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Was ist nur mit den Studentinnen los?

Eine Uni-Professorin schlägt Alarm. Über jede dritte neue Studentin kann sie nur den Kopf schütteln. - Foto: Wavebreakmedia/istock
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Ich bin, nach jahrelanger Verweigerung der Sozialen Medien, seit einigen Monaten auf Insta­gram aktiv. Auf meinem Account @aka­daemlich berichte ich über meine Arbeit als Professorin für Wirtschaftsrecht. Das spült mir viele Geschichten von Studierenden in die Timeline, die mich, obwohl ich vieles gewohnt bin, den Kopf schütteln lassen. Ich staune, wie ungeniert junge Leute merkwürdige Dinge von sich preis­geben und mit welcher Vehemenz sie von Gleichaltrigen verteidigt werden.

Nehmen wir die Jura-Studentin, die nicht zur Prüfung kam, weil sie ihre „Haare machen musste“. Die Prüfung fiel aus. Ich fragte auf Instagram, ob das ein Scherz sei. Nein, es war bierernst. Die Reaktionen auf meinen Kommentar lauteten: „Das ist ihre persönliche Freiheit.“ Oder: „Eine Frau entscheidet selber darüber, wie sie in der Öffentlichkeit erscheinen möchte.“ Oder: „Wenn sie das für ihr Wohlbefinden braucht, dann ist es eben so.“

Mangelnder Einsatz und fehlende Dialogbereitschaft sind schwer aufzulösen

Ich habe darüber und ähnliche Erfahrungen ein ganzes Buch geschrieben. Es heißt „Akadämlich“ und ist voll solcher Geschichten. Nach über 62 Semestern Lehre teile ich nun Studierende in drei Gruppen ein: Ein Drittel kommt ausreichend ausgebildet und leistungswillig an die Hochschule und ist ein Geschenk für jeden Lehrenden. Ein Drittel ist noch unbedarft und orientierungslos und könnte sich in die richtige Richtung entwickeln, wenn wir sie unterstützen. Doch das letzte Drittel ist die Hölle für alle Lehrenden. Es sind junge Leute, die eigentlich schon mit der Immatrikulation ihren Abschluss haben wollen.

In der ersten Gruppe sind immer mehr Frauen als Männer. Sie sind ehrgeiziger, organisierter und arbeitswilliger. Sie kommunizieren und sind meist präsent. Um diese Studentinnen mache ich mir keine Sorgen. Sie wollen und können – und ich kann aus meinen Erfahrungen sagen, dass jede von ihnen auch gefördert wird.

Unangenehmer wird mein Job, wenn ich mich mit den Frauen in den zwei anderen Gruppen beschäftige. Ich sehe immer wieder schon früh am Morgen sehr gut zurechtgemachte Frauen, die zwar in der Vorlesung sitzen, aber sich selten bis gar nicht melden und ablehnend reagieren, wenn ich sie anspreche. Sie wollen nicht, sie versuchen es nicht einmal. Mangelnder Einsatz und fehlende Dialogbereitschaft sind schwierig aufzu­lösen. 

In fast jeder Vorlesung wiederhole ich am Anfang den Inhalt der letzten, indem ich Fragen stelle. In einer Vorlesung habe ich drei Wochen hintereinander einer Studentin eine dieser Wiederholungsfragen gestellt. Sie war mir aufgefallen, weil sie nie mitschrieb. Sie konnte mir die ganzen drei Wochen über keine einzige Antwort geben. Ich wollte also von ihr wissen, welchen Sinn sie im Besuch von Vorlesungen sieht. Das kam für sie unerwartet. Ihre Antwort: „Na ja, soll man ja so machen, oder?“ 

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Ich gab ihr grundsätzlich recht. „Aber warum denn genau? Welchen Sinn haben Vorlesungen, wenn Sie dem Inhalt nicht folgen? Seit drei Wochen können Sie auf keine meiner Fragen zur letzten Woche antworten.“ „Das stimmt nicht. Das behaupten Sie doch jetzt einfach so“, erwiderte sie. Ich: „Sie sitzen jetzt in der insgesamt vierten Woche immer auf demselben Platz, letzte Woche haben Sie ein weißes Hemd getragen, und davor hatten Sie ein lila T-Shirt mit einer Stones-Zunge an. Genügt es Ihnen als Nachweis, dass ich weiß, wer Sie sind und wie Ihr bisheriges Arbeitsverhalten war?“ 

Ich hatte gehofft, sie aus der Reserve zu locken. Ich war gespannt, wie sie reagieren würde und habe auf Widerspruch und Diskussion gewartet. Die Reaktion war, dass die junge Frau zu ihrem Smartphone griff und wütend darauf herumtippte. Das direkte Gespräch war für sie keine Option, weder in der konkreten Situation noch nach der Vorlesung. 

Eine andere Frau, nach meiner Vermutung eine Kollegin von mir, schrieb mir auf Instagram hinterher, sinnvoller wäre ein wertschätzendes und respektvolles Gespräch gewesen. Aber mir fehle es dazu wohl an emotionaler Intelligenz. Auch hier zeichnet sich ein immer wiederkehrendes Muster ab: Die jungen Menschen, die es doch ach so schwer haben, werden verteidigt, obwohl sie es sind, die Fehler begehen. Langzeitstudierende erklären ihr Leben als „emanzipierte Selbstverwirklichung“ und werden darin auf Social Media noch bestärkt. Besonders verwundert bin ich auch, wenn Eltern bei uns Professoren anrufen und fragen, warum „das Kind“ denn noch immer keinen Abschluss habe.

Ich berichte hier nur von der Spitze des Eisbergs. Ich bin eine Professorin von Hunderten. Nur sage ich es offen: Deutschland ist konfrontiert mit lethargischen, handysüchtigen und kommunikationsarmen jungen Menschen, die lieber noch eine Stunde am Smartphone sind als zu lernen. Mein Vorwurf der Ignoranz und Lethargie ist nicht auf ein Geschlecht bezogen, aber wenn es bei den Studentinnen etwas gibt, was ich öfter und schneller sehe und was ich ausgesprochen bedauerlich finde, ist es: die fehlende Mitarbeit, das viel zu schnelle Aufgeben im Gespräch und bisweilen eine echte Abwehr jeg­licher Anstrengung. Die jungen Frauen lassen sich nicht nur schnell von Beiträgen der Männer verdrängen, sie gehen gar nicht erst rein in die intellektuelle Auseinandersetzung oder verweigern schon von Anfang an, sich dem Wettbewerb zu stellen. 

Die jungen Frauen gehen gar nicht erst in die Auseinandersetzung hinein

Bestimmt gibt es jetzt etliche Menschen, die mir erklären wollen, welche patriarchalen Strukturen daran mitwirken, dass es so ist. Ich weiß nicht so recht. Es sind dieselben Frauen im selben Umfeld, die sonst einen souveränen Eindruck vermitteln. Es ist eine seltsame Diskrepanz zwischen dem selbstbewussten Aussehen und einer massiven Zurückhaltung, inhaltlichen Verweigerung oder Reserviertheit im Studium. 

Eine weitere Diskrepanz zeigt sich beim Auftritt in den Sozialen Medien. Etliche junge Leute berichten von ihren Leiden im Studium. Bei den Männern sind diese Videos durchweg inhaltlich, manchmal sogar komisch und der Student ist in einem normalen Umfeld zu sehen. Die Studen­tinnen hingegen sind gestylt oder gerade beim ­Stylen und sehr, sehr häufig sind entsprechende Ganzkörperaufnahmen zu sehen.

Eine letzte Geschichte dazu. Es wurde mir auf Instagram wieder ein Video einer jungen Frau in meine Timeline gespült. Ihr Text war lustig: „Seit ich Jura studiere, denke ich bei jedem Kaufvertrag darüber nach, ob eine Anfechtung möglich ist.“ Ihr Video dazu war schräg, denn sie stand vor ihrer Kamera und präsentierte ihren Körper von vorne, von der Seite und von hinten in engen Klamotten. Ich habe kommentiert, ich konnte nicht anders: „Die meisten Kaufverträge sind nicht anfechtbar, aber warum präsentieren Sie diese Frage mit einer Show ihres Körpers?“ Ihre Antwort: „So was nennt man Content, Frau Professor“. Ich entgegnete: „Oder wir nennen es die Reduktion Ihrer Inhalte auf weibliche Attribute.“ Danach wurde ich von ihr blockiert.    

 

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