Schlafwandelnd in den Weltkrieg?

Foto: Marcelo Hernandez
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Herr von Dohnanyi, Ihr neues Buch „Nationale Interessen“ ist eine geradezu visionäre Analyse des Debakels in der Ukraine, geschrieben noch vor dem Krieg. Wie waren die Reaktionen?
Ich bekomme viel Zustimmung, aber keine Reaktionen aus der Regierung oder von den Parteien in Berlin. Der Bundestag debattiert über Waffen und Rüstung, aber nicht über die Hintergründe des Ukraine-Krieges und damit auch nicht über die wahren Gefahren für die Sicherheit Deutschlands und Europas.

Die „Nationalen Interessen“, darüber möchte man offenbar nicht reden.
„Nationale“ Interessen waren in unserem politischen Wortschatz lange ein Tabu. Dabei stolpern wir doch täglich über gegensätzliche Interessen aller Nationen, in der Welt und auch in Europa. Den nationalen Interessen nachzuspüren, ist auch notwendig, um den kriegerischen Angriff Putins auf die Ukraine zu erklären. Ich hatte den Krieg vorhergesagt, weil kluge und politisch erfahrene Fachleute der USA schon seit sehr langer Zeit warnten: Wenn wir im Westen die Aufnahme der Ukraine in die NATO weiter so vorantreiben, dann wird es zum Krieg kommen.  

Wenn man die Ukraine aus der russischen Sphäre herausknackt, hat Zbigniew Brzeziński, der polnischstämmige US-Historiker, schon 1997 geschrieben, werde Russland als Weltmacht entmachtet, nach Osten gedrückt, ins Gehege mit China, mit den zentralasiatischen Republiken. Das will Wladimir Putin, ein Leningrader, ein Russe des Westens, unter allen Umständen verhindern.
Schon früh hat auch der heutige CIA-Chef William Burns ausdrücklich geschrieben, die Aufnahme der Ukraine in die NATO überschreite eine „hellrote Linie russischer Interessen“. Und er, Burns, habe „keinen“ Russen getroffen, der diese Auffassung nicht teile. Warum wundert man sich dann heute in Berlin, dass Putin offenbar für seine Politik noch immer eine breite Unterstützung in Russland hat?

Putin nannte die Möglichkeit von NATO-Kurzstreckenraketen auf ukrainischem Boden, unmittelbar vor seiner Haustür, eine „existenzielle Bedrohung“.
Putin versteht sich offenkundig als russischer Europäer, spricht perfekt Deutsch. Was nach Putin folgt, weiß man nicht. Meine Überzeugung bleibt, auf Putin wird kein „Obama“ folgen, sondern eher ein Typ Trump. Vielleicht auch ein Militär, aber sicher ein „Russland first“- Politiker. Wie der Westen nach 1990 die Chancen mit Gorbatschow und seinen Nachfolgern leichtfertig verspielt hat, beschreibt mein Buch im Detail. Im Februar 1990 versprach US-Außenminister James Baker dem sowjetischen Staatsoberhaupt Gorbatschow, wenn das ganze wiedervereinigte Deutschland in der NATO sein könne, werde es darüber hinaus keine Osterweiterung der NATO geben. Baker hielt das zwar schriftlich fest, aber eine schriftliche Vereinbarung gab es nicht. Fest steht, dass von den ersten Tagen nach dem Mauerfall Moskau niemals einen Zweifel daran bestehen ließ, dass für die russische Seite die Osterweiterung der NATO eine Sicherheitsfrage darstelle. Und für eine Ukraine in der NATO galt und gilt das in besonderer Weise.

Wohl auch, weil Russland immer wieder aus dem Westen angegriffen wurde. Die Russen wollen eine Pufferzone, wie übrigens alle Großmächte. Auch die Amerikaner nehmen für sich Pufferzonen in Anspruch, mit oft kriegerischen Mitteln, erklären Putin aber zu einem Kapitalverbrecher, wenn der das Gleiche tut.
Die USA genießen einen ungewöhnlichen geopolitischen Vorteil: Sie sind auf beiden Seiten von weiten, großen Ozeanen geschützt. Diesen Schutz haben Russland und China nicht. Putin hat den Krieg vom Zaun gebrochen, und einen Krieg bewusst auszulösen, ist immer ein völkerrechtliches Verbrechen. Aber Russlands – nicht nur Putins – Reaktion geht eben auch darauf zurück, dass die USA trotz der schriftlichen Vorschläge Russlands vom 17. Dezember 2021 nicht bereit waren, über das Ukraine-Problem auch nur zu verhandeln. Ich glaube, der Krieg hätte vermieden werden können, wenn die USA damals angeboten hätten, was Selenskyj heute bereit ist zuzugestehen: eine neutralisierte und international gesicherte Ukraine. 

Ist der Krieg in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg?
Ja, Russland gegen die Vereinigten Staaten, zu Lasten der ukrainischen Bevölkerung.

Warum haben die Amerikaner nicht verhandelt?
Einerseits geht es darum, dass in den USA eben ein geopolitisches Interesse besteht, Georgien und die Ukraine in die amerikanische Einflusszone NATO zu integrieren. Aber am wichtigsten sind wohl heute innenpolitische Gründe: Biden steht mitten in einem entscheidenden Wahlkampf, schon wieder. Der ehemalige US-Botschafter in Moskau und spätere Professor am Princeton Institute for Advanced Studies, Jack Matlock, veröffentlichte eine beißende Kritik: Der Ukraine-Krieg sei eine „Scharade“ US-amerikanischer Innenpolitik. Es gibt eine Art physikalisches Gesetz der Politik: Je öfter eine Regierung zur Wahl steht, desto größer wird der Einfluss der Innenpolitik auf ihre Außenpolitik. Und damit wächst immer auch ihre Unberechenbarkeit. In den USA wird bundesweit alle zwei Jahre gewählt, und dennoch vertraut Europa heute seine Sicherheit den innenpolitischen Zufällen der USA an. Bedenkenlos, im wahrsten Sinne dieses Wortes.

Weiß der Durchschnittsamerikaner, was die Ukraine ist und wo sie liegt? Er schaut auf die Benzinpreise. Vielen Amerikanern geht’s schlecht, die wollen nicht, dass Präsident Biden Milliarden verheizt in einem Krieg, der weit weg ist und kaum im unmittelbaren Interesse des Landes liegt.
Darum geht’s im Augenblick nicht. Es geht darum, dass Biden und seine Demokraten die fünf oder sechs umstrittenen Senatsplätze gewinnen wollen. Biden will deswegen gegenüber den Republikanern nicht schwach wirken und folgt damit innenpolitischen Zwängen.

Warum lässt sich die EU eigentlich heute so leicht von amerikanischen Interessen vereinnahmen? Beim zweiten Irakkrieg gaben Deutschland und Frankreich Gegensteuer.
Das sehr unterschiedliche Interessenverständnis innerhalb Europas spielt eine erhebliche Rolle. Was zum Beispiel Balten und Polen angesichts ihrer historischen Erfahrungen gegenwärtig für richtig halten, das stimmt mit den längerfristigen sicherheitspolitischen Interessen Europas und Deutschlands nicht überein. Sich so blindlings US-amerikanischer Politik für Europa anzuvertrauen, widerspricht doch dem gesunden Menschenverstand: Ein Land, das von hier durch einen fast 6.000 Kilometer breiten Ozean getrennt ist, muss doch einen Krieg auf unserem europäischen Boden ganz anders empfinden als ein Bürger von Kiew oder Berlin. Mariupol ist bei uns Tagesnachricht, in der Zeitung Chicago Tribune nur eine gelegentliche Fußnote. 

Was bedeutet das von Ihnen geschilderte Interessenungleichgewicht für diesen Krieg? Professor John J. Mearsheimer kommt zum Schluss, dass die Russen auf kurz oder lang gewinnen werden, weil sie auf keinen Fall verlieren dürfen. Wenn sie aber verlieren würden, wäre es noch viel schlimmer: Versucht man, eine Atommacht über die Klippe zu stoßen, ist eine katastrophale Eskalation zu befürchten.
Wie der Ukraine-Krieg ausgeht, ist schwer vorauszusagen. Erleben wir nur eine Art Vorspiel für einen größeren Krieg? Welche Sicherheitsstrukturen braucht Europa jetzt? Nur eine US-geführte, russlandfeindliche NATO? Ist das überzeugend und vernünftig?

Was ist der größte Fehler des Westens, der Amerikaner?
Die Amerikaner haben die Interessen Russlands nach dem Fall der Mauer und dem Zerfall der Sowjetunion nie wirklich berücksichtigt. Die USA glauben, sie seien die alleinige Weltmacht, sie hätten eine Art Naturrecht darauf, Ordnung in der Welt zu schaffen. Meine Kritik an den Europäern ist, dass sie die auch in dieser Beziehung zwangsläufig unterschiedlichen Interessen zwischen den USA und Europa nicht offen ansprechen. In den Debatten zur Beendigung des Ukraine-Krieges gibt es gegenwärtig scheinbar nur drei Parteien: Europa, die Ukraine, Russland. Die aber wichtigste Partei, die USA, wird nur als Waffenlieferant erwähnt. Man müsste doch längst wissen, dass der Schlüssel zur Lösung des Problems in den Händen der USA liegt.

Was würden Sie tun, wenn Sie Bundeskanzler wären, um den Frieden zurückzubringen?
Im Augenblick ist Frankreich so unbeweglich wie die USA. Es kann aber nur mit Deutschland und Frankreich – und nun hoffentlich auch mit Italien – etwas bewegt werden. Dann ist es unsere wichtigste Aufgabe, gemeinsam in Washington vorstellig zu werden und mit den Amerikanern darüber zu verhandeln, ob die USA eine Neutralität der Ukraine unterstützen könnten: Könnte Putin dann den Donbass wieder auf den Vertrag von Minsk zurückführen? Könnten die USA dann Neutralität statt NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine akzeptieren? Das würde eine ganz neue Situation schaffen. Die Ukraine könnte als unabhängiger, verteidigungsfähiger Staat gesichert werden, abgesichert durch die UNO, durch Russland, durch Europa und durch die USA. Auch die Ukraine muss verteidigungsfähig sein, aber sie müsste neutral sein. Der Donbass würde Autonomie gewinnen mit bestimmten Rechten, auch sprachlichen Minderheitenrechten – wie in Quebec oder im Baskenland. Das zu verhandeln, setzt aber einen Waffenstillstand voraus. Alles wurde nahezu unmöglich gemacht, weil man im Winter 2021/22 nicht bereit war, mit Russland über dessen zentrale Anliegen auch nur zu reden.

Die Politik in Deutschland scheint im emotionalen Ausnahmezustand, auch die Medien sind außer Rand und Band. Man schwelgt im Rausch der Feindbilder. Deutsche Intellektuelle bezeichnen Putin bereits als neuen Hitler, man fordert entsprechend von Russland die totale Kapitulation. Ihre Familie hat bedeutende Widerstandskämpfer gegen Hitler hervorgebracht. Was halten Sie von solchen Gleichsetzungen?
Den Vergleich Putin/Hitler halte ich für total unangemessen. Diejenigen, die so argumentieren, sollten ihre Finger lieber von der Politik lassen. Russland wurde immer anders regiert, das hat auch seine geografischen und damit historischen Gründe; das müssen auch wir für unsere Gegenwart akzeptieren, wenn wir Frieden wollen. 

Die Europäer sind schon jetzt die Verlierer dieses Krieges, die Amerikaner profitieren wirtschaftlich, und die Ukraine wird zerstört.
Die ersten beiden großen Kriege, der Erste und der Zweite Weltkrieg, konnten nur mit Hilfe der USA gewonnen werden – und beide wurden nur auf europäischem Territorium ausgetragen. Das ist ganz simpel, da braucht man kein Pessimist zu sein: Wenn es zu einem dritten großen Krieg käme, würde er auch wieder in Europa stattfinden. Der Krieg wird dann nicht bei den ukrainischen Grenzen haltmachen. In meinem Buch berichte ich ja auch von einer NATO-Übung, die ich Ende der 1970er Jahre in Vertretung von Bundeskanzler Helmut Schmidt leitete: Deutschland erneut ein Trümmerfeld. Das zu verhindern, ist deutsche Verantwortung, was immer ukrainische Politiker uns auch sonst einreden wollen. Henry Kissinger vergleicht die Lage mit dem Vorfeld des Ersten Weltkrieges, der Zeit vor 1914. Dass die USA diese Erfahrung seit dem Fall der Mauer als „alleinige Weltmacht“ so verhängnisvoll missachtet haben und missachten, macht es für Europa so schwer und so gefährlich.

Kissinger unterscheidet zwischen revolutionären Eroberern wie Napoleon, die ganze Weltordnungen umpflügen, und klassischen Großmächten, die ihre Interessen und ihre Sicherheit verteidigen. In welche Kategorie fällt Putin?
Putin ist weder Hitler noch Napoleon. Putin wollte auch keinen Krieg. Er wollte in erster Linie sicherstellen, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt. Sein Ziel war und ist nicht die Eroberung Deutschlands, Polens oder Osteuropas. Das ist alles Unsinn. Er hat im Dezember 2021 auch nicht Polen bedroht, sondern geschrieben, Russland wolle in Polen nur eine Bewaffnung dulden, die der Vereinbarung von 1997 entspreche. Darüber hätte man verhandeln können. Der entscheidende Punkt, an dem das Ganze gescheitert ist, war die Frage der NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens, der beiden ehemaligen russischen Staatsprovinzen. Wenn Sie die Antwort der USA auf Putins Entwurf vom 17.   Dezember 2021 sehen, dann steht da aber glasklar und unabänderlich: Die NATO werde in dieser Frage nicht nachgeben, das sei für sie unverhandelbar. Begründung: Jedes Land habe das Recht, sich seinen Bündnispartner auszuwählen. Das ist natürlich unbestreitbar. Aber die Mitglieder eines Bündnisses „können“ einen Bewerber aufnehmen, sie „müssen“ nicht. Die NATO kann frei entscheiden, wen sie aufnehmen will und kann und soll. Ihre eigene Sicherheit hat immer Vorrang vor den Interessen eines Bewerbers.

Die Aufnahme neuer Mitglieder darf die Sicherheit der bisherigen Mitglieder nicht gefährden.
Richtig. Niemand ist verpflichtet, zu seinem eigenen Nachteil einen anderen in ein Bündnis aufzunehmen. Wir wussten doch, dass die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ein riesiges Sicherheitsproblem mit Russland verursachen könnte. Die amerikanische Strategie, es dennoch durchzusetzen, war weder geboten noch im Interesse des Bündnisses, wie wir heute so bitter, so teuer und so schadensträchtig erfahren.

Haben die Russen subjektiv nicht recht? Die NATO ist die alte Gegenmacht aus dem Kalten Krieg, während der Warschauer Pakt sich aufgelöst hat. Im Übrigen wirkt es nicht gerade vertrauensbildend, wenn die NATO Kurzstreckenraketen an der russischen Grenze stationieren könnte.
Es geht in der Außenpolitik immer darum, auch die nationalen Interessen der anderen Seite zu kennen, zu verstehen und, soweit möglich, auch zu berücksichtigen. 

Wie beurteilen Sie eigentlich den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj?
Am liebsten wäre mir, Sie hätten mir diese Frage erspart.

Er hat eine wundersame Wandlung hinter sich, vom Korruptionsverdächtigen der Panama- und Pandora-Papers zum neuen Internationalhelden der Freiheit.
Selenskyj ist ein hochbegabter Publizist und mutiger Führer eines Verteidigungskrieges. Einen Politiker mit solchen Fähigkeiten wünscht sich manche Partei. Er hat die neue Welt verstanden. Wenn Sie gesehen haben, wie er zum 8.  Mai auf einer leeren Straße in Kiew gewandert ist, alleine, eine Rede gehalten hat im Gehen, um deutlich zu machen: Hier ist es leer und friedlich, und hier bin ich, hier spreche ich für mein Land. Diese Dramaturgie war genial. Er ist ein großer, bedeutender Darsteller. Er spricht vor allen Parlamenten und hat viel bewirkt für die Verteidigung der Ukraine, kein Zweifel. Aber es gibt auch Kritiker. Sie fragen: Wäre er nicht auch verpflichtet, den Weg zum Ende dieses Kriegs zu finden? Sein Land wird zerstört. Setzt er zu sehr auf Sieg und zu wenig auf den Schutz des Landes? Eine autonome Ukraine im Donbass wurde 2015 vereinbart. Die ukrainischen Regierungen haben nachweislich die von ihnen unterschriebene Minsk-Vereinbarung ganz gezielt torpediert. Das ist ein Vorwurf, den man der Ukraine nicht ersparen kann.

Bevor wir den Ausblick wagen, müssen wir über die Fehler der Russen sprechen. Was sind, abgesehen von der katastrophalen Untat eines Angriffskrieges, die großen Fehler Putins im Vorfeld dieses Desasters?
Ich glaube, Russland hat immer nur reagiert. Und jetzt auf eine Weise, wie man nicht reagieren darf, die zu verurteilen ist, nicht nur völkerrechtlich, sondern auch menschlich. Aber Putin war nicht immer so. Dies heute zu unterstellen, ist ein großer Fehler im Westen. Schon Putins Vorgänger Jelzin hat wörtlich gesagt, wenn er der NATO-Erweiterung zustimme, wäre das „ein Verrat an meinem Volk“. Man hat gegen die Interessen Russlands gehandelt und so das Land unweigerlich in einen immer defensiveren Zustand getrieben. Auch Russland hat natürlich viele Fehler gemacht. Aber im Grunde blieb Russland für die USA immer noch das „evil empire“. Der Westen war nicht willens, die andere Regierungsform, die Russland nun einmal hat, zu akzeptieren und den einstigen Gegner auch als Partner zu sehen.

Debakel in Afghanistan, brennendes Unheil in Nordafrika, das ganze Irak-Desaster, ein fürchterlicher Stellvertreterkrieg im Jemen, und schließlich diese gefährliche Konfrontation gegen Russland. Wer kann die USA zur Vernunft bringen?
Im Ukraine-Krieg? Eine Verhandlungslösung sehe ich nur, wenn die USA von den Europäern als die wichtigste Kriegspartei verstanden werden. Da sehe ich allerdings gegenwärtig schwarz. Ich glaube nicht, dass US-Präsident Biden vor den Wahlen im November wagen wird, sich in dieser Sache zu bewegen. Mut war nie seine Sache.

Wie beurteilen Sie eigentlich den NATO-Beitritt der bisher neutralen Länder?
Das ist eine logische Folge von Putins Krieg. In diesen Ländern entstand eine Stimmung „sicher ist sicher“. Schade, weil ich neutrale europäische Länder gerade in den Beziehungen zu Russland für besonders wichtig halte.

Steuern wir auf einen neuen Kalten Krieg zu? Sind wir schon mittendrin?
Wenn der Krieg kalt bleibt, geht es ja noch. Ich befürchte aber, dass wir in einen größeren Krieg in Europa „schlafwandeln“ (Christopher Clark) könnten. Die Lage ist wohl noch viel gefährlicher, als wir sie jetzt einschätzen. Wann nämlich welches Land im Ukraine-Krieg wo „Kriegspartei“ wird, diese Grenze ist in der modernen, cybergeführten Kriegsführung nicht immer eindeutig.

Suchen wir zum Schluss den Lichtblick. Woran halten Sie sich fest, um die Hoffnung auf eine friedliche Koexistenz in der Welt nicht vollständig zu verlieren?
Der Lichtblick ist letzten Endes, dass die Menschen keinen Krieg wollen – weder in den USA noch in Deutschland und auch nicht in Russland oder China. Meine Hoffnung ist, die Menschen wollen heute Frieden, und in einer Demokratie sollte das doch zählen. Und wir brauchen auch keine „Helden“ mehr, wie es Präsident Selenskyj noch kürzlich forderte.

Das hier leicht gekürzte Gespräch erschien zuerst in der Schweizer Weltwoche. Das Gespräch führte Roger Köppel.

 

 

 

 

 

 

 

 

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