten die Rabtaldirndln nach Personen, die das Land in Richtung Stadt verlassen hatten.

Als einige der Rabtaldirndln Kinder bekamen, zog der Feminismus immer deutlicher in die mit viel Satire gespickten Produktionen ein. Auch wenn die Stücke immer politischer wurden, verloren sie nie den Witz des anekdotischen Erzählens, den die Theatermacherinnen so gut beherrschen. „Wir tratschen sehr gerne“, bringt es Carli auf den Punkt. So treffen amüsante Anekdoten auf historische Betrachtungen sowie gesellschaftspolitische Aspekte. „Female History“ war ein vierteiliger Abend, in dem weibliche Biografien im Zentrum standen. In „Böse Frauen“ fragte sich das Kollektiv, wie Frauen, die sich eigentlich der Pflege verschrieben haben, zu Mörderinnen werden? Hintergrund für die Performance war die reale Mordserie der sogenannten Lainzer Mordschwestern, die von 1983 – 1989 im ehemaligen Krankenhaus Lainz über 200 PatientInnen töteten. Später wurde Eingekochtes und Eingelegtes in „Einkochen“ zum Symbol für die Ausbeutung im privaten Raum und auch die aktuelle Performance „Sirenen“ erzählt von unbezahlter Arbeit: Vier Frauen ziehen aufs Land und entdecken die Last des Ehrenamts: Plötzlich ist vieles ehrenamtlich, was woanders entlohnt wird. 

Trotz – oder wegen? – der modernen Inszenierungen erreichen die Dirndln regelmäßig auch das Publikum auf dem Land, das normalerweise vielleicht nicht in eine Theaterperformance kommen würde. Die Rabtaldirndln treten bewusst auch in der Provinz auf und nicht nur auf Bühnen sowie Festivals der nationalen und internationalen Großstädte.

Alle zwei Jahre produziert die Gruppe gemeinsam mit dem Regisseur Ed Hauswirth ein Stück direkt auf dem Land, zur Premierenbühne wird der Bauernhof von Rabtaldirndl Gudrun Maier in Hainersdorf. „Dirndl sucht Bauer“, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Fernsehformat „Bauer sucht Frau“ feierte zum Beispiel so seine Urauf-führung. Im Anschluss tourt die Produktion durchs ländliche Österreich. 

Für seine Inszenierungen holt sich das Kollektiv Leute von außen für die Regie. Das Mutterstück „Ahnfrauen“ entstand in Zusammenarbeit mit Nadja Brachvogel. Die Regisseurin schwärmt vom „solidarischen Miteinander“ der Gruppe: „Diese kollektive Arbeit braucht eine besondere Art von Mensch, wo niemand versucht, sich in den Vordergrund zu spielen und seine Vision durchzusetzen. Die Rabtaldirndln sind so.“ Auch deshalb haben die Dirndln zwei Jahrzehnte in derselben Konstellation durchgehalten. Carli: „Bei uns ist niemand eine Ego-Sau.“ 

Termine unter: dierabtaldirndln.at 

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