Schneller als der schnellste Mann

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Die Schwimmerin Ye Shiwen ist nicht einfach Olympia-Siegerin geworden und hat einen neuen Rekord über 400 Meter Lage aufgestellt. Sie war auch streckenweise schneller als die Männer ihrer Disziplin. Die Sportwelt rätselt nun nicht nur einfach über diesen fulminanten Erfolg, sie urteilt: Das kann doch gar nicht sein! Liegt ihr Erfolg wirklich nur in dem „sehr guten chinesischen Training“ begründet, wie Shiwen mantramäßig wiederholt. Sind es die großen Hände? Ist etwa Doping im Spiel? Gerd Buurmann, Blogger auf „Tapfer im Nirgendwo“, kann diese Spekulationen nicht mehr hören. Wieso sollte eine Frau einen Mann nicht auch mal übertrumpfen? Und wieso bekommen Sportlerinnen wie Ye Shiwen nicht die Chance, sich bei den Olympischen Spielen im Wettkampf direkt mit Männern zu messen? Er fordert die Auflösung der Geschlechtertrennung bei den Olympischen Spielen. Was sagt ihr dazu? Hier ist der Debattenbeitrag aus dem EMMA-Forum.

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Die 16-Jährige Chinesin Ye Shiwen ist gestern bei ihrem Olympiasieg über 400 Meter Lagen nicht nur Weltrekord geschwommen. Sie war auch streckenweise schneller unterwegs als ihre männlichen US-Kollegen (und Schwimmstars) Ryan Lochte und Michael Phelps. Ye Shiwen kraulte ihre finale Bahn in 28,93 Sekunden. Ryan Lochte brauchte bei seinem Olympiasieg kurz zuvor 29,10 Sekunden. Die vorletzte Bahn legte Shiwen in 29,75 Sekunden zurück, für diese hatte Superstar Michael Phelps zuvor 29,88 Sekunden benötigt.
 Nun steht der Verdacht des Dopings im Raum. Da der Verdacht (bisher) nicht bestätigt wurde, steht für mich erst einmal fest, dass es durchaus möglich ist, dass eine Frau schneller sein kann als alle ihre männlichen Kollegen. Warum also tritt Ye nicht gleich gegen die Männer an?


Seit Jahren schon plädiere ich für die Abschaffung der erzwungenen Geschlechtertrennung im Sport und immer wieder kommen die gleichen Argumente. Das häufigste Argument besagt, dass Frauen nun mal nicht so sportlich seien wie Männer und dass Männer eben schneller, höher, weiter und kräftiger seien. Weil das die Natur so wolle. Die Natur! Die Natur! Immer haben sie es mit der Natur.

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Eine Byzantinerin ist die Natur, redet dem, der gerade die Macht hat, zu Munde. Oder gibt wenigstens immer die Antwort, die der Fragende erwartet. Was ist natürlich, was unnatürlich? Immer wenn ich diese Argumentationsweise höre, kontere ich mit dem gleichen Argument: Ist Dir schon mal aufgefallen, dass es beim 100 Meter Sprint der Männer fast nur schwarze Männer gibt? Irgendwas scheint da in der Natur zu sein, das schwarze Männer schneller macht als weiße Männer. Und? Soll es nun auch eine extra Klasse für weiße Männer geben? Nein!
Warum sollte gleiches Recht nicht auch für Frauen gelten?
So wie es ganz selbstverständlich ist, dass alle Hautfarben gegeneinander laufen, so selbstverständlich sollte es auch sein, dass alle Geschlechter gegeneinander antreten. Selbst, wenn es bedeuten sollte, dass ein Geschlecht öfter siegt.

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Ein anderes Argument besagt, Frauen würden im Kampf mit den Männern untergehen und in Folge nicht mehr gefördert werden. Das Gegenteil ist doch der Fall: In der jetzigen Situation gehen Frauen im Sport so gut wie unter und werden nicht im Ansatz so gefördert wie Männer.
Man braucht zum Beweis dafür nur die Unterstützung des Männerfußballs mit der Unterstützung des Frauenfußballs zu vergleichen. Die ersten Jahren spielen Kinder vielleicht noch gemeinsam im Team, aber irgendwann kommt die Trennung der Geschlechter und von dem Moment an beginnt eine hochspezialisierte Ausbildung der Jungen und ein Hobbytraining bei den Mädchen.
Im Grunde kann jungen Frauen nichts Besseres geschehen, als mit Männern zu trainieren. So werden sie am besten gefördert und herausgefordert. Im Sport spornt der Beste nämlich an, und je besser der Beste, desto besser die Folgenden.

Thema im Forum diskutieren

Liebe Damen und Herren des IOC, wie wäre es mit einem Kompromiss? Wie wäre es, wenn Sie in Zukunft einfach jeder Frau gestatten, selbst zu entscheiden, ob sie gegen Frauen oder Männer und Frauen antreten möchte? Wenn Frauen wirklich nicht so gute Leistung bringen können sollen wie Männer, dann gibt es keinen Grund, das gemeinsame Kräftemessen zu verbieten. Ich jedenfalls bin fest davon überzeugt, es ist machbar, dass sich Menschen jenseits ihrer Hautfarbe, Herkunft und ihres Geschlechts gemeinsam im Wettkampf messen können.
Wie heißt es doch in der 3. Regel der Olympischen Charta im Absatz 2:
“Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.”
 Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen.

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