Trans- oder homosexuell?

Der Endokrinologe Roy Eappen sieht Parallelen zu früheren Versuchen, Homosexualität zu „heilen“.
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Als Mediziner, der homosexuell ist, habe ich am 15. Dezember 2023 den 50. Jahrestag der Entscheidung der „American Psychiatric Association“ (APA) gefeiert, Homosexualität von der Liste der Geisteskrankheiten zu streichen. Diese jahrzehntelange Kategorisierung basierte auf Vorurteilen, nicht auf medizinischer Forschung. Die Änderung bedeutete den Anfang vom Ende der so genannten Konversionstherapie, die Schwule und Lesben von einer nicht existierenden Krankheit "heilen" sollte.

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Doch ein halbes Jahrhundert später propagiert nun das medizinische Establishment eine neue Art von Konversionstherapie, unter dem Deckmantel der Transgender-Identität. In den USA und in Kanada, wo ich praktiziere, wird PatientInnen ab dem achten Lebensjahr eine Behandlung angeboten, die euphemistisch als „gender affirming care“ bezeichnet wird. Und der führende Verband für Transgender-Gesundheit hat gerade die Tür für Eingriffe in noch jüngerem Alter geöffnet.

Sind feminine Jungen und maskuline Mädchen wirklich "im falschen Körper"?

Kinder, die sich mit ihrem Körper unwohl fühlen, können demnach eine medizinische Behandlung bekommen, die mit Pubertätsblockern beginnt und weitergeht mit gegengeschlechtlichen Hormonen und „geschlechtsangleichenden“ Operationen. Diese Eingriffe verändern irreversibel die sexuelle Entwicklung, die Genitalien und die sekundären Geschlechtsmerkmale.

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Jeder Endokrinologe oder andere Arzt, der diesen Ansatz ablehnt, gefährdet angeblich die Gesundheit und sogar das Leben seiner PatientInnen. Aber sind diese PatientInnen wirklich "transgender"?

Die Forschung zeigt, dass etwa 80 Prozent der Kinder mit angeblicher "Geschlechtsdysphorie" letztendlich mit ihrem biologischen Geschlecht zurechtkommen - ohne pharmazeutische oder chirurgische Eingriffe. Mehrere Studien haben ergeben, dass die meisten Kinder, die wegen ihres Geschlechts verwirrt oder verzweifelt sind, am Ende erkennen, dass sie schwul oder lesbisch sind - in einer Studie von 2021 mit Jungen waren es zwei Drittel.

Das macht Sinn: Homosexuelle Jugendliche erfüllen schließlich oft nicht die traditionellen Geschlechterrollen. Die Gender-Ideologie aber behauptet, dass feminine Jungen und maskuline Mädchen "im falschen Körper geboren" seien. So gesehen ähnelt die "gender affirming care" einer Konversionstherapie. In der Vergangenheit wurden solche „Therapien“ mit Elektroschocks, chemischer Kastration und sogar Lobotomie durchgeführt. Heute werden vorgeblich solche Teenager als „transsexuell“ lebenslang unfruchtbar gemacht , ihre Sexualität wird zerstört.

Früher wurden Homosexuelle mit Elektroschocks oder Lobotomien "geheilt"

MitarbeiterInnen der britischen Tavistock-Klinik (deren „Gender Identity Development Service“ jüngst wegen verantwortungsloser Methoden geschlossen wurde, Anm.d.Red,) bezeichnen den Einsatz von Pubertätsblockern als "Transing the gay away" („das Homosexuelle wegtransitionieren“) - eine Anspielung auf die alte Konversionstherapie, die Kritiker als "praying the gay away" („das Homosexuelle wegpredigen“) bespöttelten. Ein Mediziner, der den „Gender Identity Development Service“ (GIDS) der Tavistock-Klinik verließ, beschuldigte diesen der "institutionellen Homophobie". Unter den Ärzten kursierte der makabere Witz, dass "keine homosexuellen Menschen übrigbleiben würden, wenn GIDS so weitermacht".

Genau wie bei der traditionellen Konversionstherapie erklären MedizinerInnen, die junge Schwulen und Lesben „transitionieren“, es stimme mit ihnen etwas nicht. Sie tun das auf der Basis einer reaktionären Auffassung davon, was „Männlichkeit“ oder „Weiblichkeit“ sei. Das ist eine weitere Parallele zu den früheren Versuchen, Homosexualität zu „heilen“.

"Wenn die GIDS so weitermacht, gibt es bald keine Homosexuellen mehr"

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Die aus der Transition resultierenden Eingriffe führen bei den Behandelten oft zu lebenslangen medizinischen Problemen, körperlichen wie psychischen. Kinder und Jugendliche, die diesen Weg einschlagen, haben oft ein Leben lang mit Schmerzen, Ängsten und Unfruchtbarkeit zu kämpfen. Sie benötigten statt der Transition eine echte psychosoziale Begleitung, die die der Geschlechtsirritation häufig zugrundeliegenden eigentlichen Erkrankungen behandelt - statt medizinischer Eingriffe, die versuchen, sie zu etwas zu machen, was sie nicht sind.

Heute wird der Gesellschaft erklärt, die Akzeptanz einer „Trans-Identität“ sei dasselbe wie die Akzeptanz homosexueller Menschen. Letzteres ist aber in Wahrheit nicht der Fall. Eines fernen Tages werden vielleicht professionelle Organisationen wie die „Endocrine Society“ und die „American Academy of Pediatrics“ den Fakten folgen, wie es die APA 1973 tat. Bis dahin werden homosexuelle Menschen weiterhin unter einer Ungerechtigkeit leiden, die eigentlich schon vor 50 Jahren beendet werden sollte.

ROY EAPPEN

Der Autor arbeitet als Endokrinologe in Montreal und engagiert sich bei der Initiative „Do No Harm“. Studien, auf die Eappen sich beruft:
Singh, Bradley, Zucker: Follow-Up Study of Boys with Gender Identity Disorder.
Wallien, Cohen-Kettenis: Psychosexuell Outcome of Gender-Dysphoric children.
Steensma, McGuire, Kreukels, Beekman, Cohen-Kettenis: Factors Associated With Desistence and Persistence of Childhood Gender Dysphoria: A Quantitative Follow-Up Study.

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