Simone de Beauvoir über das Alter
Als ich Simone de Beauvoir 1978 am Tag ihres 70. Geburtstages zum „Alter“ interviewte, hat sie mich mit der Auffassung überrascht, dass Frauen besser altern als Männer. „Denn die meisten Frauen können nicht tief fallen, da sie nie oben waren“, sagte sie. „Aber Männer, die sich ja für wichtig halten, die glauben, sie hätten Macht und Verantwortung – und sie ja oft auch haben – wenn die altern, das ist schrecklich. Das ist ein richtiger Bruch.“
Das besondere Verdienst von Simone de Beauvoir bei ihrem Essay über „Das Alter“ ist, dass sie alte Menschen als eine Gruppe erkennt und benennt. Doch die Alten sind keine Kaste – wie Beauvoir es im „Anderen Geschlecht“ für die Frauen definierte –, ja man weiß noch nicht einmal genau, wann überhaupt das Altsein anfängt. Wer ist alt?
Simone de Beauvoir hat „Das Alter“ in den späten Sechzigern, also mit Ende fünfzig geschrieben, an der Schwelle ihres eigenen Alters. Wie beim „Anderen Geschlecht“ – dem „Das Alter“ in Aufbau und in Bezug auf die Bedeutung des Buches vergleichbar ist – legt die Autorin auch hier hellsichtig Jahrzehnte vor dem Aktuellwerden der Problematik einen Text vor, der seither das Standardwerk zum Alter ist. Über 750 Seiten durchforstet sie das „Unrealisierbare“ (Sartre) unter biologischen, ethnologischen, kulturellen und ökonomischen Aspekten; historisch wie aktuell. Und sie kommt zu dem Schluss, dass auf ein sinnvolles Alter nur hoffen kann, wer schon zuvor die Chance hatte – und ergriff! – auch ein sinnvolles Leben zu führen.
ALICE SCHWARZER
Mehr von Simone de Beauvoir über das Alter in der aktuellen Januar/Februar-Ausgabe.