Topsy Küppers: Täglich Kopfstand

Foto: Lukas Beck
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Topsy Küppers beginnt jeden Tag mit einem Yoga-­Kopfstand. Shirshasana heißt die Übung, bei der man sich ganz langsam und konzentriert hochzieht. „Und dann darf man auf keinen Fall herunterfallen wie ein Kartoffelsack“, sagt die 90­-Jährige. Die Künstlerin weiß, wovon sie spricht, denn Shirshasana praktiziert sie seit 1960. „Dem Kopfstand habe ich zu verdanken, dass ich keine Hörgeräte und keine Brille brauche“, sagt Küppers. „Weil alles so stark durchblutet ist. Auch für die Stimme ist es wunderbar.“

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Seit einigen Jahren lebt Küppers in einer Wohnung des Wiener Maimonides ­Zentrums, einem Seniorenheim der Israelitischen Kultusgemeinde. Im August 2021 feierte sie ihren 90. Geburtstag, davor kam ihr neues Buch „Nix wie Zores“ heraus, das von Begegnungen mit jüdischen Menschen erzählt.

Küppers wurde 1931 in Aachen geboren. Ihre alleinerziehende Mutter arbeitete als Buchhalterin, die Großmutter kümmerte sich tagsüber um ihre Enkelin. An die beiden Frauen hat Küppers nur die besten Erinnerungen. „Gemeinsam sind wir durch alle Wirrnisse gekommen: Krieg, Lager, Flucht.“ Und die Großmutter gab ihr einen wichtigen Satz mit auf den Weg: „Vorurteil is a Loch im Kopf von Blede.“

Topsy Küppers war eineinhalb, als Hitler an die Macht kam. Über ein Jahr musste sich die Familie gegen Kriegsende in einem holländischen Keller verstecken. Topsys Vater war jüdisch und die Familie somit verfolgt. Anfang 1945 wurden sie befreit und kamen in ein Lager für Displaced Per­sons. Über diese Zeit spricht Küppers nicht gern. „Auch heute erleben junge Menschen manchmal furchtbare Sachen“, meint sie. „Ich will da kein großes Tamtam machen.“

Schon als Kind bekam Küppers Ballett ­unterricht. Später absolvierte sie eine Schauspiel­ ausbildung, trat am Theater und als Chansonnière auf. Ende der 1950er lernte sie den österreichischen Komponisten und Kabarettisten Georg Kreisler kennen. Sie heirateten und zogen nach Wien, 1965 nahm Küppers die österreichische Staatsbürger­ schaft an. Auch künstlerisch waren sie ein Paar. Kreisler spielte Klavier, Küppers sang. Ihr erfolg­reichstes Stück sollte „Heute Abend: Lola Blau“ werden, 1971 uraufgeführt. In Liedern erzählt das Ein­-Personen­Stück die Geschichte einer jüdischen Künstlerin, die vor den Nazis flüchten musste. Mehr als tausend Mal stand Küppers als Lola Blau auf der Bühne. 1976 ging die Beziehung mit einem Mal zu Ende. Küppers und Kreisler hat­ ten zwar beschlossen, gemeinsam ein Theater zu eröffnen, doch eines Morgens ließ er sie wissen: „Übrigens, ich mache nicht mit.“ Die Trennung war schmerzhaft. Aber Küppers setzte das Vorhaben allein um. 1976 eröffnete sie die „Freie Bühne Wie­den“ im vierten Wiener Gemeindebezirk, die sie bis 2001 leitete.

Auf der „Freien Bühne Wieden“ brachte Küppers Werke jüdischer Autoren zur Aufführung. Es war ihr ein Anliegen, dass es einen Ort in der Stadt gab, der dieser Literatur gewidmet war. Ihr zweiter Ehemann, Carlos Springer, achtete darauf, dass keine ungebetenen Gäste ins Theater kamen. Als eines Tages Besoffene aus einem Parteilokal der rechts­ populistischen FPÖ Randale machen wollten, beförderte er sie wieder hinaus. „Eine Woche später war die ganze Theaterauslage mit Scheiße beschmiert“, erzählt Küppers. Heulend nahm sie Bürste und Kübel und begann mit der Reinigung. „Just kam ein alter jüdischer Herr vorbei. ‚Mädele, was weinste‘, sagte er kopfschüttelnd. ‚Hamma nicht Schlimmeres erlebt?‘ Und ich war geheilt.“

Bei dieser Geschichte müsse sie immer an all die vielen Menschen im Maimonides­Zentrum denken, die durch die Hölle gegangen sind, sagt Küppers. Sie beobachte, dass einige von ihnen im hohen Alter fromm geworden seien. Sie selbst halte sich an einen ihrer Lieblingsautoren, den Schriftsteller Isaac Bashevis Singer. „Als er den Nobelpreis bekam, fragte man ihn: ‚Sie wurden zum Rabbiner erzogen, sind Sie fromm?‘ Und er hat gesagt: ‚Ich bin nicht fromm, aber ich bete jeden Tag.‘“ Das sei auch ihre Antwort auf die Frage nach dem Glauben. „Ich sage jeden Tag danke. Dass ich mich so bewegen kann und arbeiten darf.“

STEFANIE PANZENBÖCK

Weiterlesen: Topsy Küppers: Nix wie Zores! Jüdisches Leben und Lieben (edition a, 20 €)

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