Trans-Gesetz: Und die Frauen?

Wer als TERF diffamiert wird, darf nicht sprechen. Hier ein Protest in London.
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Ironie der Geschichte: Einst sind wir Feministinnen angetreten mit dem Ziel, dass das biologische Geschlecht (Sex) nicht länger die soziale Rolle (Gender) definiert, als Frau bzw. Mann. Sondern dass biologische Frauen wie Männer die Rolle abschütteln und einfach Mensch sein können. Männer sollten auch weinen dürfen und fürsorgliche Väter sein können, Frauen Fußball spielen und nicht länger „Rabenmütter“ sein. Hand in Hand damit ging die Infragestellung des Monopols der (Zwangs)Heterosexualität und die Gleichstellung von Hetero- und Homosexualität. Wir haben damit eine halbe Kulturrevolution ausgelöst.

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Eine halbe. Denn jetzt kommt der Backlash und wird das krasse Gegenteil als „fortschrittlich“ deklariert: Die soziale Rolle soll die biologische definieren. Ein Mädchen, das gerne Fußball spielt oder mit der besten Freundin knutscht, die kann ja nur ein Mann sein. Und ein Junge, der sich schminkt und fürsorglich ist, der muss dann wohl eine Frau sein. Dazwischen gibt es bei den TransideologInnen nichts. Entweder - oder.

Die Transideologie ist also eigentlich das Gegenteil von „nicht binär“, dieser Weigerung, sich als das eine oder das andere zu definieren - jedoch ebenfalls bei gleichzeitiger Tendenz, sich festzulegen. So lassen sich zum Beispiel manche Mädchen, die sich als „Nicht-binär definieren“, die Brüste amputieren. Die sind ihnen zu „weiblich“. Lassen sich auch nicht binäre Jungen den Körper „neutralisieren“? Zum Beispiel den Penis amputieren? Man weiß es nicht. Es ist bisher nicht im Gespräch.

Einst sind wir Feministinnen angetreten mit dem Ziel, einfach Mensch sein können

An dieser Stelle sei angemerkt: Feministinnen wie ich waren selbstverständlich von Anfang an, in meinem Fall seit 1983!, für das Recht, juristisch und sozial das Geschlecht wechseln zu können. Und zwar im Fall der extremen Minderheit, die sich so unwohl fühlt in ihrem Geschlechtskörper, ja tief darüber verstört ist, dass er oder sie notfalls bis zur Selbstverstümmelung gehen würde. Das waren in den 90er Jahren aktenkundig rund 1.000 Menschen in ganz Deutschland. Mögen es heute aufgrund des liberaleren Klimas zehnmal so viele sein. Sie brauchen auf jeden Fall Verständnis und eine klare, bessere Rechtsgrundlage, also eine Gesetzesreform.

Doch um sie geht es bei unserer Kritik an der Transideologie nicht. Im Gegenteil. Es geht um die Hunderttausende junger Menschen, vor allem junger Mädchen, im Gendertrouble, die heute in der ganzen westlichen Welt erklären, sie seien „transsexuell“. Und überhaupt gäbe es „ganz viele biologische Geschlechter“, nicht nur zwei.

Doch es ist keine Ansichtssache, sondern eine unverrückbare wissenschaftliche Tatsache, dass es rein biologisch nur zwei Geschlechter gibt: das weibliche und das männliche. Wenn daraus auch keineswegs automatisch die Geschlechterrollen resultieren, die gerade wir Feministinnen schon seit einem halben Jahrhundert und mehr abschaffen wollen. Wohlgemerkt, die kulturellen und sozialen Rollen, nicht das biologische Geschlecht. Denn das ist eine unverrückbare Tatsache, und daran kann auch der Versuch einer äußerlichen körperlichen Annäherung an das andere Geschlecht - durch Hormongaben oder Brustamputationen bzw. Genitalverstümmelungen - nichts ändern.

Unverrückbare wissenschaftliche Tatsache: rein biologisch gibt es zwei Geschlechter

Wenn die Transfrau, die biologisch ein Mann ist, Prostatakrebs bekommt, muss sie zum Urologen. Wenn der Transmann, der biologisch eine Frau ist, Gebärmutterkrebs bekommt, muss er zur Gynäkologin. Das sieht sogar der jetzt vorliegende 69 Seiten umfassende „Referentenentwurf“ zur „Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtereintrag“, aus den Häusern der Frauenministerin (Grüne) und des Justizministers (FDP), ein.

Doch gibt es da eine gewisse Tendenz, es vor allem den selbsterklärten Frauen leicht, zu leicht zu machen. Die sollen in Zukunft einen quasi uneingeschränkten Zugang zu Frauenquoten-Plätzen haben. Denn das „im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht“ zählt (Womit die Quote endgültig obsolet ist, meine Damen).

Alice Schwarzer/Chantal Louis (Hrsg.): Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift. (KiWi)
Alice Schwarzer/Chantal Louis (Hrsg.): Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift. (KiWi)

Doch da man in anderen Ländern schon Erfahrung mit solchen Schlaumeiern gemacht hat, soll man immerhin im „Verteidigungsfall“, also bei Zwangsrekrutierungen (wie jetzt in Russland oder der Ukraine) nicht so ganz plötzlich das Geschlecht wechseln können. Der Justizminister befindet, man solle nur bis zu zwei Monaten vor Eintreten des Ernstfalles das Geschlecht wechseln können.

Aha. Wenn es im Interesse des Staates ist, werden die denkbar fragwürdigen Motive des Geschlechterwechsels sowie die Unentrinnbarkeit aus dem biologischen Geschlecht also durchaus realistisch eingeschätzt.

In den vergangenen Monaten ist darum zu Recht vor allem über die Gefährdung von Frauendomänen durch so ein Gesetz diskutiert worden, wie Sport, Frauensaunen etc., und Frauenschutzräume, wie Frauenhäuser, Frauengefängnisse etc. Nach der massiven Kritik von allen Seiten knickt der Referentenentwurf darum in Relation zum ursprünglich geplanten nun doch leicht ein. Leicht.

Problem: Mit dem Gesetz würde die Kategorie „Geschlecht“ juristisch abgeschafft

Das alles ist ernst, sehr ernst. Doch es ist nur die Folge des größten Problems bei dem geplanten Gesetz - oder sollte man sagen: des flammenden Wahnsinns? - den so eine Reform als „Recht“ festschreiben würde. Denn im Kern würde damit die Kategorie „Geschlecht“ juristisch abgeschafft - obwohl sie gleichzeitig biologisch wie sozial Realität bliebe.

Geschlechtergerechte Forschungen und Maßnahmen wären zum Beispiel im Gesundheitswesen nicht mehr möglich, Stichwort Gendermedizin, da die statistischen Grundlagen entfielen. Denn die Eintragung im Personenstandsregister entspräche nicht immer den biologischen Tatsachen. Oder die Verbrechensstatistiken: Die Zahl der „weiblichen“ Sexualverbrecher würde sich schlagartig erhöhen und die Ursachen der spezifisch männlichen Gewalt könnte nicht mehr erfasst und bekämpft werden.

Von der Frauenförderung in allen gesellschaftlichen Domänen ganz zu schweigen. Denn die Kategorie Frau wäre ja fortan beliebig und von jedem Mann besetzbar. Biologische Frauen würden verdeckt von Transfrauen. Juristisch gesehen. Gleichzeitig bliebe die biologische und soziale Zuordnung für eine überwältigende Mehrheit der biologischen Frauen Realität. Und das nicht nur in Afghanistan. Denn selbst wenn das biologische Geschlecht tatsachlich gesellschaftlich (fast) keine Rolle mehr spielen würde - was wunderbar wäre! - blieben einige unverrückbare körperliche Tatsachen, wie die Zeugungs- bzw. Gebärfähigkeit.

Die Kategorie Frau wäre fortan beliebig und von jedem Mann besetzbar

Und dann ist da noch ein sehr heikler Punkt: nämlich die unerhörte Verantwortungslosigkeit gegenüber den Mädchen, die in Zeiten des zunehmenden Gendertrouble die Hauptklientel für den dann so leicht gemachten, unhinterfragten Geschlechterwechsel wären (acht von zehn). Der Gesetzesentwurf wagt es tatsächlich, für den „Geschlechtswechsel“ das Alter von 14(!) Jahren, also dem Höhepunkt der Pubertät, festschreiben zu wollen.

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Schon die Jugendlichen sollen also mitten im Gendertrouble locker das Geschlecht wechseln können, qua simpler Erklärung beim Standesamt. Winzige Einschränkung: das erforderliche Einverständnis der Eltern bei Minderjährigen. Doch sollten die sich querstellen, entscheidet das Familiengericht.

Und nun kommt es noch toller. Bei einem Kind unter 14 Jahren sollen zukünftig die Erziehungsberechtigten für das Kind beim Standesamt die Erklärung abgeben können: Dieser Junge ist in Wahrheit ein Mädchen bzw. dieses Mädchen ist ein Junge. Wie schön. Endlich hat Mama dann die Tochter, die sie sich immer schon gewünscht hat. Und endlich hat Papa den Sohn, mit dem er Eisenbahn spielen kann.

Nein, dieser Gesetzesentwurf ist sehr, sehr weit davon entfernt, etwas von „Geschlechtsidentität“ zu verstehen und von der Realität schon gar nicht. Er ist eine ideologische Kopfgeburt. Sollte er wirklich Gesetz werden und nicht vorher von Ausschüssen und ExpertInnen oder allerspätestens vom Verfassungsgericht gestoppt werden - wovon ich ausgehe -, würde er zu einer gesellschaftlichen Bombe, die bei den Menschen, allen voran den Mädchen und Frauen, schwere seelische, körperliche und soziale Schäden anrichten wird.

ALICE SCHWARZER

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Alice Schwarzer/Chantal Louis (Hrsg.): Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? Eine Streitschrift. (KiWi) 
Alice Schwarzer: Der kleine Unterschied und seine großen Folgen (Fischer).

 

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