272.260 Stimmen mehr für Hillary!

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Ein Schwarzer und eine Frau kämpften gegeneinander um das höchste Amt. "Man stelle sich vor, Obama hätte verloren. Alle würden jetzt über den amerikanischen Rassismus reden." Mit diesen lakonischen Worten beschloss Martin Klingst in der ZEIT seinen Artikel über Hillarys Niederlage. Über den amerikanischen Sexismus aber, so würde der Kommentar des Kollegen bis zum bitteren Ende ausgesprochen lauten, redet jetzt niemand. Zumindest in Deutschland nicht.

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In den USA dagegen wird die Frage, was Obamas Sieg damit zu tun haben könnte, dass Rasse immer noch Geschlecht sticht, dagegen lautstark diskutiert. Wer die Begriffe "Hillary Clinton" und "Sexism" googelt erhält über 1,8 Millionen Einträge (wer das gleiche mit dem deutschen "Sexismus" tut bekommt knapp 5.000). Unter den ersten ist Gloria Steinem, die zwei CNN-Moderatoren zur besten Sendezeit fragt, wie es sein könne, dass kein anderer Kandidat der Vorwahlen, außer Hillary Clinton, jemals von Journalisten selbst zum Rücktritt aufgefordert worden sei. Sie erläutert warum Obama seine große Rassismus-Rede bereits im März gehalten hat, Hillary ihre große Sexismus-Rede über "die höchste gläserne Decke der Welt" jedoch erst anlässlich ihres Rücktritts zu halten wagte: "Man hätte sie für larmoyant gehalten."

Fernseh-Reporterin Katie Courie, ihres Zeichens erste Chefin einer Prime-Time-Nachrichtensendung auf CBS, konstatiert angesichts der Causa Clinton unumwunden, dass "Sexismus in der amerikanischen Gesellschaft verbreiteter, akzeptierter und verzeihlicher ist als Rassismus". Und der bekannte Blogger Tom Watson stellt fest: "Obamas Durchbruch sagt etwas Wunderbares über den Stand unserer Rassenpolitik aus. Aber sein Schweigen angesichts des zynischen medialen Lynchmords von Hillary Clinton durch eine Pressemeute, die besessen von ihrem Geschlecht ist, spricht ebenfalls Bände."

Die National Organization for Women (NOW) hatte schon im Frühjahr 2008 eine Petition ins Netz gestellt: "Verlangt Substanz – NICHT Sexismus!: Die Unterzeichner fordern, dass die Medien es unterlassen, Geschlechterstereotype zu verwenden und so Senator Clintons Kandidatur zu trivialisieren."

Viele Clinton-AnhängerInnen halten noch Mitte August die Schlacht um die Kandidatur, die formal erst mit dem Delegiertenparteitag vom 25. bis 28. August in Denver entschieden wird, noch nicht für geschlagen. Was wohl leider unrealistisch ist. Aber verständlich.

Denn nicht nur die Clinton-AnhängerInnen aus Florida und Michigan, die Anfang Juni in Washington vor dem "Regelausschuss" der Demokraten dafür protestierten, dass auch ihre Stimmen für den Delegiertenparteitag gezählt werden (Foto), sind stocksauer. Hätte nämlich der Ausschuss der Demokraten die Stimmen der beiden Bundesstaaten – die mit der Aberkennung der Hälfte ihrer Stimmen wegen eines Verstoßes gegen das Wahlprozedere, nämlich einen zu frühen Wahltermin, bestraft wurden – voll gezählt, hätte Hillary mit 17.855.697 Stimmen die Mehrheit errungen (Obama: 17.583.437). "Illegitimate" steht deshalb über den Obama-Fotos, mit denen die Kampagne "18 Million Votes" für eine "offene Wahl mit Hillary auf dem Stimmzettel" wirbt.

Hillary hält am 26. August eine Rede zum 88. Geburtstag des Frauenwahlrechts. Zehntausende Frauen wollen das Jubiläum mit einem "Marsch auf Denver" feiern: Am 26. August 1920 erhielten die Amerikanerinnen das "suffrage" – ein halbes Jahrhundert nach den Schwarzen (Männern).

Übrigens: Wer bei Google die Begriffe "Barack Obama" und "Racism" eingibt, bekommt 3,3 Millionen Einträge. Doppelt so viele wie Hillary Clinton.

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