Die Preisverleihung des 10. JournalistInnenpreises in Berlin

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Der festliche Rahmen passte zum festlichen Anlass: Der Preis, der mal in Köln und mal in Berlin vergeben wird, hatte Jubiläum: 1990 von EMMA initiiert, wurde er jetzt zum 10. Mal vergeben. Zum neunten Mal steuerte das Frauenministerium NRW die Preisgelder bei. Und zum vierten Mal gab es einen Sonderpreis Männer – der wurde in diesem Jahr gleich dreimal verliehen.

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Was nicht nur daran lag, dass 2008 doppelt so viele Männer eingereicht hatten wie 2006 – und 50 Prozent mehr Journalistinnen als beim letzten Mal! –, sondern auch daran, dass ungewöhnlich viele preisverdächtige Texte eingereicht worden waren: insgesamt 173 JournalistInnen hatten 264 Texte geschickt. Die Jury hatte die Qual der Wahl am 6. Mai in der Kölner EMMA-Redaktion und debattierte einen ganzen Tag lang, bis in den Abend hinein. Die 1. Preisträgerin, die Reporterin der Süddeutschen Zeitung Renate Meinhof, stand bald für alle fest. Da ging es nur noch um die Frage, welcher ihrer drei hervorragenden Texte nun der allerbeste sei. Den Ausschlag gab dann das Argument der Schriftstellerin Julia Franck, die Meinhofs Schilderung der prekären Lage gerade der jungen, armen Mütter, sowie der anhaltenden Kluft zwischen Ost und West am eindringlichsten fand. Meinhof ist übrigens selber auch Mutter zweier Kinder.

Die 2. Preisträgerin, Barbara Hardinghaus, konnte zu ihrem großen Bedauern nicht dabei sein, Bandscheibenvorfall. Darum mailte sie, warum sie so besonders gern dabei gewesen wäre, wenn ihre Geschichte über die zwei 100-jährigen Frauen prämiert wird: „Jede Antwort war ein Geschenk nach dem anderen. Die beiden Frauen sind toll. Die eine leichter, die andere schwerer. Beide sind sie neugierig, wach, so klug und wissen Sie was, Frau Schwarzer? Die sind beide auch echt cool gewesen. Gar nicht verschnörkelt und ganz gelassen.“

Es machte Jury-Mitglied Julia Voss (FAZ) sichtbar Spaß, für Hardinghaus und die anderen die Laudatio halten. Und Jury-Mitglied Necla Kelek war spürbar bewegt bei ihrer Auszeichnung der Beiträge über Ehrenmorde und Zwangsehen.

Beim 3. Platz hatte die Jury sich einfach nicht entscheiden können. Alle drei Beiträge sind auf unterschiedliche Weise gleich gut: der bedrückend aktuelle Rückblick von Christiane Kohl auf die Spätfolgen der Leipziger Bordellaffäre, der lehrreiche Rundumschlag von Sonja Banze über das globalisierte Geschäft mit den Möchtegern- und Star-Models und die so mutige wie einfühlsame Reportage von Susanne Krieg über die Zwangsehen in Nepal und Afghanistan.

Ganz besonders berührt war die Jury von Susanne Schneiders Text „Hurra, ich lebe noch!“. Die Textchefin des Magazins der Süddeutschen Zeitung hatte über Jahre immer wieder Artikel von KollegInnen eingereicht, mit viel Erfolg. Diesmal war es umgekehrt: Die Redaktion hatte Schneiders so persönlichen Text über ihr langes Schweben zwischen Leben und Tod zur Prämierung vorgeschlagen. Ganz klar: ein Sonderpreis!

Eine Überraschung für die Jury selbst war der zweite Sonderpreis. Er ging an Pia Döhler, die in der Neuen Presse Coburg eine achtteilige Serie über „Rollentausch – Frauen in Männerberufen – und Männer in Frauenberufen“ durchgesetzt hatte. Erst nach der Entscheidung enthüllte Redaktionsassistentin Margitta Hösel: Pia Döhler ist erst 20 Jahre alt.

Pia ist typisch für die aktuelle Entwicklung: Zur Zeit sind mehr junge Frauen auf den Journalistenschulen als junge Männer. Und die Zahl der Redakteurinnen ist seit 1990 von 25 auf 37 Prozent gestiegen. Doch ab dem fünften Berufsjahr brechen die Journalistinnen wieder ein. Wir ahnen, warum: Nicht-Vereinbarkeit von Beruf und Familie heißt das Stichwort. Und, so Alice Schwarzer in ihrer Rede, vielleicht auch mangelnde Leidenschaft. Schwarzer: „Denn Leidenschaft ist für einen Beruf wie den Journalismus unerlässlich – doch bis heute gestehen Frauen sich zwar Leidenschaft für die Liebe zu, aber machen beim Beruf eher laue Kompromisse.“

NRW-Staatssekretärin Marion Gierden-Jülich, stellvertretend für den verhinderten Frauenminister Laschet da, erinnerte daran, dass der ARD-Nachrichtensprecher Köpcke noch 1975 ungestraft öffentlich sagen konnte: „Die Nachricht verlangt eine sachlich unterkühlte Distanz. Frauen sind aber emotionale Wesen.“ Nun, die Zeiten sind vorbei. Auch Frauen dürfen Verstand zeigen – und Männer Gefühl und Mitgefühl.

So die drei männlichen Preisträger: Mario Kaiser vom Spiegel mit seiner lakonischen Schilderung der Begegnung von zwei Welten in einem deutschen Gerichtssaal. Und Florian Klenk vom Falter, der extra von Wien angereist war. Sein Text über die Machenschaften eines internationalen Callgirl-Rings, dessen Telefonprotokolle ihm zugespielt worden waren, hatte in Österreich einen Prozess gegen die Täter und Verurteilungen ausgelöst! Klenk nutzt die Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen, dass die so lebensrettende Arbeit von KARO am „längsten Straßenstrich Europas“, zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei, vom Aus bedroht ist wg. gestrichener Zuschüsse (Spendenkonto KARO, Volksbank Vogtland, BLZ 87095824, Kto. 5002076014 - www.karo-ev.de).

Auf „fast unheimliche Weise viel“ verstehe der Kollege Dirk Kurbjuweit etwas von Frauen, sagte Laudatorin Schwarzer und bekannte, dass sie seine 2007 im Spiegel erschienenen Titelgeschichte über die „Frauenrepublik“ liebend gerne in EMMA veröffentlicht hätte.

Dass Frauen Männer verstehen, sind wir gewohnt. Dass Männer Frauen verstehen, ist neu. Oder nicht? Moritz Rinke findet es eine olle Kamelle und feixte beim anschließenden Sekt: „Diese Unterschiede, gegen die Sie zu recht so gekämpft haben, die gibt es doch gar nicht mehr, Frau Schwarzer.“ Schön wär’s. Aber wir scheinen auf einem guten Weg zu sein. – Übrigens: Für den JournalistInnenpreis 2010 kann ab sofort eingereicht werden.

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