„Meine Söhne sind begeistert!“

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EMMA: Sie sind Ministerin für Emanzipation. Die Bild fand diesen Namen „retro“…
Steffens: Was die Bild retro findet, finde ich relativ unwichtig (lacht).

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Sie werden sich etwas dabei gedacht haben, das Ministerium so zu nennen.
In der Tat. Der Begriff Emanzipation ist irgendwann von manchen als angestaubt und retro weggelegt worden. Aber gerade jetzt, wo es immer wieder ein antifeministisches Rollback gibt und wo von der Frauenpolitik behauptet wird: „Brauchen wir nicht mehr, die Ziele sind doch alle erreicht“, gerade da müssen wir wieder sehr viel stärker klarmachen, dass wir Emanzipation im Sinne von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sehr wohl brauchen. Dies beziehe ich nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Lesben und Schwule, für die ich ebenso zuständig bin.  
Sollen sich denn auch die Männer emanzipieren?
Emanzipation ist das Recht auf Selbstbestimmung – unabhängig vom Geschlecht. Wenn die Männer sich nicht emanzipieren und endlich auch mal andere Seiten bei sich entdecken und leben, dann wird es perspektivisch schwierig für sie. Dafür würde ich mich aber nicht allein zuständig fühlen, sondern da muss die Landesregierung eine durchgängige Gender-Politik betreiben. Dafür soll eine Gender-Stabstelle sorgen, die wir in der Landesregierung einrichten werden. Wenn ich mir zum Beispiel mein Ministerium anschaue, dann brauche ich einen klaren Gender-Blick im Bereich Gesundheit, weil wir da unterschiedliche gesundheitspolitische Ansätze für Männer und Frauen haben müssen, oder in der Drogen- und Suchtpolitik. Aber natürlich auch im gesamten Bereich der Pflege- und SeniorInnenpolitik, wo wir bei Frauen und Männern einen ganz unterschiedlichen Bedarf haben.
Es fällt auf, dass für die Familienpolitik nicht Sie zuständig sind, sondern Ihre SPD-Kollegin Ute Schäfer.
Ich habe mich die letzten fünf Jahre im Frauenausschuss ständig dagegen gewehrt, dass dort von den Regierungsfraktionen in erster Linie Familienpolitik diskutiert wurde. Diese Unterordnung der Frauenpolitik unter die Familienpolitik finde ich falsch. Natürlich ist es für Frauen wichtig, dass es Kinderbetreuungsplätze gibt, aber das ist auch für Männer wichtig.

Stichwort Kinderbetreuung. Die fällt dann also gar nicht in Ihr Ressort?
Nein, das ist eigentlich bei meiner Kollegin Schäfer angesiedelt. Aber natürlich betrifft mich dieses Thema, wenn es beispielsweise um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen geht.

Dürfen wir Sie trotzdem fragen, wie die Landesregierung die dringend benötigten neuen Betreuungsplätze schaffen will?
Das Thema Betreuungsplätze, d.h. wo es sie geben muss und wie man die Qualitätssicherung hinkriegt, gehört ins Familienressort.  

Im Koalitionsvertrag kündigen Sie an, die Kürzungen der Vorgänger-Regierung bei den Frauenhäusern wieder rückgängig zu machen.
Dass die Vorgänger-Regierung bei den Frauenhäusern die zweite Fachkraft-Stelle gestrichen hat, war fatal. Frauen und ihre Kinder, die in großen Notsituationen kommen, können nicht mehr angemessen betreut werden. Deshalb ist es klar, dass wir diese Stelle sofort wieder einsetzen. Perspektivisch wollen wir einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus schaffen. Am liebsten wäre uns das über ein Bundesgesetz, das diesen Anspruch einheitlich festschreibt. Es kann nicht sein, dass schutzsuchende Frauen abgewiesen werden mit der Begründung: „Da haben wir jetzt kein Geld für!“ Und auch der ständige Streit, wer nun für die Finanzierung zuständig ist und ob es sich da nicht doch um eine freiwillige Aufgabe handelt, muss aufhören.

Sie wollen die „Regionalstellen Frau und Beruf“, die unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung abgeschafft wurden, wieder aufbauen.
Wenn man sich anschaut, wie in der letzten Legislaturperiode Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung betrieben wurde, dann stellt man schnell fest: Da gab es da keinen Gender-Blick. Frauenförderung ist zwar eine Vorgabe der EU, in der Realität fand sie aber nicht statt.  Bereits im Antragsverfahren  von Wirtschaftsförderungs-Projekten, spielte  der Aspekt Frauenförderung keine Rolle mehr. Das muss sich ändern. Mit neuen Konzepten, wie die "Landesinitiative Frau & Wirtschaft", die wir an den Start bringen wollen. Das Ziel ist, das Erwerbspotenzial von Frauen zu öffnen und neue Zugänge für Frauen unterschiedlicher Zielgruppen in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Mit der Umsetzung der Landesinitiative werden wir die in 16 Regionen NRWs neu zu gründenden "Regionalagenturen Frau und Wirtschaft" beauftragen und somit dezentrale Strukturen schaffen.

Sie planen einen Runden Tisch zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes. Was soll der tun?
Mein Anliegen ist: Wir haben Prostitution in der Gesellschaft, und die Bedingungen, unter denen die Frauen in der Prostitution arbeiten, sind zum Teil katastrophal. Es ist wichtig, ihre Arbeitsbedingungen  so zu gestalten, dass sie eine Absicherung haben, dass sie einen Schutz haben und dass sie die Möglichkeit haben auszusteigen.  

In ganz NRW gibt es nur drei Ausstiegsprojekte. Wollen Sie die Ausstiegsmöglichkeiten für Prostituierte verbessern?
Natürlich muss man die Beratungsstellen stärken und auch Ausstiegangebote schaffen. Aber das fällt in den Zuschnitt des Arbeitsministers. Und dadurch, dass wir in diesem Bereich viele Frauen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus haben müssen wir schauen, dass andere Ministerien auch noch einsteigen. Denn Frauen in der Illegalität erreiche ich nicht mit einem Programm aus dem Arbeitsministerium.

Sie sind seit kurzem alleinerziehende Mutter zweier Söhne, die sieben und 15 Jahre alt sind. Wie teilt sich denn die Ministerin für Emanzipation die sogenannte Familienarbeit?
Das ist jetzt ein bisschen kompliziert, weil ich eine klassische Patchwork-Familie habe und meine Söhne zwei verschiedene Väter haben. Der ältere ist gerade mit seinem Vater im Urlaub. In der Woche ist er bei mir und geht von dort aus  zur Schule, die Wochenenden gestaltet er, wie er will. Das ist völlig unproblematisch und es war auch immer so, dass sein Vater und ich die Verantwortung geteilt haben. Beim jüngeren muss sich das erst noch einspielen. Sein Lebensmittelpunkt ist bei mir, der Vater wohnt weiter weg.  

Was sagen Ihre Söhne dazu, dass ihre Mutter jetzt Ministerin für Emanzipation ist?
Wenn ich es schaffe, auch als Ministerin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur politisch umzusetzen, sondern sie auch zu leben – dann werden meine Söhne begeistert sein.

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