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Roda Verheyen: Die Klima-Kämpferin

Foto: Fabrizio Bensch/Reuters/dpa
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Die Schweizer „KlimaSeniorinnen“ haben Geschichte geschrieben! Am 9. April gab ihnen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg recht und verurteilte die Schweiz wegen mangelnden Klimaschutzes. Das Land muss gerade ältere Frauen fortan besser vor Hitze schützen – was uns allen zu gute kommt. Es ist die erste Klimaklage vor dem EGMR über­haupt, erkämpft von älteren Frauen.

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Sie will, dass die Verursacher von Emissionen zur Verantwortung gezogen werden

Das Urteil von Straßburg ist ein Meilenstein der Rechtssprechung. Erst möglich gemacht hat diese Art Urteil: Roda Verheyen. Als sie 2015 den Energiekonzern RWE im Auftrag eines peruanischen Bauern vor dem Landgericht Essen verklagte, hielten das noch alle für absurd. Doch der Grund war handfest. Ein Gletscher schmilzt und drohte das Haus des Bauern wegzuschwemmen – eindeutig eine Folge des Klimawandels. Und RWE, einer der größten CO₂-Emittenten Europas, ist mitverantwortlich dafür.

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Den ersten Prozess verlor Verheyen, die Fachwelt schmunzelte. Doch als das Oberlandesgericht Hamm ihre Klage annimmt, ist nicht nur RWE sprachlos. Der Prozess läuft noch.

Als „Klimaanwältin“ ist Verheyen vor neun Jahren noch allein auf weiter Flur. Niemand hat so etwas in Deutschland vor ihr getan. Die ehrenamtliche Richterin des Hamburgischen Verfassungsgerichtes und dreifache Mutter will ganz einfach, dass Staaten und Unternehmen zur Verantwortung gezwungen werden. Und sie findet es ungerecht, dass Menschen, die selbst kaum etwas zur Erderwärmung beitragen – wie jener peruanische Bauer – selber die schwersten Folgen erleiden. „Es geht doch um die Verursacher“, sagt sie entschieden, „da muss was passieren!“.

Ihr Honorar wird meist von Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Germanwatch übernommen.

1992 liest die 20-jährige Roda in der Hamburger Staatsbibliothek den ersten Bericht des Weltklima­rates IPCC. Schwarz auf weiß steht dort, dass „die Welt aus den Fugen geraten“ wird. „Wie kann es sein, dass alle da so ruhig bleiben?“ fragte sie sich damals und versteht es bis heute nicht.

Ihre Eltern hatten ihr zu diesen Themen nichts in die Wiege gelegt, nur das politische Interesse. „Meine Mutter war Lehrerin, mein Vater in der Lebensmittel-Industrie“, sagt die gebürtige Düsseldorferin. In Hamburg, Oslo und London studiert die Tochter Jura mit dem Ziel, ins wenig lukrative Umweltrecht zu gehen. Seit 2006 ist sie Anwältin einer Hamburger Spezial-Kanzlei, in der sie heute Partnerin ist. Drei Kinder im Teenager-Alter hat sie. Ihr Mann ist Lehrer und übernimmt die Nachmittagsschicht. Die Familie lebt umweltbewusst. „Wir fliegen nicht in den Urlaub“, sagt sie, „am liebsten bin ich sowieso an der Nordsee“.

Dort hat Roda Verheyen 2018 auch die Familie Backsen vertreten, eine Bauernfamilie von der Insel Pellworm, deren Hof immer öfter „Land unter“ melden muss. Die Klage wurde abgewiesen.

Auch verlorene Prozesse sind ein Gewinn. Denn sie machen die Opfer sichtbar

„Manchmal verlieren wir solche Prozesse“, sagt Verheyen, aber selbst das Verlieren sei ein Gewinn. „Die Verfahren erhöhen den Druck für mehr Klimaschutz und sie machen die Opfer sichtbar“, sagt sie. Eine Klimaklage sei ein Hebel, der Veränderungen in Gang setzen könne. „Für einzelne und letztlich auch für uns alle.“

Ein großer Sieg hingegen war der 29. März 2021. An diesem Tag verdonnerte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung dazu, beim Klimaschutzgesetz nachzubessern und festzulegen, dass künftige Generationen ein Recht auf Klima­schutz haben. Ein historisches Urteil – und von Verheyen höchstpersönlich erstritten. „Das war überwältigend“, sagt sie. „Ich bin jubelnd aus der Tür und über den Flur gestürzt.“

Seit dem Urteil habe es mit Blick auf den Klima­schutz viel Gesetzgebung in die richtige Richtung gegeben, „nur eben nicht schnell genug“. Noch immer ist die Welt aus den Fugen. Aber Roda Verheyen bringt doch so einiges ins Lot.

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