Rennfahrerinnen: Vollgas durch die Wüste

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Kein Land hat so viele Spitzenrennfahrerinnen wie Deutschland. Gleich drei von ihnen treten am 31. Dezember zum Start nach Dakar an: Wüstenkönigin Jutta Kleinschmidt, Wüstendebütantin Ellen Lohr und Andrea Mayer. Drei von 200, die 17 Tage lang durch die Wüste rasen: auf Motorrädern, in Lastwagen und Rennautos. Quer durch die Wüsten und Steppen von Marokko, Mauretanien, Mali und dem Senegal – Richtung Hauptstadt Dakar. Wer wird die Erste sein? Für uns gilt: gleich drei Mal die Daumen drücken!

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Sie nennt diese Veranstaltung kurz und knackig ‚die Dakkar‘, mit Betonung auf der ersten Silbe, man muss es sich vorstellen wie ein Stakkato. Jutta Kleinschmidt darf das. Sie hat die härteste Rallye der Welt bereits einmal gewonnen, seitdem klebt an ihr das Etikett ‚Königin der Wüste‘. Die Rallye Dakar – das ist ein Motorsport-Abenteuer der Größe XXL. Am letzten Tag des Jahres machen sich in Spanien mehr als 200 WettbewerberInnen mit Motorrädern, Rennautos und Lastwagen auf den Weg nach Afrika. Nach der Prolog-Etappe in Spanien folgt gute zwei Wochen lang der Wüstensand und die Steppe, durch Länder wie Mauretanien, Marokko und Mali. Nach rund 10.000 Kilometern ist am 16. Januar 2005 das Ziel, die senegalesische Hauptstadt Dakar, erreicht.

Jutta Kleinschmidt: Die Königin der Wüste
Schon als Kind wollte sie ‚der Beste sein von allen‘. Sie hat mit den Jungs Fußball gespielt und im Wald Baumhäuser gebaut. „Ich habe nie eingesehen, wieso ich irgendetwas schlechter können soll als die Jungs.“ Im Haushalt mit drei Schwestern hielt Jutta sich zurück. Also ist Jutta Kleinschmidt, 42 Jahre, früh eingebrochen in die Männerdomäne Motorsport. Noch 1987 verfolgte sie die Rallye Paris-Dakar als Zuschauerin. Ein halbes Jahr später stand sie bei der Pharaonen-Rallye mit einem BMW-Motorrad am Start. „Am Anfang“, sagt sie, „war man einfach da.“ Wenn sie über sich spricht, sagt sie öfter ‚man‘ statt ‚ich‘.
Erster Höhepunkt für Jutta Kleinschmidt war die 1992er-Wüstenrallye. Sie führte von Paris bis nach Kapstadt. „Zuhause habe ich mir diesen Riesenkontinent auf der Karte angeschaut, Deutschland war im Vergleich so winzig. Ich hab mir gedacht: Jutta, du bist verrückt.“ Sie ist auf ihrer Maschine nach drei Wochen in Kapstadt angekommen, fix und fertig, braun gebrannt, Sand in allen Poren – und überglücklich. „Das“, sagt sie, „sind die Momente, weswegen du den Sport machst.“
Nach dem Sieg in der Damenwertung hat sie ihren Job bei BMW als Ingenieurin an den Nagel gehängt. Im Buggy ihres damaligen Lebensgefährten Jean-Louis Schlesser stieg Jutta vom Zweirad auf vier Räder um. Es folgte 1997 der erste Etappensieg einer Frau bei der Rallye Paris-Dakar, 1999 mit Rang drei die erste Platzierung auf dem Siegerpodest und 2001 der Sieg, als erste Frau. In diesen Jahren „wurde es schwieriger mit der männlichen Konkurrenz, weil ich angefangen habe, denen ein wenig den Ruhm wegzufahren“, sagt Jutta Kleinschmidt. Denn: „Es ist ja noch immer so, dass es schon ziemlich schlecht ist, wenn man von einer Frau überholt wird. Das ist in den Männern einfach drinnen.“
Ein knappes Jahr nach dem Sieg 2001, der weltweit Wellen schlug, verkündete Volkswagen den Eintritt in den Marathon-Rallyesport mit der Wüstenkönigin als Leitfigur. „Ich bin jetzt zum ersten Mal richtige Werksfahrerin und bin auch in die Entwicklung des Autos und des Teams miteinbezogen“, sagt Jutta Kleinschmidt. „Das ist eine neue und tolle Herausforderung.“
Die Dakar 2004 galt als Testeinsatz mit dem neu entwickelten VW-Renn-Touareg. In einem Wasserloch versanken dann zwar die Hoffnungen auf eine respektable Gesamtplatzierung, weil die Reparatur Kleinschmidt und ihre Beifahrerin Fabrizia Pons weit zurückwarf. Doch mit dem Sieg bei einer Etappe bewies Kleinschmidt, was sie und der brandneue Touareg können.
Jutta Kleinschmidt, die Wüstenkönigin: „Ich liebe den Sand, aber man kann alles verlieren, wenn man stecken bleibt oder eine Düne falsch einschätzt.“ Besonders mag sie die schnellen und kurvenreichen Etappen durch die Steppe. Um sich fit zu halten, hat sie in diesem Jahr an Radrennen in Amerika (‚Race across America‘) und Österreich teilgenommen. „Beim Radeln rund um Sölden im Ötztal hat man schon mal 230 Kilometer und 5.500 Höhenmeter an einem Tag bewältigt.“ Typisch Kleinschmidt: immer am Limit und am liebsten im Wettbewerb.

Ellen Lohr: Die Wüstendebütantin
Sie ist im Januar zum ersten Mal mit von der Partie: Ellen Lohr. „Dabei habe ich nie was mit Abenteuer am Hut gehabt“, behauptet sie. „Ich komme ja aus einer ganz anderen Ecke.“ Wie Schumi & Co drehte die gebürtige Mönchengladbacherin schon in jungen Jahren ihre Runden in einem Gokart, später in Formelautos, die so aussehen wie kleine Formel-1-Renner.
1992 gewann Ellen Lohr in einem Mercedes 190 mit 370 PS als erste Frau ein Rennen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM). Sie ist bis heute die einzige Frau, die in der Königsklasse des Tourenwagensports gewinnen konnte. In den vergangenen Jahren verdiente sie sich unter anderem als Expertin der ARD bei DTM-Übertragungen Geld und Respekt. Und sie startete in diversen Automobilsportarten auf Rennstrecken wie dem Hockenheimring oder dem Nürburgring.
Jetzt wagt Lohr, 39, den Sprung in eine völlig neue Welt – Wüstensand statt Asphaltband. Sie bereitet sich auf das Abenteuer vor, indem sie 2004 mit einem Mitsubishi zunächst drei so genannte ‚Baja-Rallyes‘ fuhr, Wochenendveranstaltungen auf abgesperrten Wegen. Bei der Baja Deutschland wurde Lohr auf Anhieb Zweite.
Den ersten Test in der Wüste fand die Rheinländerin „einfach nur klasse. Es macht unheimlich Spaß, mit dem Auto über Dünen zu fahren oder durch die Luft zu springen. Ich hatte ja davor noch nie in meinem Leben eine echte Düne gesehen! Beim Marathonsport sitzt man den ganzen Tag im Rallyeauto. Das gefällt mir.“
Am schwierigsten war für die Profi-Rennfahrerin Lohr die Umstellung auf die Tatsache, dass man im Rallyeauto nicht alleine unterwegs ist – sondern mit Beifahrer zum Navigieren. „In meinen Rennautos war ich es gewohnt, alle äußeren Einflüsse komplett auszublenden. Und dann sitzt plötzlich einer neben dir und quasselt dich voll“, sagt Ellen Lohr. Sie hat in der Wüste einen erfahrenen Profi an ihrer Seite. Philipp Tiefenbach hat schon 13-mal Rallyefahrer nach Dakar gelotst und einen Weltmeistertitel in der Tasche.

Andrea Mayer: In den Fußstapfen der Königin
Andrea Mayer würde man mit ihren blonden Locken und der zierlichen Statur so gar nicht im harten Männergeschäft Wüstenrallyes vermuten. Ihr gegenüber wirken Ellen Lohr und Jutta Kleinschmidt eher burschikos. Doch das Äußere täuscht. Sechs Mal ist Andrea Mayer, 36, die Rallye Dakar mit dem Renn-Motorrad gefahren, die Härteprüfung schlechthin. Vier Mal hat sie die Damenwertung gewonnen. Über ihre Motive sagt sie: „Drei Seelen wohnen in meiner Brust. Die eines Globetrotters, die einer Liebhaberin der Natur und die einer Motorsport-Begeisterten. Im Langstreckensport kann ich diese drei Leidenschaften kombinieren.“
Mit dem Rennbazillus infizierte sie sich als Reiseleiterin Ende der 80er Jahre. Sie fuhr sechs Monate mit dem Motorrad durch Afrika, durchquerte dabei zwei Mal die Sahara und verliebte sich in das Sandmeer. „Es gibt keine schönere Landschaft als die Wüste“, schwärmt Mayer.
1996 ging es erstmals zur Paris-Dakar. Vor zwei Jahren dann der Wechsel vom Motorrad aufs Rallyeauto. Andrea Mayer trat bei Mitsubishi faktisch die Nachfolge von Jutta Kleinschmidt an, als die zu Volkswagen ging. Natürlich hat die Bild-Zeitung irgendwann einen Artikel aus den beiden Rallyedamen gestrickt: ‚Zickenzoff im Tagebau‘ hieß es da. „Da lachen wir beide drüber“, sagt Andrea Mayer. Über Jutta kommt aus dem Mund von Andrea nur Gutes: „Ich schätze sie sehr. Jutta hat in diesem Sport für sich und die Frauen allgemein Respekt erarbeitet. Das ist toll. Aber ich gehe meinen Weg.“
Andrea Mayer freut sich ganz besonders auf die Zentral-Sahara und auf die Etappen in Mali und Mauretanien. „Dort gibt es keine Pisten mehr, man fährt wirklich querfeldein. Es ist schwierig zu navigieren und schwierig zu fahren. Man kommt in Gegenden, in die man als Tourist nie kommen würde, abgelegen, mit irrsinnig bizarren Felsformationen mitten im Sand, dann wieder mit Dünen oder so genanntem Kamelgras.“

Die drei Rallyefahrerinnen: Keine Zicken
Die drei deutschen Dakar-Frauen kennen sich – natürlich. „Es liegt ja auf der Hand, dass ich als Frau im Renngeschäft mit großem Interesse verfolgt habe, was Jutta und Andrea leisten“, sagt Ellen Lohr. Außerdem treffen sich die beiden Wahl-Monegassinen Lohr und Kleinschmidt auch schon einmal im Fürstentum. Und siehe da: „Jutta und ich haben auch dieselbe Putzfrau.“
„Ich drücke Ellen echt die Daumen, dass sie es packt“, sagt Jutta Kleinschmidt. Auch Andrea Mayer ist mit Tipps für die Konkurrentin zur Stelle. „Sollte ich mich mal im Rundstreckensport versuchen, wird Ellen mir Ratschläge geben, denn da ist sie ja die Erfahrene“, sagt sie, so gar nicht zickig. Dann kann’s ja losgehen.
Eva-Maria Burkhardt, EMMA Januar/Februar 2005
Porträt Ellen Lohr: EMMA 4/91, Porträt Jutta Kleinschmidt: EMMA 2/99. – Rallye-Infos:

www.dakar.com

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