Damenwahl in Österreich

Damenwahl
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Man könnte glauben, es handele sich bei den schwarzen, roten und grünen Säulen auf dem Plakat um die neuesten Wahlprognosen. Aber wer genau hinschaut, sieht: Das kann nicht sein! Denn demnach würden die österreichischen Sozialdemokraten 1,1 Prozent der Stimmen bekommen, die konservative ÖVP 7,3 Prozent und die Grünen 15,2 Prozent. Was Maggie Jansenberger und ihrer Mitstreiterinnen den Passantinnen (und Passanten) in der Grazer Fußgängerzone mit ihrem Säulendiagramm zeigen möchten, ist: Welche Partei hat wie viele ihrer Forderungen in ihr Wahlprogramm übernommen?

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Welche will Quoten? Welche plant eine verbindliche Elternzeit für Väter? Welche verspricht die Finanzierung von Frauenhäusern?

„Frauenpolitik ist für die Parteien kein Thema – wenn man’s nicht auf’s Tapet bringt!“, weiß Maggie Jansenberger aus Erfahrung. Deshalb hat die Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz gemeinsam mit dem Grazer Frauenrat eine Initiative ins Leben gerufen, die dafür sorgen soll, dass die österreichischen Parteien an den sogenannten „Frauenthemen“ nicht vorbeikommen. Titel: Damenwahl.

Erstmals aktiv wurden Jansenberger & Co. 2010 zur Kommunalwahl, 2012 traten sie bei der steierischen Landtagswahl auf den Plan. Und jetzt sind die Damen wieder im Einsatz: Eine Woche nach Deutschland wählt auch Österreich. Und genau wie hierzulande stellen Wählerinnen bei den Nationalratswahlen am 29. September mit 52 Prozent die Mehrheit. Und damit die Parteien diese Wählergruppe und ihre speziellen Bedürfnisse nicht vergessen, hat Damenwahl Forderungen zu 23 Themen aufgestellt: von A wie Abtreibung bis Z wie Zugang zum Öffentlichen Nahverkehr. Bei Redaktionsschluss standen die ­Antworten der Parteien noch aus (die oben erwähnten Zahlen stammen von der Landtagswahl 2012). Was Maggie Jansenberger aber schon sagen kann, ist: „Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist inzwischen bei allen Parteien angekommen.“ Was die PolitikerInnen hingegen weiterhin ignorieren, ist der alltägliche Sexismus in Medien und Werbung. Zum Ärger der Frauenbeauftragten, die 2009 die „Watchgroup gegen ­sexistische Werbung“ ins Leben gerufen hatte. Selbstredend steht ein „einheitliches bundesgesetzliches Verbot diskriminierender Werbung inklusive angemessener Sanktionen“ im Forderungskatalog.

Natürlich debattiert auch Österreich über die Quote. Während die SPÖ mit ihrer rührigen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek immerhin 40 Prozent Frauen in ­Aufsichtsräten fordert (und der konservative Koalitionspartner ÖVP dies ablehnt), will Damenwahl konsequent halbe-halbe machen. Und zwar nicht nur in Aufsichtsräten und Vorständen, sondern auch in Parlament und Regierung und in öffentlichen Gremien. „Außerdem wollen wir die staatliche Parteienförderung daran knüpfen, dass die Partei zur Hälfte Frauen aufstellt.“

A propos halbe-halbe: 44 Prozent der berufstätigen Österreicherinnen arbeiten Teilzeit (aber nur neun Prozent der Männer). Das sind vier Prozent mehr als in Deutschland, das in Sachen Frauen-Teilzeit auch schon zu den europäischen Spitzenreitern gehört. Damenwahl fordert: „Keine weitere Deregulierung des Arbeitsmarkts, sondern Beseitigung unsicherer Arbeitsverhältnisse und mehr Vollarbeitsplätze.“

Und dann ist da noch das Thema Abtreibung, das kürzlich durch einen Skandal wieder aktuell wurde. Eine Wiener Ärztin hatte in ihrer Abtreibungsklinik Schwangerschaftsabbrüche mit regelrechten Metzgermethoden vorgenommen. 16 Frauen waren mit durchstoßenen Gebärmüttern und schweren Blutungen in Krankenhäuser eingeliefert worden. Die Ärztin hat jetzt Berufsverbot. Aber für Maggie Jansenberger ist der Fall damit nicht erledigt. Obwohl Österreich seit 1975 die Fristenlösung hat, führen immer weniger Kliniken Schwangerschaftsabbrüche durch. Auch deshalb, weil immer weniger ÄrztInnen in der Ausbildung lernen, wie man eine ­Abtreibung vornimmt. Der Druck durch konservative PolitikerInnen, Kirchen und „Lebensschützer“ hat gewirkt: Besonders, aber nicht nur auf dem Land finden Frauen oft keine Klinik oder Praxis mehr, die ihre ungewollte Schwangerschaft beendet.

„Deshalb fordern wir, dass Krankenhäuser verpflichtet werden müssen, Abbrüche vorzunehmen“, erklärt Jansenberger. Die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen müsse „integraler Bestandteil der Facharztausbildung“ sein. „Und wir wollen, dass um Einrichtungen, die Abtreibungen durchführen, Schutzzonen errichtet werden.“ Denn in Österreich sind die christlich-fundamentalistischen „Lebensschützer“ besonders aktiv. „Bei uns in Graz zum Beispiel veranstalten sie einmal im Monat einen ­‚Gebetszug‘ zu einer Abtreibungsklinik und belästigen die Frauen, die hinein wollen.“

Am 29. September ist es an den Österreicherinnen, aus der Nationalratswahl tatsächlich eine „Damenwahl“ zu machen.

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