Genitalverstümmelung

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Jahr für Jahr werden weitere drei Millionen Mädchen verstümmelt - und das auch mitten in Europa, ja mitten in Deutschland.

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Es dauerte fast zwanzig Jahre, bis die sexuelle Verstümmelung auch im Westen als Skandal erkannt wurde. Europäischen Feministinnen, die sich in den 70er und 80er Jahren mit den meist afrikanischen Opfern solidarisierten, wurde vor allem von Linken vorgeworfen, sie seien "eurozentristische, bürgerliche Privilegierte",  die sich gefälligst herauszuhalten hätten aus "anderen Kulturen und Sitten".

Das wagt heute niemand mehr. Aber noch immer reicht die Sensibilisierung in Deutschland für dieses Verbrechen nicht aus. In Frankreich, wo viele Betroffenen aus den Ex-Kolonien leben, werden die verantwortlichen Eltern, Ärzte und Beschneiderinnen hart verfolgt. Dank des Mutes verstümmelter Mädchen, die es – unterstützt von französischen Feministinnen – gewagt hatten zu klagen. Auch Eltern, die mit ihren Töchtern in ihre Heimatländer reisen und sie verstümmelt zurück bringen, droht Gefängnis.

Hierzulande hat etwa jedeR zweite GynäkologIn schon einmal eine genitalverstümmelte Frau behandelt, hat aber in der Regel nicht genügend medizinische Kenntnisse für die Behandlung. 1996 erkannte das Verwaltungsgericht Magdeburg als erstes deutsches Gericht die drohende Verstümmelung einer Frau von der Elfenbeinküste als Asylgrund an. Und seit dem 1. Januar 2005 gilt das Gesetz, das auch "geschlechtsspezifische Asylgründe" bei Zuwanderung anerkennt.

Allerdings entscheiden Gerichte immer wieder gegen die Frauen, wenn in deren Heimatländern Genitalverstümmelung (theoretisch) gesetzlich verboten ist – was die Mädchen in den Dörfern in der Regel nicht schützt. Im Juli 2009 verabschiedete die Große Koalition ein Gesetz gegen Genitalverstümmelung, das die Verjährungsfrist - wie beim sexuellen Missbrauch - erst ab dem 18. Lebensjahr einsetzen lässt. Ein eigener Straftatbestand ist die Genitalverstümmelung allerdings bis heute nicht. 

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