Simorgh wird gerettet!

Theatermacherinnen Monirah Hashemi, Zainab Qadiri und Massouma Adell mit Alice Schwarzer in Berlin. - Foto: Bettina Flitner
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Seit drei Monaten heiße ich Azar“, sagt die Frau, die in einer blauen Burka auf dem Teppich sitzt. Das Stoffgefängnis trägt sie, damit sie in diesem Film unerkannt bleibt. Denn seit der Machtübernahme der Taliban ist Azar, die eigentlich anders heißt, in Lebensgefahr und muss sich verstecken. „Jetzt bin ich in diesem Haus eingesperrt. Wann werde ich mich wieder wie ein Mensch, wie eine Frau, wie ein freies Wesen bewegen können?“ fragt sie.

Die verzweifelte Frau ist eine von zwölf Schauspielerinnen des Simorgh-Theaters, das 2005 in Herat gegründet wurde. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer standen zusammen auf der Bühne, saßen zusammen im Zuschauerraum. Sie gaben Workshops für Mädchen und spielten vor Frauen im Gefängnis, sie gaben Gastspiele in Schweden, Indien und der Türkei. Es war schon vor den Taliban ein todesmutiges Projekt.

Im August 2021 mussten die Theatermacherinnen abtauchen. Doch sie machten weiter. In ihren Verstecken filmten sich die zwölf Frauen des Simorgh-Theaters mit ihren Handys. Daraus entstand der Film „Das fünfte Rad“, der an diesem Abend im Rahmen der Afghanistan-Konferenz in der französischen Botschaft gezeigt wird. Der Titel stammt aus einem Brecht-Text zum Thema Flucht und Exil, den die Schauspielerinnen im Film als roten Faden verwenden.

Und als nach 35 Minuten das Licht im Saal wieder angeht, sitzen zwei der zwölf Afghaninnen aus dem Film auf der Bühne in Berlin: Zainab Qadiri und Massouma Adell haben es geschafft! Sie konnten fliehen und sind nun in Deutschland. Ebenfalls dabei: Monirah Hashemi, Mitgründerin des Simorgh-Theaters, die schon 2013 nach Schweden floh.

„Der Film zeigt nur einen kleinen Teil von dem, was wir durchgemacht haben“, erzählt Massouma. Und Zainab erklärt: „Ich fühle Verantwortung für all die Frauen, die zurückgeblieben sind. Ich möchte diesen Frauen eine Stimme geben.

Dass Zainab Qadiri und Massouma Adell jetzt in Sicherheit sind, ist einem siebenköpfigen Team zu verdanken, zu dem die TheatermacherInnen Robert Schuster und Uta Plate gehören. Schuster, heute Professor an der Ernst-Busch-Schauspielschule, hatte 2016 die Kula-Compagnie gegründet. In dem internationalen Theater-Projekt kamen bisher SchauspielerInnen aus elf Ländern zusammen. Es war Robert Schuster, der den Simorgh-Film produzierte und nach Deutschland brachte. Und er trommelte die Gruppe zusammen, die jetzt dabei ist, die zwölf Afghaninnen nach Deutschland zu holen. Ihr Konzept: Studienplätze, Arbeitsmöglichkeiten und Stipendien für diese Frauen, die nicht auf der deutschen Liste der Ortskräfte standen, zu organisieren, um legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen.

„Damit können wir das Auswärtige Amt überzeugen, dass sie kommen dürfen“, erklärt Theaterpädagogin und Regisseurin Uta Plate dem Publikum. Bei Zainab, Massouma und vier weiteren ist das schon gelungen. Aber acht Frauen warten in ihren Kellerverstecken noch auf Rettung. „Wir versorgen die Frauen aus der Ferne mit Prepaid-Karten und mit Geld zum Überleben“, erklärt Plate. Geld braucht es auch für Visa, Flüge und Deutschkurse. Sie suchen Wohnraum für die Frauen und Verstärkung für das Team. „Wir machen erst eine Feier, wenn alle zwölf es geschafft haben.“

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