Zanele Muholi: Die schwarze Löwin

© Zanele Muholi. Courtesy of Stevenson, Cape Town/Johannesburg and Yancey Richardson, New York
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Somnyama Ngonyama – Sei gegrüßt, schwarze Löwin – nennt Zanele Muholi ihre Fotoserie auf Zulu, ihrer Muttersprache. Ihr Vater kommt aus Malawi, sie ist 1972 in Südafrika geboren. 22 Jahre vor dem Ende der Apartheid und dem schwarzen Präsidenten Mandela. Zanele hat den ­Rassismus also noch in seinen umfassendsten Aus­prägungen erlebt: verachtet nicht nur sozial, sondern auch formal rechtlos, ein Mensch zweiter Klasse.

Ihre stolzen Selbstporträts der Löwinnen-Serie sind Aneignungen und Umdrehungen der rassistischen Stereotypen über „Negerinnen“ und eine Hommage an ihre Mutter. Die hat, wie viele schwarze Frauen, jahrzehntelang als Dienstmädchen bei ­Weißen gedient. „Diese Frauen“, erinnert ihre Tochter, „haben oft die zukünftigen weißen Bosse des Landes großgezogen. Aber ihre eigenen Kinder haben sie nie gesehen.“ Mit schwarzem Humor verwendet Zanele darum bei einigen der Inszenierungen Haushaltsutensilien, wie die Sicherheitsnadeln oder den Schemel. 

Muholi hat diese Selbstporträts nicht in ihrer ­Heimat, sondern in Europa und Amerika realisiert, zwischen 2012 und 2016. Sie brauchte wohl den ­Abstand. Die Fotografin gilt heute international als eine der innovativsten, zeitgenössischen Künstlerinnen. Ihre Ausbildung zur Fotografin hat sie noch in Johannesburg absolviert, 2009 in Toronto ihren ­Master in Kunst gemacht und ihre Abschlussarbeit über „die visuelle Geschichte der schwarzen, lesbischen Identität und die Politik in Südafrika nach Ende der Apartheid“ geschrieben. 

Selbst versteht die Fotografin sich nicht als Künstlerin, sondern als „lesbische Menschenrechts-Aktivistin“. 2014 erschien ihre umfassende Dokumentation von (über)lebenden homosexuellen Aktivistinnen in Südafrika und anderen afrikanischen Ländern: „Faces + Phases“. Zanele realisierte die Dokumentation in den Jahren 2006 bis 2014, so manches Mal unter ­Lebensgefahr. In etlichen afrikanischen Ländern ­stehen noch schwere Strafen auf Homosexualität, in allen ist sie sozial geächtet. Und viele Lesben werden Opfer der so genannten „korrigierenden Vergewaltigungen“. Man wolle die Frauen mit dieser Methode wieder „normal“ machen, sagen die Vergewaltiger.

„Sie können uns soviel beschimpfen, wie sie wollen, sie können uns zusammenschlagen, verge­wal­tigen und uns töten. Aber sie werden unsere Seelen nicht berühren. Unsere innere Schönheit ist unzerstörbar und sie wird sich auf ihre Art zeigen.“ 

Diese Worte der Aktivistin Pearl Mbali Zulu aus ­Johannesburg stellt Zanele an den Beginn ihrer Dokumen­tation.

„Meine Fotografien sind wie eine Therapie für mich“, sagt sie selbst. „Ich möchte Öffentlichkeit schaffen, ohne Scham. Wir sind stark, schwarz, schön und stolz. Und es lindert meinen Schmerz, zu wissen, dass ich den Weg für das Coming Out ­anderer bereite. Sie sind nicht alleine.“

Zanele Muholis internationales Renommee schützt sie – allerdings nicht immer. Als sie 2012 auf die Documenta in Kassel eingeladen war, wurde ­wenige Tage zuvor bei ihr eingebrochen. Die Einbrecher wussten genau, was sie wollten. Sie ließen die Wertsachen links liegen, aber raubten Laptops, ­Kameras und 20 Festplatten. Auf diesen Platten ­befand sich Zaneles Arbeit von Jahren. Vor allem die Dokumentation von Repression und Widerstand ­homosexueller AktivistInnen. 

Zanele hatte über Jahre bei Gerichtsverhandlungen gegen Homosexuelle fotografiert. Sie hatte in Malawi die Entlassung eines schwulen Paares aus dem ­Gefängnis begleitet. Und sie war in Uganda dabei, als ein Grabstein enthüllt wurde für David Kato, ein bekannter Schwulenaktivist. Er wurde nach dem Mordaufruf einer Zeitung in seiner Wohnung mit einem Hammer erschlagen. Diese Dokumente der Schande und des ­Stolzes sind jetzt weitgehend ausradiert.

Aber die Fotos für die Documenta waren bereits in Deutschland. Es waren Porträts von homosexuellen Frauen in Südafrika, Botswana, Uganda und Simbabwe, die Opfer von Hassverbrechen geworden waren oder ihr Leben riskieren bei ihrem Kampf um Menschenwürde und Menschenrechte. Die Bilder konnten in Südafrika nicht gezeigt werden und wurden in Kassel zum ersten Mal öffentlich. Auch Zaneles Serie „Sei gegrüßt, schwarze Löwin“ wird im Mai 2017 in Deutschland als Buch erscheinen.

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