Angela Merkel und die Girls

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Sie ist das mächtigste Vorbild, das ein Mädchen sich in Deutschland nehmen kann: Angela Merkel, die Bundeskanzlerin. Zum Auftakt des Girls’Day lud Merkel, selbst promovierte Physikerin, 24 Berliner Schülerinnen ins Kanzleramt. Zusammen mit sieben Unternehmen, die den Mädchen ihre Perspektiven in technisch-naturwissenschaftlichen Berufen erklärten.

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MINT-Berufe heißt das heute kurz und knapp, also alles, was mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu tun hat. Berufe, in denen Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Trotz zahlreicher Initiativen und Förderprogramme. Und obwohl sie in diesen Berufen deutlich mehr verdienen würden und bessere Aufstiegschancen hätten.

Auf der Top-Ten-Liste der von Mädchen gewählten Ausbildungsberufe stehen nach wie vor: Kauffrau im Einzelhandel, Verkäuferin, Bürokauffrau und medizinische Fachangestellte. Im Gegensatz zu den Jungs, die KFZ-Mechaniker, Industriemechaniker oder Elektriker werden möchten. Eine vergleichbare Verteilung an den Universitäten: Zu den beliebtesten Fächern bei Frauen zählen Germanistik, Jura und Medizin. Bei den Männern sind es: Maschinenbau, Informatik und Elektrotechnik.

Der Girls’Day, der 1993 in den USA mit dem Motto „Nehmt eure Töchter mit zur Arbeit“ antrat, versucht einmal im Jahr, aktiv etwas an dieser Verteilung zu ändern. 102.662 Plätze stehen in diesem Jahr in ganz Deutschland bereit.

Und: Eine Sache hat sich schon geändert. Heute fragen nach 2005 Geborene nicht mehr: „Mama, kann eigentlich auch eine Frau Bundeskanzler werden?“ Sondern: „Mama, kann eigentlich auch ein Mann Bundeskanzlerin werden?“

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Der 1. Töchtertag

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Franziska wippt zaghaft in dem schwarzen Ledersessel. So ganz wohl ist ihr noch nicht in dem Riesending, in dem die 13-Jährige ein Stück versinkt. Aber nach einer Minute Wippen geht es schon besser. Und als der eigentliche Sesselinhaber, Dr. Rockel, ihr verrät: "Manchmal leg ich sogar die Füße auf den Schreibtisch", da lässt Franziska sich das nicht zweimal sagen. Sie klatscht ihre Jeansbeine auf die Tischplatte und grinst. Jetzt ist es da, das coole Chefsessel-Feeling. Und verschwunden die bange Befürchtung, so ein Sessel könnte für ein Mädchen eine Nummer zu groß sein. Und genau deshalb hat Wolfgang Rockel, der Leiter der Telekom-Kundenniederlassung Hamburg, heute Morgen seinen Platz für Franziska geräumt.

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Die Füße lässig auf dem Tisch, beantwortet das Mädchen nun auch die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, später selber mal Bossin zu sein, mit einem entschiedenen: "Ja!" inklusive politisch korrekter Begründung: "Wenn Mädchen sehen, was sie alles machen können, dann machen sie das auch."

Genau so sieht die zwölfjährige Saskja das auch. "Alle Mädchen meinen immer, Männerberufe wären so schwer. Aber so schwer können sie ja gar nicht sein." Saskia für ihren Teil hat nämlich schon die häusliche Kaffeemaschine zerlegt und wieder zusammengebaut und aus der Tatsache, dass sie anschließend funktionierte, geschlossen: "Wenn man Mut hat, schafft man alles!"

In dieser Einstellung werden Franziska, Saskja und die anderen 40 Mädchen, die heute Morgen die Deutsche Telekom in Hamburg gestürmt haben, an diesem Donnerstag schwer ermutigt. Zum Beispiel von Herrn Schlegel. "Ihr seid in der Schule leistungsmäßig besser als die Jungs", bestätigt der Ausbildungsleiter den 12- bis 13-Jährigen in Plateauschuhen und Batikhosen. Und fährt fort: "Aber später ergreift ihr leider meist die typischen Mädchen-Berufe, obwohl ihr viel größere Kapazitäten habt." Und weil das immer noch so ist, werden die Mädchen heute mit Vätern und Müttern, Onkeln und Tanten Computerprogramme schreiben, Kundengespräche führen oder Telefondosen verlegen.

Die Telekom ist, ganz wie rund 30 weitere Groß- und unzählige Kleinunternehmen, mit von der Partie beim TöchterTag oder, wie der Original-Titel der aus den USA importierten Idee lautet: beim "Take Our Daughters to Work Day". Das Konzept: Männer und Frauen nehmen jeweils am letzten Donnerstag im April ihre Töchter oder ein anderes Mädchen mit an ihren Arbeitsplatz. Einen Tag lang sollen die Mädchen erleben, dass ihnen nicht nur das Dutzend üblicher "Frauenberufe", sondern die ganze (Berufs-)Welt offen steht. "Stellt euch den Tag vor, an dem Mädchen wie ihr absolut überall arbeiten werden: als Dirigentinnen, Richterinnen, Forscherinnen, Erfinderinnen", schwärmen die TöchterTag-Erfinderinnen von der feministischen Frauenstiftung "Ms. Foundation".

Im Land der auch für Frauen immer weniger begrenzten Möglichkeiten ist der "Take Our Daughters to Work Day" seit seinem Start 1993 längst zur Institution geworden. 11 Millionen Mädchen haben in diesem Jahr mitgemacht. Die potenziellen Informatikerinnen, Journalistinnen oder Astronautinnen werden von Unternehmen wie American Express, IBM, der New York Times oder der NASA mit offenen Armen empfangen. Für jeden dritten amerikanischen Betrieb ist die Teilnahme am Töchtertag heute Ehrensache.

EMMA berichtet schon seit 1997 über den DaughtersDay und lancierte schon im vergangenen Jahr den ersten deutschen Töchtertag für 2001. Als erster stieg der rot-grün regierte Stadtstaat Hamburg ein. Und die hanseatische Wirtschaft zog rasch mit. Aber auch in anderen Städten regte sich erstmals was. Rund 5.000 deutsche Mädchen zwischen zehn und 15 Jahren schwärmten am 26. April in die Unternehmen aus, davon 1.500 allein in Hamburg.

Wollte eine biologiebegeisterte Tochter nun partout nicht die elterliche Autowerkstatt besichtigen, sprangen NachbarInnen und FreundInnen ein. Beim Flugzeugbauer EADS Airbus brachten die MitarbeiterInnen 600 neugierige Mädchen mit, bei VW waren es 900, und auch bei der Lufthansa und der Deutschen Bahn, bei Siemens und Alcatel, Tchibo und C&A eroberten die Töchter Chefsessel, Computer und Cockpits, aber auch Polizeidienststellen und Politikerbüros.

Folgenreich: Die elfjährige Franziska ist entschlossen, nach der Kletterpartie auf einer alten Diesellok Lokführerin zu werden. Sie wäre die zweite bei der Hamburger Bahn. Ann-Paulin will nach dem Tag mit ihrem Vater auf der Lufthansa-Basis Fuhlsbüttel "später mal Pilotin werden" und im Cockpit sitzen. Auch der Berufswunsch von Anna Katharina hat sich konkretisiert, nachdem sie CDU-Fraktionschef Ole von Beust begleitet hat. Die Zwölfjährige möchte jetzt Bundeskanzlerin werden.

Da läuten in Berlin die Glocken... Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn: "Wir haben heute die bestausgebildete Frauengeneration, die wir je hatten. Aber immer noch ergreifen Mädchen überwiegend traditionelle Frauenberufe, die oft schlechte Zukunftsaussichten und Verdienstmöglichkeiten bieten. Das will ich ändern!" Erstmals, wenn auch etwas kurzfristig, rief auch die Ministerin den "Girls Day" aus.

In der Tat, in Deutschland wählt mehr als jedes zweite Mädchen aus 380 Ausbildungsberufen noch immer nur zehn aus: Spitzenreiterinnen sind Kauffrauen, Friseurinnen und Arzthelferinnen. In den zukunftsträchtigen so genannten IT-Berufen in der Computerbranche liegt der Prozentsatz der weiblichen Azubis unter zehn Prozent - und bei den Ingenieurwissenschaften an den Unis unter fünf. Unter den Top Ten der Jungen rangieren Fachinformatiker oder Fluggerätemechaniker - gut bezahlte Jobs mit Aufstiegsmöglichkeiten.

In Hamburg ergreift jede Dritte der 14.000 weiblichen Azubis einen traditionellen Frauenberuf. Deshalb war in der Hansestadt auch das Arbeitsamt beim Töchtertag mit von der Partie. Frauenbeauftragte Mechthild Pingler: "Der Weg vom Vater zum Sohn ist ja vorgezeichnet: Der Vater geht in die

Garage, und der Sohn geht mit. Dass die Väter mal was an die Töchter weitergeben, ist nicht vorgesehen." Deshalb sieht die Frauenbeauftragte zwischen einem Tag der offenen Tür, den viele Betriebe regelmäßig veranstalten, und dem TöchterTag auch "einen himmelweiter Unterschied".

In der Hansestadt riefen die grüne Gleichstellungssenatorin Krista Sager und die rote Schulsenatorin Ute Pape den Töchter- Tag für das ganze Bundesland aus. Berlin und Niedersachsen folgten dem guten Beispiel, wenn auch spät. Der Töchtertag 2002 am 25. April, da herrscht Konsens, soll rechtzeitig geplant werden. So wie in Hamburg. Seit Anfang des Jahres schrieben die Senatorinnen Schulen und Betrieben und erteilten den Töchtern für den großen Tag schulfrei. Bei vielen Unter- nehmen stießen die Senatorinnen auf ohnehin schon offene Ohren, so beim Flugzeugbauer Airbus in Hamburg-Finkenwerder. "Airbus Delivery Centre. Head of Maintenance. Management" steht auf dem Respekt einflößenden Türschild von
Susanne Feller. Direkt vor der breiten Fensterfront ihres Büros steht ein riesiges Flugzeug mit Gangway, weiter hinten liegen die Test-Landebahn, die Endmontagehalle und die Lackiererei. Und dahinter die Elbe. Die Wände des Büros sind bedeckt mit Fotos und Postern von Flugzeugen. "Was Mama genau macht, versteht kein Mensch", antwortet Swantje lässig auf die Frage, was die beeindruckenden neudeutschen Titel auf dem Türschild nun eigentlich zu sagen haben. "Sie kriegt, glaub' ich, irgendwie das Flugzeug, wenn es schon richtig fertig ist und nur noch gecheckt wird."

Das stimmt im Großen und Ganzen. Maschinenbau-Ingenieurin Feller ist Vorgesetzte von 55 Mechanikern, und als solche dafür zuständig, dass die Flieger wirklich fehlerfrei an den Kunden ausgeliefert werden. So oder so ist die 16-jährige Swantje mit den von hippen Klämmerchen geplätteten rot gefärbten Haaren jedenfalls superstolz auf ihre Mutter. "Also, erstmal find ich toll, dass sie so viele Männer unter sich hat. Und wie sie alles organisiert. Und dass sie mit so vielen Leuten aus aller Welt zu tun hat."

Was die Mama mit den raspelkurzen grauen Haaren mit den vielen untergebenen Männern macht, wird für Swantje im Laufe des Töchtertages etwas klarer. Zum Beispiel als einer dieser Männer mit einem Funkgerät auf der Landebahn auf ihre Mutter zu rennt. Ein Teil am Triebwerk eines Flugzeugs ist defekt und muss ausgewechselt werden, damit es morgen Abend pünktlich ausgeliefert werden kann. Susanne Feller gibt in ihrer Windjacke gelassen und kompetent Anweisungen. Sie muss jetzt ein Reparaturteam zusammenstellen, eventuell sogar eine Sonderschicht einberufen.

So was wie ihre Mutter zu machen, das kann Swantje sich gut vorstellen. Wenngleich sie auch Sportmanagement durchaus für "eine spannende Sache" hält und auch mit "irgendwas mit Musik" liebäugelt, weil die "tierisch Spaß macht". Aber eins ist klar: "Es gibt ungefähr drei Prozent Frauen in Führungspositionen. Und zu diesen drei Prozent möcht' ich auch gern gehören!" An ihrer Qualifikation zweifelt Swantje nicht. "Also: Wenn man eine Führungsposition haben will, muss man selbstbewusst sein und sich gegen Männer durchsetzen können. Und das kann ich ja jetzt schon."

Naheliegenderweise wollte Swantje kurzfristig auch mal Pilotin werden, "aber das hab ich nach zwei Wochen wieder abgeschrieben".

Im Gegensatz zu ihrer heutigen Büronachbarin Saskia Melzow. Die ist mit Vater Rolf seit heute Morgen in der Lehrwerkstatt und der Montagehalle unterwegs, aber: "Nö, die Flugzeuge, die da so rumstehen, interessieren mich nicht so". Das findet die EMMA-Reporterin natürlich schade. Wo doch der Vater... "Ja. Aber ich will Kampfpilotin werden."

Äh, Kampfpilotin? - "Ja, weil, ich interessier' mich schon fürs Fliegen, aber diese Passagierflugzeuge sind mir irgendwie nicht aufregend genug."  Das kann ja heiter werden. Auch Papa Rolf muss beim neuen Berufswunsch seiner Tochter schlucken, schwankt aber zwischen Irritation und Stolz, weil er "selber lange bei der Bundeswehr in der Fliegerei war" und die Faszination der Tochter verstehen kann. "‚Wir dürfen es bloß meiner Frau nicht sagen."

An diesem Morgen erleben Swantje und Saskia einen echten Triebwerks-Probedurchlauf und dürfen, bis das Flugzeug auf der Test-Landebahn abhebt, im Cockpit mitfahren und Fragen zu den vielen Knöpfen und Schaltern stellen. Und am Nachmittag besichtigen sie zusammen mit 380 weiteren Töchtern die riesige Endmontagehalle mit den vor der Lackierung noch hellgrünen Passagierflugzeugen, an denen gelb-orange Gerüste lehnen.

Airbus hat für die Führung an diesem Tag ausschließlich weibliche Mitarbeiter engagiert. Zum Beispiel Fluggeräteelektronikerin Helga Jirsat. Sie erklärt den Mädchen, die mit ihren Häkeltaschen und Augenbrauenpiercings Hand in Hand durch die Halle schlendern, wie das Seitenleitwerk angebaut wird, dass an diesem Modell der Radar noch fehlt und warum ein Flugzeug durch die Strömungsgeschwindigkeit überhaupt in der Luft bleibt. Oder Tanja Schiwon, eine von fünf Airbus-Fluggerätemechanikerinnen im ersten Lehrjahr, die es "superwichtig" findet, "dass man die Mädchen jetzt schon in ganz jungen Jahren an diese Berufe ranführt".

Sogar die Lufthansa, der noch in den 80ern ein Prozess wg. Nichtzulassung weiblicher Kandidaten für die Pilotenausbildung drohte - worüber EMMA 1986 empört berichtete! -, legt heute Wert auf weibliche Vorbilder. Verfahrensingenieurin, Fluggerätebauerin, Lackiererin, Elektronikerin, Umweltbeauftragte steht auf den Schildern, die vor den Frauen an den Tischen im "Gesprächsrundenraum" aufgebaut sind. Da können sich die 130 Gästinnen dazusetzen und, ohne Angst vor Publikum, die Fachfrauen mit Fragen löchern.

Carina hat eine leuchtend rote Schramme auf der Stirn, von einem Kickboard-Unfall, und ist daher bei Sicherheitsingenieurin Gabriele Kamradt am richtigen Tisch.

"Ich gehe gern in die Werkstätten und rede mit den Meistern und Vormännern", berichtet die Frau im Arbeits-Overall. "Und ich mag, dass man bei meinem Job was bewegt, was anfassen kann." Auch Vivianne, die heute Nachmittag mit ihrer Tante "die Tanks am Computer überprüfen" wird, findet den Töchtertag klasse, "weil es ist ja so: Die Männer haben die hohen Posten, und die Frauen werden Verkäuferin." Sie selbst interessiert sich für Biologie. Aber das wird dann später schon schwierig, sich gegen die Männer zu behaupten, befürchtet Vivianne.

"Nö, wieso?", fragt Carina gelassen. - "Weil die Männer denken, eine Frau kann so was nicht." Der Disput zwischen den beiden Elfjährigen ist eröffnet. "Ich kann nicht verstehen, dass sie Angst hat", sagt Carina cool. "Klar buttern die Männer einen unter. Aber dann muss man eben zeigen, dass man's kann!"

Ein paar Kilometer weiter hat Lucie heute zusammen mit sieben weiteren Mädels beim NDR ihren ersten Radiobeitrag fabriziert, und der ist sogar gesendet worden. Das Rechtsanwaltsbüro ihres Vaters hatte die 13-Jährige für "zu langweilig" befunden und den "Mann der Freundin meiner Mutter" konsultiert. "Der Thomas" ist nämlich Redakteur beim NDR und nahm sie prompt am TöchterTag mit ins Funkhaus.

Früher wollte Lucie Kinderärztin werden, bis sie in einem Fernsehbeitrag erfuhr, dass "man da Skelette oder so sezieren muss". Das war ihr entschieden zu eklig. Nach ihrem heutigen Streifzug durch die Redaktionen, der Begegnung mit Landesfunkhauschefin Dagmar Rein, dem Mittagessen mit Moderator Uli und vor allem ihrer eigenen Stimme im Äther steht der neue Berufswunsch jetzt fest, zumindest für heute: "Ich werd' Moderatorin."

Es waren aber nicht nur die Bosse und Behörden, die den Startschuss zum TöchterTag gaben. In etlichen Fällen war er auch einfach eine spontane Initiative, zum Beispiel im Polizeikommissariat Poppenbüttel. "Die Mädels wären bei uns goldrichtig", fand Kriminalhauptkommissar Hans Siebensohn nach der Lektüre des Briefs von Senatorin Sager, der Anfang des Jahres an alle Hamburger Behörden gegangen war.

Und so hatten die Poppenbütteler PolizistInnen am 26. April nicht nur die zwölfjährige Lisa, Tochter von Kriminalhauptkommissar Holger Bogert, zu Gast, sondern auch Alena, Krystyna, Johanna und Katharina. Letztere hatten sich selbst ans Telefon gehängt, nachdem sie in der Schule vom TöchterTag erfahren hatten, und im Kommissariat nachgefragt: "Unsere Eltern machen so was Langweiliges, wir wollen aber was mit Action kennen lernen!"

In einer richtigen Lederjacke durften die fünf Mädels über die Straße schlendern, die Einsatzzentrale und den Zellentrakt besichtigen - Kommentar Krystyna: "Hier müssten wir unsere Jungs mal reinstecken!" - und mit den BeamtInnen über deren Stress und ihre Ängste reden. Bald werden Johanna und Katharina auch mal eine Fahrt im Streifenwagen machen: Die beiden haben schon ein Praktikum für die nächsten Ferien klargemacht.

Deutsche Frauen haben bei der Polizei überhaupt erst seit 1979 Zugang. Doch schon 25 der 127 Poppenbütteler PolizeibeamtInnen sind heute weiblich. In Hamburg ist inzwischen jeder siebte Uniformierte eine Frau, und auch die nächsten freien Stellen sollen möglichst mit Frauen besetzt werden. "Und da hab ich mir gesagt", erklärt Kriminalhauptkommissar Siebensohn: "Wenn wir weiblichen Nachwuchs wollen, dann müssen wir uns gut verkaufen!"

Auch die Lufthansa sucht laut Pressesprecher Manfred Schmidt mittlerweile "händeringend" Nachwuchspiloten und will "auf die ungenutzten Potenziale zurückgreifen, die da rumschlummern", sprich: die Mädchen. Schmidt: "Mit so einem TöchterTag wollen wir diese ganzen Klischees über die angeblich so knallharten Männerberufe abbauen und den Mädchen zeigen: Das ist gar nicht so schlimm, wie ihr euch das vorstellt."

Fachkräftemangel führt in immer mehr Unternehmen zum heftigen Werben um weiblichen Nachwuchs. So hat Siemens eine Projektgruppe ins Leben gerufen, die den Frauenanteil in Führungspositionen in den nächsten drei Jahren verdoppeln und die Zahl der Ingenieurinnen und Informatikerinnen im Unternehmen - zur Zeit nur fünf Prozent - erhöhen soll. Und die Telekom, Anteil der Mädchen in den IT-Berufen zwölf Prozent, hat im April ein nagelneues Frauenprogramm verabschiedet: In allen Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sollen sie ab sofort bevorzugt eingestellt werden.

Mädchen haben Zukunft.

Da ist es nicht überraschend, dass der Töchtertag nicht ganz ohne Protest der Söhne bzw. ihrer Fürsprecher blieb. So klagte die Hamburger Lehrerkammer, man wisse nicht, "wie man die Jungen an diesem Tag sinnvoll beschäftigen" könne. Und natürlich meckerte auch so mancher Junge über die "ungerechte Bevorzugung der Mädchen".

Manche LehrerInnen nutzten das Unterrichtsmaterial, das das Hamburger Institut für Lehrerfortbildung vorsorglich bereitgestellt hatte: wie die Jungen sich mit ihrer zukünftigen Rolle als Ehemänner, Freunde und Väter auseinander setzen können. Aber die Besichtigung von Chefetagen, Cockpits und Dampfloks ist natürlich etwas aufregender als die drögen Gender-Debatten im Klassenraum. Für Ministerin Bulmahns Berliner Koordinationsstelle für den nächsten TöchterTag ist klar, dass es am 25. April 2002 ein reizvolleres Angebot für das vernachlässigte Geschlecht geben muss.

Doch eines ist schon jetzt klar: der Töchtertag 2002 wird der Knaller! Einen "sehr sehr guten Aktionsstart und eine superpositive Resonanz von den Mädchen" meldet Sabine Mellies von der bundesweiten Koordinationsstelle in Bielefeld. Noch am Abend des 26. April landeten die ersten E-mails in ihrem Computer: "Danke! Der GirlsDay war echt klasse! Maren, Freya und Sandra" - "Ich war mit meinem Vater beim Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft. Sandra" - "Hat Spaß gemacht. Ich habe fast den ganzen Tag gearbeitet und will im nächsten Jahr wieder mitmachen. Anne, 13".

Ministerin Bulmahn ist entschlossen, die Kultusministerien der Länder vom Töchtertag 2002 zu überzeugen. Und der Kanzler? Schaun wir mal. Am 22. März hatte EMMA an Bundeskanzler Schröder geschrieben: "Für den 25. April 2002 hoffen wir auch in Deutschland auf einen landesweiten TöchterTag. Doch haben wir schon für dieses Jahr den Vorschlag, dass Sie, der Bundeskanzler, Ihre Tochter am 26. April mit an Ihren Arbeitsplatz nehmen."

Die Antwort steht noch aus. Wird es also was für den 25. April 2002, Herr Bundeskanzler?

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