Wo Rauch ist, da ist auch Feuer

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Nach langem, vielleicht zu langem Zögern entschloss Schwarzer sich im Jahr 2007 erstmals, einen Anwalt einzuschalten. Nämlich als am 16. Juli 2007 in der taz kolportiert wurde, die EMMA-Herausgeberin habe „per EMMA-Editorial zur Wahl von Angela Merkel aufgerufen“. Die Gegendarstellung erschien am 25. Juli 2007 in der taz. Und damit hätte die Angelegenheit eigentlich erledigt sein können.

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Aber die taz wäre nicht die taz, wenn sie einfach juristisch korrekt eine Gegendarstellung veröffentlichen würde. Nein, an die 18 Zeilen umfassende Gegendarstellung von Schwarzer hängte die taz 114 (!) Zeilen Kommentar an. In dem wurden nun weite Teile des Editorials manipulativ zitiert und weitere Halbwahrheiten suggeriert.

Alice Schwarzer reichte Klage ein. Es folgte eine groteske Materialschlacht, in der der einschlägig berüchtigte taz-Anwalt Johannes Eisenberg sich Nächte mit Schwarzer-Lektüre um die Ohren geschlagen haben muss. Er durchforstete Berge von Artikeln und diverse Talkshows, in denen die EMMA-Herausgeberin je ein Wort über Merkel verloren hatte (Auch durchaus solche, die in den Monaten oder Jahren nach der Wahl erschienen waren und vollkommen irrelevant in Bezug auf die Behauptung einer angeblichen Wahlhilfe im Jahr 2005).

Für den Beweis, dass Alice Schwarzer nicht zur Wahl von Angela Merkel aufgerufen hatte, hätte die Lektüre eines einzigen Artikels gereicht: Ihres Editorials im September 2005, das ganz in ihrer politischen Tradition steht, zu allen Parteien eine kritische Distanz zu halten und Aufklärerin zu sein, nicht Propagandistin. Schwarzer erwägt in diesem Editorial das Für und Wider einer Wahl von Merkel und schließt mit dem Satz: „Doch die Qual der Wahl will auch EMMA ihren Leserinnen nicht abnehmen. Am Abend des 18. September wissen wir mehr.“ Alles klar, oder?

Aber darum geht es ja gar nicht. Wen interessiert schon die Wahrheit. Hauptsache, das Klischee stimmt und von den mantra-artig wiedergekäuten falschen Unterstellungen bleibt etwas hängen. Denn Diffamation funktioniert ja bekanntermaßen nach dem Prinzip: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Es wird also schon was dran sein…

In der Folge beschäftigten sich sage und schreibe über einen Zeitraum von drei Jahren die Anwälte mit der Angelegenheit, notgedrungen auch unser Anwalt. Die taz „unterstellt der Klägerin, kritiklos und einseitig Stellung für Frau Merkel bezogen zu haben. Dabei ist das Bild der Klägerin in der Öffentlichkeit – zu recht – davon geprägt, dass sie als Journalistin kritisch und mit gewisser Distanz zu Politikern jeglicher Couleur agiert. Die Beklagte stellt die Klägerin hingegen als Propagandistin der Kanzlerkandidatin Merkel dar“, argumentiert Helge Reich, der Anwalt von Alice Schwarzer. Von dem von der taz gezeichneten Bild aber gehe „eindeutig eine ehrabschneidende Wirkung aus. Insbesondere wird der Eindruck erweckt, die Klägerin habe das Wahlergebnis durch einen gezielten Wahlaufruf beeinflussen wollen und habe jegliche kritische Haltung über Bord geworfen.“

Das Gericht sah das genau so. Im Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. September 2010 heißt es, in den Texten von Alice Schwarzer zur Wahl sei „kein Satz enthalten, der sich auch nur im Ansatz so deuten ließe, dass darin ein Wahlaufruf zugunsten von Frau Merkel gesehen werden könnte.“ Im Gegenteil. Die taz hat darum alle Kosten des Verfahrens zu tragen. Und für den Fall der Zuwiderhandlung, also der Wiederholung der falschen Behauptung, droht der taz ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €. Die taz hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt.

Und am 30. November 2010 erging ein zweites Urteil, nachdem auch die endlosen Zitate in der Kommentierung der Gegendarstellung rechtswidrig waren, weil sie gegen das Urheberrecht verstoßen. Wieder hat die taz alle Kosten zu tragen und drohen ihr wiederum bis zu 250.000 € bei Zuwiderhandlung. Macht zusammen bis zu 500.000 €. Ob die Urteile wohl nicht nur zur Wahrheitsfindung beitragen – sondern auch zu einem verantwortungsbewussteren Journalismus?

Übrigens: Noch kann die taz auch hier Berufung einlegen und taz–Anwalt Eisenberg sich erneut in das Werk von Schwarzer vertiefen. Das scheint ihm inzwischen ans Herz gewachsen zu sein.

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Alice Schwarzer: „Nur eine Frage des Geschlechts?“, Editorial September 2005

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