Eizellspende: Gegen jede Ethik!

Prof. Sigrid Graumann. Foto: Ev. Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
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Frau Prof. Graumann, was halten Sie von dem Begriff Eizellspende?
Ich halte ihn für problematisch, weil die „Spende“ den kommerziellen Charakter verschleiert. Ich verwende ihn in Anführungszeichen.

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Wann ist das Thema  „Eizellspende“ für Sie aktuell geworden?
Seit es die kommerziellen Angebote, vor allem in Tschechien und Spanien, gibt, und deutsche Kinderwunschpatientinnen die Angebote im Ausland in großen Zahlen nutzen. Seitdem wurden die Forderungen vor allem aus den Kreisen der Fortpflanzungsmedizin immer stärker. Zunächst sollte die Präimplantationsdiagnostik legalisiert werden, dann folgten weitere Versuche, unsere angeblich konservative Gesetzgebung zu „modernisieren“. Die Absicht, die „Eizellspende“ zu legalisieren, war immer ein Teil dieser Forderungen. Mein Eindruck ist, dass die Kinderwusch-Lobby auf eine politisch günstige Konstellation gewartet hat.

Wer genau ist diese Lobby?
In erster Linie natürlich die Kinderwunsch-Zentren und -Kliniken. Das alles geht Hand in Hand mit der Kommerzialisierung unseres Gesundheitswesens. Vor der Privatisierung der Kliniken war die Fortpflanzungsmedizin in der Forschung der Unikliniken angesiedelt. Dann aber wurden die Kinderwunschzentren zu Privatpraxen. Es ist ein Feld der Medizin geworden, auf dem richtig viel Geld gemacht wird – ähnlich der Schönheitschirurgie, Sportmedizin oder Orthopädie.

Wo überschreitet die „Eizellspende“ Ihrer Meinung nach die medizinisch-ethische Grenze?
Es ist ein invasiver Eingriff, der körperlich durch die Hormonbehandlung hochbelastend ist und einen operativen Eingriff mit Vollnarkose beinhaltet. So ein Eingriff ist aus medizinethischer Sicht nicht ohne weiteres legitimierbar, wenn er nicht zum Wohle der Patientin selbst geschieht. Bei der „Eizellspende“ aber wird auf Verlangen einer Kinderwunschpatientin auf den Körper einer anderen Frau zurückgegriffen und ihre Gesundheit riskiert. Der Arzt fühlt sich primär seiner Kinderwunschpatientin gegenüber verpflichtet. In diesem Dreiecksverhältnis besteht immer die strukturelle Gefahr, dass die „Eizellspenderin“ instrumentalisiert wird. Daran würde auch die beste Aufklärung und Beratung nichts ändern.

Die FDP, die bislang weder gesundheitspolitisch noch familienpolitisch aufgefallen ist, treibt die Legalisierung von Leihmutterschaft und Eizellspende vehement voran.
Mein Eindruck ist, dass die FDP-PolitikerInnen, die das stark vertreten, eine doppelte Motivation haben. Die eine ist, Zugeständnisse an die Ärzteschaft zu machen, die sie in großen Zahlen als Wählerschaft haben. Das andere Motiv spielt aber die Hauptrolle. Diese PolitikerInnen meinen, sich bei diesen Themen modern und liberal geben zu können. Was ihnen fehlt, ist die Sachkenntnis. Sie stürmen gegen das Embryonenschutzgesetz, sehen aber nicht, dass es die Rechte von Frauen noch immer gut schützt. Daran wirkt auch eine Reihe von JuristInnen mit, die – oft in polemischer Weise – zu betonen versucht, wie konservativ Deutschland doch ist und wie liberal sie selber seien. Doch diese Art von Freiheitsbegriff ist in Wahrheit antiliberal. Es ist letztlich die Vorstellung, alles tun und lassen zu können, ohne für die Konsequenzen verantwortlich zu sein. Das Streben nach Selbstverwirklichung darf die Verantwortung für Dritte und für gesellschaftliche Konsequenzen nicht ausblenden. Es darf nicht nur um die Freiheit des Stärkeren gehen, das zerstört unser Gemeinwesen.

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Von den Kinderwunschkliniken und auch von der FDP wird gern der Begriff „Altruismus“ aufgerufen. Also eine Spende aus Nächstenliebe. Was halten Sie davon?
Mit diesem Etikett wird der gesamte kommerzielle Charakter dieses Geschäftes verschleiert. Wir wissen aus empirischen Studien zu „Eizellspenderinnen“, dass wirtschaftliche und nicht altruistische Gründe eine Rolle spielen. Ohne wirtschaftliche Motive ist kaum eine Frau zur „Eizellspende“ bereit. Dass die Frauen dennoch angeben, kinderlosen Paaren helfen zu wollen, ist verständlich. Es erleichtert moralisch, die Abgabe von Eizellen gegen Geld nach außen und gegenüber sich selbst zu rechtfertigen.

Und die herrschenden Geschlechterverhältnisse spielen natürlich auch eine Rolle.
Natürlich. Mit dem Begriff Altruismus wird im Grunde an die traditionelle Rollenerwartung von Frauen angeschlossen, nach der sie sich selbstlos um das Wohlergehen anderer sorgen sollen. Und es hilft natürlich auch den Paaren in der Kinderwunschklinik, eine solche „Spende“ anzunehmen. Da steckt einfach ganz viel Ideologie drin, die dekonstruiert werden muss.

In Sachen Altruismus wird von der Lobby auch gern die „Lebendorganspende“ ins Feld geführt. Der Bundespräsident, der seiner Frau eine Niere gespendet hat, etc. Die Organspende ist ja in Deutschland erlaubt.
Die Lebendorganspende ist eine ganz besondere Praxis, die auch nicht unproblematisch und deshalb streng reguliert ist. Weltweit gesehen gibt es auch hier eine Besorgnis erregende kommerzielle Entwicklung. Menschen aus armen Ländern verkaufen ihre Niere oder Leber aus wirtschaftlicher Not. In Deutschland ist die Lebendorganspende strikt nicht-kommerziell und an eine enge persönliche Beziehung von SpenderIn und EmpfängerIn gebunden. Und Letztere muss sich in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Über ein Prüfverfahren wird jede Form von sozialem Druck und kommerziellem Interesse ausgeschlossen. Das gelingt vielleicht nicht immer, aber die Intention ist klar. Das alles ist mit der „Eizellspende“ überhaupt nicht vergleichbar. Hier haben wir es mit rein kommerziellen Interessen zu tun. Manche leiden sehr unter einem unerfüllten Kinderwunsch, aber es stirbt niemand, wenn er kein Kind bekommen kann.

Die WHO hat Unfruchtbarkeit als Behinderung anerkannt. Wie beurteilen Sie das?
Ich sehe die WHO-Position ambivalent. Meine Kritik daran ist, dass Menschen, die auch ohne Kinder ein erfülltes Leben führen, stigmatisiert werden. Der häufigste Grund für Unfruchtbarkeit ist ein zu hohes Alter der Frau – das ist keine Krankheit. Und wir müssen sogar damit rechnen, dass die jungen Frauen, die sich heute als „Spenderinnen“ zur Verfügung stellen, später selbst unfruchtbar sein können – etwa durch die Hormonbehandlung oder durch Vernarbungen der Eierstöcke, die immer wieder punktiert werden. Aber dieses Argument wird in der Fortpflanzungsmedizin komplett negiert. Für eine Einstufung als Behinderung spricht der internationale Blick auf Frauenrechte. Da geht es darum, die Fruchtbarkeit von Frauen, aber auch von Männern zu schützen, etwa vor Umweltgifte.

Von der Lobby für Leihmutterschaft und Eizellverkauf werden gern die „geordneten Bahnen“ aufgerufen, die Deutschland ja im Vergleich zu wirtschaftlich schwächeren Ländern ermöglichen könnte. Gibt es die?
Was soll das für ein Argument sein? Dann könnten wir ja auch die Kinderarbeit legalisieren – etwa in gut regulierten Teppichknüpffabriken. Um es deutlich zu sagen: Die Abgabe von Eizellen funktioniert nicht ohne Wohlstandsgefälle. Der Markt funktioniert nicht ohne die medizinisch fremdnützigen und damit fragwürdigen invasiven Eingriffe in die Körper von Frauen. Dieser Markt funktioniert nur über einen transnationalen Handel. In Ländern, die zwar die Eizellabgabe legalisiert, aber dieses Wohlstandsgefälle nicht haben, boomt der Markt nicht so wie in ärmeren Ländern. Und er speist sich immer aus weniger privilegierten Frauen, in Spanien, in  Tschechien, in der Ukraine und in anderen Ländern.

Was muss passieren?
Der Handel mit Eizellen muss in Deutschland verboten bleiben! Die Folge kann nicht sein, dass wir ethisch höchstfragwürdige Praktiken bei uns zulassen, nur weil andere Länder es tun. Und dort, wo der Handel nicht verboten ist, brauchen wir eine internationale Regulierung für den transnationalen medizinischen Markt, die die Rechte von Frauen in den Mittelpunkt stellt. Und das liegt auch in der Verantwortung von wohlhabenderen Ländern und Staaten, aus denen die KundInnen kommen. Wir gehen in anderen Bereichen auch europäisch vor.

Was würde eine Legalisierung von „Eizellspende“ und Leihmutterschaft für Frauen in Deutschland konkret bedeuten?
Es würde das Signal senden, „Eizellspende“ sei ethisch vertretbar und damit den transnationalen Eizellhandel weiter befördern. In welchem Umfang sich „Eizellspende“ hierzulande durchsetzen könnte, hängt von der Entwicklung des Wohlstandsgefälles ab. Nur in Ländern, in denen viele Frauen prekär leben, floriert die „Eizellspende“. Generell ist die Zulassung und Propagierung von „Eizellspende“ und auch von Leihmutterschaft ein Rückschritt für alle Frauen und ihre reproduktiven Rechte. Die Interessen von privilegierten Paaren gehen zu Lasten ärmerer Frauen.

Die FDP verkauft das gern als „reproduktive Selbstbestimmung“.
Reproduktive Rechte müssen als Frauen- und Menschenrechte verstanden werden. Inklusive Familienplanung, Schwangerschaftsabbruch, Versorgung und Schutz von Schwangeren und auch Schutz vor Umweltgiften. Das sind Menschenrechtsthemen, die über viele Jahrzehnte von der Frauenbewegung erkämpft wurden. Dieses tiefe frauenpolitische Verständnis gerät mit der neuen Ausrichtung durch die Fortpflanzungsmedizin und ihre Lobby unter Druck.

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