Scharia-Anhängerin mischt mit!

Linda Sarsour befürwortet die Scharia - und hat den Women's March mitorganisiert.
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Ich lebe in Washington und hatte von Anfang an vor, an den Protesten teilzunehmen. Donald Trumps Präsidentschaft und was sie für Amerika und für die demokratische Welt bedeutet, verlangt nach solchen Schritten. Aber die unzähligen Versuche, die Agenda des Frauenmarsches zu unterwandern, das schreckliche Hin und Her zwischen Weiß gegen Schwarz/Queer/Muslimisch oder Trans, zeigt auf sehr verstörende Weise, wie es um den Feminismus steht. Die spalterische, nach innen gewandte Politik, die Trump zur Macht verholfen und Clinton ins Abseits getrieben hat, ist nicht verschwunden. Im Gegenteil: Sie hat sich noch stärker verankern können.

Und als wäre das noch nicht genug, haben sich die Organisatorinnen der Frauenmärsche daran abgearbeitet, die Unterschiede zwischen Frauen hervorzuheben – anstatt auf ihre Gemeinsamkeiten als Bürgerinnen zu setzen. Besuchen Sie doch mal die offizielle Facebook-Seite des Women’s March oder die von ähnlichen Veranstaltungen und lesen Sie die Online-Diskussionen. Dort werden Sie, inmitten von Enthusiasmus und Begeisterung, Zeugin eines ungefilterten und unerquicklichen Spektakels: Frauen gehen auf Frauen los, nicht etwa wegen deren Charaktereigenschaften, sondern wegen deren Hautfarbe, deren Geschlechtsidentität, deren Herkunft oder deren Religionszugehörigkeit.

Die New York Times zum Beispiel hat über eine weiße Pfarrerin aus South Carolina berichtet, die in ihrer Heimat verfolgt wird, weil sie Homosexuelle verheiratet hat. Sie wollte gar nicht erst an dem Marsch teilnehmen. Denn sie fühlte sich nicht mehr willkommen, nachdem man sie verhöhnt hatte, weil ihr angeblich erst nach Trumps Wahlerfolg bewusst geworden wäre, wie schlimm der Rassismus gegen schwarze Frauen ist. Und sie war nicht die einzige, die über die ständigen Empfehlungen, doch mal „die eigenen Privilegien zu checken“ verärgert war – oder über noch beleidigendere Versionen solch überkritischer Phrasen.

In einer anderen Story porträtierte der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Black-Lives-Matter-Aktivistin aus Minnesota, die erklärte, dass auch sie skeptisch sei, ob sie auf den Marsch gehen solle. Denn „vieles, was sie in den Sozialen Medien gesehen hätte, würde sich nur darum drehen, dass weiße Frauen beleidigt sind, weil sie ­ihren Kopf nicht durchsetzen können“.

Und auf Twitter schäumte eine Frau: „Sollte das nicht lieber ‚White Women’s March on Washington‘ heißen?“ Und fügte noch hinzu: „Meine Solidaritäts-Sensoren stehen auf: Echt nicht! Ich bin doch nicht Teil einer Bewegung, deren Aushängeschilder WW (Anm. d. Red.: White Women) sind, die schon immer auf BW (Black Women) and WOC (Women of colour) geschissen haben! Bye!“

Es ist bedrückend, dass der alle umfassende, liberale Feminismus, mit dem ich aufgewachsen bin, sich neuerdings auf ein Sammelsurium aus rivalisierenden Opfer-Narrativen beschränkt. Auf zwar gemeinschaftsbezogene, aber dennoch im wesentlichen individuelle Erfahrungen, im ständigen Wettkampf um den Status der schlimmsten Diskriminierung.

Wir brauchen wirklich eine angemessenere Reaktion auf die Wahl eines Mannes, der als Antwort auf die Zersplitterung von Mitte/Links nun seine ganz eigene, wütende, populistische Definition von weißer Identität zelebriert. Können wir also diese Verbalattacken auf Grund von „Privilegien“, „weißem Feminismus“ oder „Intersektionalität“ und auch die Hie­rarchisierung von Missständen angesichts der Gefahr, die Trump für die freie Welt und auch für die Frauen darstellt, nicht hinter uns lassen?

Ein solcher Ansatz bedeutet ja nicht, sich unterscheidende Erfahrungen von Frauen oder die Geschichte von Rassismus unter Frauen zu ignorieren. Sondern, diese Themen auf Basis von Erfahrungen sachlich anzugehen anstatt sich gegenseitig der strukturellen Diskriminierung zu beschuldigen.

Denn trotz grassierender Ungleichheiten in Amerika, findet der Begriff „Klassenzugehörigkeit“ in den Leitlinien des Frauenmarsches in Washington zum Beispiel nicht einmal Erwähnung. Im Gegensatz zu Transfrauen/Jugendlichen/Migranten – die werden gleich sechs Mal genannt.

Ebenso oberflächlich werden strukturelle Ungerechtigkeiten behandelt, die das Leben aller Frauen in Amerika einschränken – unabhängig von Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung. Frauen sind durch die Bank mit gewaltigen Hürden konfrontiert, wenn es um gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt geht oder die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Das Grundsatzpapier der Frauenmärsche fordert so etwas wie das Recht auf landesweit bezahlte Elternzeit für mindestens drei Monate nicht einmal ausdrücklich, sondern beschreibt die Elternzeit eher vage als eine Art „Vorteil“. Im Gegensatz zu der Forderung, dass die Rechte von LGBTQIA Menschenrechte sind.

Auch der dringende Bedarf an guter und bezahlbarer Betreuung von Kleinkindern, an außerschulischen Betreuungsangeboten, an einer flächendeckenden, bezahlbaren vor- und nachgeburtlichen Versorgung für Frauen, kommt konkret nicht vor. Sind denn alle diese feministischen Forderungen völlig nebensächlich geworden? Dabei steigt entgegen weltweiter Trends die Sterblichkeitsrate unter Müttern in den USA wieder an, dem reichsten Land der Welt. Und es trifft übrigens insbesondere die schwarzen Frauen.

Es ist auch merkwürdig, dass die Leit­linien des Frauenmarsches an keiner Stelle die lateinamerikanischen Frauen erwähnen, obwohl sie doch genauso wie die ­armen Afro-­Amerikanerinnen unter den himmelhohen wirtschaftlichen Unterschieden leiden, unter Armut und unter Diskriminierung. Sind sie jetzt durch Transgender und Musliminnen „ersetzt“ worden?

Dabei hat der Islam weder etwas mit Herkunft noch mit Klassenzugehörigkeit zu tun, es handelt sich um eine Religion. Die Musliminnen in Amerika kommen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen. Und sie machen, anders als in Europa, einen großen Teil der amerikanischen Mittelklasse aus.

Und wenn wir schon über religiöse Diskriminierung sprechen, warum werden jüdische Frauen nicht erwähnt? Die jüngsten Untersuchungen zeigen, dass amerikanische Juden als gesellschaftliche Gruppe am stärksten von Hass-Attacken auf Grund ihrer Religion betroffen sind, dass der Anti­semitismus also zunimmt. Viel stärker als der Hass auf Muslime oder Christen.

Gleichzeitig ist die Lebenserwartung von armen, weißen Frauen in den USA gesunken, im Gegensatz zu allen anderen Bevölkerungsgruppen. Aber auch ihre Notlage findet keine konkrete Berücksichtigung.

Der Fokus auf eine bestimmte Haltung bezüglich Religiosität scheint mit einer der Organisatorinnen der Märsche zu tun zu haben, mit Linda Sarsour. Sie ist eine streng gläubige, orthodox-verschleierte muslimische Frau, die für ein fundamentalistisches Weltbild steht, das von Frauen verlangt, sich „sittsam“ zu bedecken. Was wenig mit Gleichberechtigung zu tun hat und eher dem politischen Islam zuzuordnen ist als dem Feminismus. Könnten wir uns eine Perücke tragende, orthodoxe Frau aus einer vergleichbar „Reinheits“-fixierten Kultur vorstellen, die Geschlechterapartheit und die vollständige Bedeckung von Frauen predigt und einen solchen Event anführt? Nein, weil man ihr ja berechtigterweise unterstellen würde, dass sie nicht fortschrittlich, sondern extrem konservativ ist, wenn es um die Rolle von Frauen und ihren Körper geht.

Und warum sehen wir eine streng islamisch verschleierte Frau, also nichtmals eine mit einem einfachen Kopftuch, als Symbol der Proteste? Ja, Trump grenzt Muslime aus. Aber müssen wir uns deswegen auf sein Spiel mit Verallgemeinerungen einlassen? Frauen muslimischer Herkunft sind eine vielfältige Gruppe. Eine solche Darstellung schließt alle die aus, die keinen Schleier tragen. Und das ist in Amerika die Mehrheit! Und was ist mit den verfolgten oder ermordeten Aktivistinnen in Saudi-Arabien oder dem Iran, die die politisiert-religiöse Ideologie bekämpfen, die sich hinter der Verschleierung verbirgt?

Gerade der Women’s March hätte sich auch dafür einsetzen können, dass Frauen, die für Trump gestimmt haben, nicht ge­demütigt werden – vor allem Frauen aus ­gesellschaftlichen Minderheiten, die als ­„Ver­räterinnen“ verunglimpft werden. Die muslimische Reformatorin Asra Nomani zum Beispiel wurde beschimpft, weil sie zugegeben hat, dass sie Trump gewählt hat. Aus Kritik an der Obama-Regierung, was den Umgang mit radikal-islamischen Terroristen und der Gesundheitsvorsorge angeht. Ich teile ihre Einschätzung nicht, und unter Musliminnen ist sie sicherlich eine Seltenheit. Aber mit ihrem Kampf für öffentliche Räume frei von Religion steht sie nicht alleine da.

Wenn es eine Lektion gibt, die wir aus Trumps Wahlerfolg lernen können – zu dem ja besonders die ultra-reaktionären Evangelikalen beigetragen haben – dann diese: Wir brauchen als Oppositions-Bewegung eher weniger als mehr Religion! Oder wie es Obama in seiner Abschiedsrede in Chicago formulierte: Wir müssen uns auf die Ursprünge von Amerika besinnen, auf den Geist der Aufklärung und seinen Glauben an die Vernunft und an die Wissenschaft.

Feminismus in der Ära Trump muss sich auf seinen universellen Kern zurückbesinnen. Und begreifen, dass uns beides nicht zugute kommt: weder eine konservativ-religiöse Kultur der Sittsamkeit, noch die hypersexualisierte Darstellung von Frauen, die der neue Präsident zu bevorzugen scheint.

Emma-Kate Symons

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