Alleine Reisen. Wann. Wie. Wohin

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Wenn eine eine Reise tut, dann kann sie bekanntlich was erleben. Als die Autorin dieses Textes beispielsweise letzten Sommer allein nach Südfrankreich unterwegs war und am Rastplatz in ihrem Auto ein kleines Nickerchen machte, wachte sie davon auf, dass ein Franzose lautstark an ihre Scheibe hämmerte und mit ihr „ön Kaffee“ trinken wollte. Auf die verpennt-unwillig hervorgestoßenen Flüche reagierte der Franzose mit verständnislosem „Ke-a-la- Madmosell?“ -Schulterzucken. Am Urlaubsort angekommen, verbringt die Urlauberin ihren ersten Tag an einem idyllischen Wasserfall. Dort wird sie von einem belgischen Miturlauber zugelabert, um nach dessen heiß ersehntem Fortgang einen anderen Urlauber weiter oberhalb beim Onanieren zu entdecken. Der Nachmittag ist gelaufen.

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Eine Frau allein auf Reisen. Die Mängelliste, die allein reisende Frauen aufstellen könnten, wäre zu ergänzen um: Zuweisung des Katzentisches im Hotel, das ohnehin schon einen atemberaubenden Einzelzimmerzuschlag erhoben hat. Exorbitant hohes Paar-Aufkommen, was die Kontaktaufnahme mit den MiturlauberInnen nicht eben leichter macht.

In Reisegruppen obligatorisches Auftreten eines (fast immer männlichen) Klugscheißers, wenn nicht gar der Reiseleiter selber einer ist. Hinzu kommt die Abwesenheit weiblicher Gottheiten, Regenten, Dichter und Denker bei Führungen und Studienreisen. Haben wir noch was vergessen?

Es war Letzteres, das Eva Veith vor rund 20 Jahren so sehr nervte, dass sie beschloss, Abhilfe zu schaffen. „Ich war auf einer Studienreise in Griechenland. Und da ging’s immer nur um Zeus und Apoll und darum, an welchem Strand es die schönsten Mädchen Griechenlands gibt. Und da dachte ich: Da muss sich was ändern!“

Gabi Berhard, die damals gern und viel allein auf Reisen war, ging es ähnlich. Auch sie war katzentisch- und anbaggermäßig äußerst strapaziert. So kam es, dass sich anno 1984 Sozialpädagogin Veith und Betriebswirtschaftlerin Bernhard zusammentaten und in Berlin das erste deutsche Frauen-Reiseunternehmen gründeten: „Frauen unterwegs – Frauen reisen“.

Was damals nebenberuflich mit zwei (ausgebuchten) Florenzreisen inclusive Artemisia Gentileschi, Angelika Kaufmann & Co. begann, ist heute ein hauptberufliches Drei-Frauen-Unternehmen, das größte und mit diesem Konzept einzige seiner Art in Deutschland. Der 95 Seiten starke Katalog bietet über 200 Angebote von Andalusien bis Zypern, von Klosterleben im Emsland bis Inlineskaten im Wendland, von Wellness bis Wüstentour.

Keine Frage: Allein reisende Frauen sind ein Markt geworden. Zwar reagieren die großen Reisebüros, wie die Emma-Recherche zeigt, immer noch irritiert bis ratlos auf die Frage nach speziellen Reiseangeboten für Frauen. Aber: Frauenhotels, Frauenpensionen und Frauenferienhäuser sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Und: Die ehemals alternativen Anbieterinnen haben sich professionalisiert und erfassen mit ihren Angeboten Frauen aller Arten und Altersgruppen.

Mittlerweile haben sich einige Frauenreiseagenturen gar spezialisiert. Zum Beispiel auf die Sparte Sport. So bietet das in Hamburg ansässige Reisebüro „Nouwelle“ ausschließlich „Frauen Aktiv Reisen“ an: Ski- und Kajakfahren, Snowboarden und Surfen. Die Spezialisierung schreitet sogar noch weiter voran. Seglerinnen, ob potenziell oder perfekt, können gleich mit mehreren Anbieterinnen übers Ijsselmeer oder durch die Karibik gleiten. Angehende Luise Trenkers dürfen sich vertrauensvoll an die erste deutsche Frauen-Kletterschule namens „High Live“ wenden, die Klettertouren in Pyrenäen, Dolomiten und andere steile Gegenden anbietet. Motto: „Der Weg ist das Ziel!“ Und eine Truppe mit dem schlagkräftigen Kampfnamen „Towanda“ organisiert Frauen-Motorradreisen durch Neuseeland, Australien und die USA.

Die Reisende, der das organisierte Reisen mit zu viel Gruppenzwang verbunden ist, hat – zumindest in bestimmten Regionen – ein stattliches Angebot an Frauen-Ferienhäusern und -Pensionen zur Auswahl. Allein in Deutschland gibt es laut dem Reiseführer „Frauenorte überall“ (extrem empfehlenswert) 55 solcher Frauenorte: vom Haus „Kvindegard“ auf der Nordseeinsel Föhr bis zum „Haus am See“ im bayerischen Riegsee.

Zum Beispiel die „Frauenpension Bertingen“ in Kaiser- Wilhelms-Koog. Sie wurde vor zwölf Jahren von zwei Berlinerinnen in dem 300-Seelen-Dörfchen an der Nordsee eröffnet. „Die Frauen genießen bei uns, dass sie ihre Ruhe haben können, aber auch ganz schnell Anschluss finden“, erklärt Pensionswirtin Makey das „Prinzip Frauenpension“. Mittlerweile residieren in dem alten Backsteinhaus nicht nur Gästinnen von außerhalb, sondern halten dort auch der örtliche Landfrauenverein, die Keglerinnen und Frauenturnvereine ihre Versammlungen ab.

An der Spitze des Frauen-Sommer-Vergnügens steht selbstredend das legendäre Femø. Das Camp, zu dem sich seit 1971 jeden Sommer Feministinnen aller Länder vereinigen und dessen Namen feministische Pionierinnen stets mit einem gewissen Glanz in den Augen aussprechen, findet immer noch auf der gleichnamigen dänischen Insel statt. Und auch in Deutschland haben sich mehrere Frauen-Sommer-Camps etabliert. Für Anhängerinnen des männer- und luxusfreien Lebens in der Wildnis gibt es im Hohen Fläming bei Berlin seit kurzem auch Deutschlands ersten Frauen-Zeltplatz, den „Campinski“. Kleine Frauen-Ferien-Nester existieren auch in Südwestfrankreich und Norditalien. Österreich und Schweiz warten mit sieben „Frauenorten“ auf, darunter das erste Schweizer kennen lernen.

Natürlich bieten auch in Deutschland Frauengeschichtsvereine, meist organisiert im Dachverband „Miss Marples Schwestern“, in fast allen großen Städten solche Rundgänge an. Stolze 32 „Frauentouren“ kann die Hauptstadtbesucherin absolvieren: vom Spreespaziergang mit „Schifferfrauen und Waschweibern“ über das „Berlin der Marlene Dietrich in den 20er Jahren“ bis zur „Literatinnentour“.

Auch die „Stadtväter“ entdeckten den „Markt Frau“. Also: Beim jeweiligen Tourismusverband einfach mal nach Frauentouren fragen. Das gilt – mit starker Einschränkung – übrigens auch für alle anderen Reisen. Der eine oder andere Reiseveranstalter bietet wg. steigender Nachfrage spezielle Reisen in Frauengruppen an, so zum Beispiel „Studiosus“, der als Service allein reisenden Frauen sogar Reisepartnerinnen vermitteln. Am effektivsten ist eine Internet-Recherche bei den einschlägigen AnbieterInnen.

Ein besonderer Tipp zum Schluss: Globetrotterinnen, die frei von Einzelzimmerzuschlag und Katzentisch reisen möchten und zu Kontaktfreudigkeit und Familienanschluss neigen, sei das weltweite Frauen-Reise-Netzwerk empfohlen: „Women welcome Women World Wide“. Die Idee: Frauen in aller Welt nehmen andere Frauen bei sich auf.

Gegründet wurde WWWWW im Jahr 1984 von der Britin Frances Alexander, die, inspiriert vom Schüleraustausch ihrer Kinder, kurz entschlossen an den EU-Frauen-Rundbrief „Women of Europe“ schrieb und den Vorschlag machte, ob so etwas nicht auch für Frauen möglich sei. Heute hat „Women Welcome Women World Wide“ über 3.500 Mitglieder in 70 Ländern, von Kanada bis Kasachstan. Mitglied werden kann jede. Na dann. Gute Reise. Bon voyage. Have a nice trip.

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