Und nun, Frau Schröder?:

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Das hat es seit den Bonner Tagen nicht mehr gegeben: ein überparteiliches Bündnis von Politikerinnen, von rechts bis links, von Christ- und Sozialdemokratinnen bis zu den Grünen und Linken. Die Politikerinnen machten heute Mittag auf der Bundespressekonferenz ihre „Berliner Erklärung“ öffentlich. Darin protestieren sie gegen „den dauernden Verstoß gegen Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes“, der die Gleichberechtigung von Frauen und Männern festschreibt. Zusammen mit dem Juristinnenbund und dem Unternehmerinnen-Verband fordern die Politikerinnen eine „mindestens 30-Prozent-Quote“ für Frauen in Aufsichtsräten sowie mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen. Den sechs Erstunterzeichnerinnen haben sich nicht nur Frauenverbände angeschlossen, sondern auch Frauen des Öffentlichen Lebens, darunter Senta Berger und Steffi Jones, Friede Springer und Alice Schwarzer. Diese „Berliner Erklärung“ ist eine offene Kampfansage an die CDU-Frauenministerin Kristina Schröder, die sich – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, Ministerin von der Leyen, die ebenfalls zu den Erstunterzeichnerinnen gehört! – wiederholt gegen eine Quote ausgesprochen hat.

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Die Berliner Erklärung im Originaltext:

"Seit über 60 Jahren gilt in Deutschland laut Grundgesetz, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. In der Realität ist die Gleichstellung allerdings noch lange nicht verwirklicht. Die anhaltende Benachteiligung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen steht damit im Widerspruch zu unserem Grundgesetz und zu internationalem Recht.
Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Berliner Erklärung, wollen diese Ungerechtigkeiten und den dauernden Verstoß gegen Art. 3 Absatz 2 GG nicht länger hinnehmen. Geschlechtergerechtigkeit ist ein Gebot, das es endlich umzusetzen gilt. Deshalb haben wir uns in einem überparteilichen und gesellschaftlichen Bündnis zusammen geschlossen, um im Konsens gemeinsam der Gleichstellung zum Durchbruch zu verhelfen. Wir sind Frauen und Männer aus Politik, aus Verbänden, aus Wirtschaft und Gewerkschaften, aus Wissenschaft und Forschung, aus Kultur und Medien – kurz: aus der ganzen Breite der Bevölkerung. Wir wollen eine gerechte Gesellschaft, die Frauen und Männern die gleichen Verwirklichungs- und Teilhabechancen auch praktisch einräumt.
Unser erstes Ziel ist, mehr Frauen in die Entscheidungsprozesse der Wirtschaft einzubeziehen – paritätisch und gleichberechtigt. Alle bisherigen Versuche, dieses Ziel mit freiwilligen Vereinbarungen zu erreichen, sind gescheitert. Die Zeit ist reif für eine verbindliche gesetzliche Regelung zur geschlechtergerechten Besetzung von Entscheidungsgremien der Wirtschaft, wie Aufsichtsräte und Vorstände. Nur so lässt sich Umdenken in den Vorstandsetagen befördern und damit die Besetzungspraxis von Entscheidungsfunktionen verändern.
Deshalb treten wir in einem ersten Schritt für eine Quote bei den Aufsichtsräten der börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen ein, die zunächst mindestens 30 Prozent betragen soll. Damit die Maßnahme Wirkung entfaltet, wollen wir flankierend Fristen und empfindliche Sanktionen regeln. Die Quote für Aufsichtsräte kann aber nur der Anfang sein!
Die gleiche Beteiligung von Frauen an Entscheidungsgremien ist auch ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. In gemischten Führungsgremien können Frauen und Männer zu besseren Entscheidungen kommen, gemischte Teams steigern den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Das belegen nationale und internationale Studien.
Zahlreiche Parteien und Verbände haben konkrete Vorschläge für Frauenquoten vorgelegt. Bei Unterschieden in der Höhe der Quote und in einzelnen Aspekten sind alle Vorschläge von der Überzeugung getragen, dass nur verbindliche gesetzliche Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Entscheidungsgremien führen. Diesen breiten Konsens wollen wir jetzt nutzen, um spürbare Verbesserun-gen für Frauen zu erreichen.
Uns Unterzeichnerinnen und Unterzeichner eint der Wille, überparteilich und überfraktionell Mehrheiten für die berechtigten Belange von Frauen zu gewinnen und so das staatliche Gleichstellungsgebot nach Art. 3 Absatz 2 Satz 2 GG endlich umzusetzen."

Die Initiatorinnen: Dorothee Bär, CDU, Bundestagsabgeordnete (MdB) und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Fraktion; Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen, MdB und Stellvertretende Vorsitzende der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion; Sibylle Laurischk, FDP, MdB und Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Cornelia Möhring, Die Linke, MdB und 1. stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke; Rita Pawelski, CDU, MdB; Dagmar Ziegler, SPD, MdB und Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion.

>>Berliner Erklärung unterzeichnen

EMMAonline, 15.12.2011

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