Ein Besuch im FrauenMediaTurm

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Heute geht der FMT mit einer relaunchten Webseite online. Sie soll es den UserInnen noch leichter machen, die Schätze zu heben. Sehr vieles kann direkt online recherchiert werden, nach Schlagworten oder auch Volltext – wie zum Beispiel die „Chronik der Neuen Frauenbewegung“ – anderes vor Ort und via Fernleihe.

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Der FMT ist Mitglied bei i.d.a. und Teil des Digitalisierungsprojektes DDF. Er bringt in die am 13. September startende gemeinsame Plattform u.a. folgende digitalisierte Dokumente aus seinen Beständen ein: 1. Die „Frauenzeitung: Frauen gemeinsam sind stark“, eine überregionale feministische Zeitschrift, herausgegeben 1973 bis 1976 von wechselnden Frauengruppen. 2. Alice Schwarzer „Frauen gegen den § 218“, das Buch zur Selbstbezichtigungsaktion, mit einem Nachwort der Sozialistischen Frauen München (edition Suhrkamp 1971). 3. Diverse Dokumente der Berliner Frauengruppe „Brot und Rosen“ aus den Jahren 1972 – 1974, zur Verhütung und Abtreibung. 4. Sieben Tagebücher und Teile des Nachlasses von Minna Cauer (1841 – 1922), eine Pionierin der Historischen Frauenbewegung, im FMT im Original.

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Die gemeinnützige Stiftung wurde 1984 von Alice Schwarzer initiiert, mit einer Anschubförderung von Jan Philipp Reemtsma. Heute kämpft er, wie alle feministischen Archive, von Jahr zu Jahr um die existenziellen Mittel zur Weiterarbeit. Seine Schwerpunkte sind: die Neue Frauenbewegung und die Historische Frauenbewegung, Pionierinnen aus allen Bereichen und Zeiten, die Niederlagen und Siege des Feminismus.

Der FMT birgt rund 50.000 erschlossene Textdokumente, über 29.000 Zeitschriften-Ausgaben (von 990 Titeln, davon 51 historisch). Die einmalige Pressedokumentation aus der vordigitalen Zeit, 1970er bis 1990er, umfasst 460 Ordner, thematisch sortiert und inhaltlich erschlossen. Und zuguterletzt das Projekt FMTvisuell. Es ist mit seinen über 8.000 Fotos und Dokumenten das weltweit wohl umfassendste feministische Bildarchiv. Die Bilder sind analog zu den Texten verschlagwortet.

Kurzum: Ein Besuch vor Ort in Köln (nach Anmeldung) lohnt ebenso wie die Recherche auf www.frauenmediaturm.de.

 

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Der FrauenMediaTurm

© Bettina Flitner
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Früher hieß es in Köln: Wer den Turm hat, hat die Macht. Heute haben Frauen den Turm, der über 600 Jahre lang, bis zur Vollendung des Doms 1880, das Wahrzeichen von Köln war. Deswegen haben Frauen bekanntermaßen allerdings noch lange nicht die Macht. Aber doch immerhin die Macht des Wissens. Und das ist ein erster und unabdingbarer Schritt Richtung gerechter Teilhabe.

Im historischen Bayenturm am Rhein residiert seit 1994 das zehn Jahre zuvor gegründete „feministische Archiv und Dokumen­tationszentrum“, das sich seit dem Einzug in den Turm FrauenMediaTurm (FMT) nennt. Der FMT birgt einen unschätzbaren Schatz: nämlich die Geschichte und Gegenwart der Frauenbewegungen und der Pionierinnen, ihre Erfolge und Niederlagen.

Hier können Forschende und Publizierende sich in den Regalen vor Ort oder online aus der Ferne auf die Spuren der Erfahrungen und Erkenntnisse kluger Frauen der letzten Jahrzehnte oder gar vergangenen Jahrhunderte begeben. Im FMT sind über 50.000 Bücher und Aufsätze plus knapp 30.000 Zeitschriftenausgaben nach Namen und Inhalten erschlossen. Plus eine einmalige Pressedokumentation aus den 1970er bis 1990er Jahren, in der in 460 Ordnern alle feministisch relevanten Themen und Personen dieser Zeit ­dokumentiert sind.

Hinzu kommt ein weltweit wirklich einmaliges Bildarchiv mit über 8000 Fotos, Plakaten und Flugblättern. Es dokumentiert sowohl relevante Ereignisse, vom Kampf der Suffragetten bis zur Provokation der Femen, wie auch feministische Pionierinnen und andere weibliche Persönlichkeiten: von Hedwig Dohm (1831–1919) bis Kanzlerin Merkel. 

Bei der Sammlung wurde der Akzent auf den „anderen Blick“ gelegt. Denn mit Bildern wird ja mindestens so stark Politik gemacht, vor allem Geschlechterpolitik, wie mit Texten. Also archiviert der FMT vor allem die Fotos von Frauen, die die Klischees und karikaturalen Darstellungen starker Frauen widerlegen.

Außerdem beherbergt der Turm kost­bare Archivalien: von Original-Tagebüchern der führenden Frauenrecht­lerin Minna Cauer (1841–1922) bis zu einem Exemplar des Stern, in dem 374 Frauen am 6. Juni 1971 bekannten: „Wir haben abgetrieben – und fordern das Recht für jede Frau“. 

Der FrauenMediaTurm ist eine gemeinnützige Stiftung und wurde 1984 von Alice Schwarzer gegründet. Jan Philipp Reemtsma gab eine Anschubfinanzierung für die ersten 20 Jahre. Seither kämpft der FMT, wie alle feministischen Archive, Jahr für Jahr um seine Existenz. Aber der Kampf lohnt sich. 

„Denn ich habe begriffen, dass unsere ­angebliche ‚Geschichtslosigkeit‘ die stärkste Waffe ist gegen die Emanzipation von Frauen!“, sagt Alice Schwarzer. Und sie erläutert: „Als meine Feministinnen-Generation in den 1970er Jahren startete, wussten wir fast nichts von unseren Vorgängerinnen, der ersten Frauenbewegung. Wir fingen wieder bei Null an. Und jetzt erlebe ich gerade, wie bereits das Wissen von der Neuen Frauenbewegung wegbricht – und die ein, zwei Generationen nach uns wieder von vorne anfangen.“

Damit Frauen nicht immer wieder bei Null anfangen müssen und auf der Stelle treten, statt sich auf die Schultern ihrer Vorgängerinnen zu stellen und weiterzu­sehen, müssen sie ihre eigene Geschichte kennen. Und darauf aufbauen können. Diese Geschichte sichern in Deutschland die in den 1980er Jahren entstandenen feministischen Archive. 

Vom 27. bis 30. Oktober 2016 waren im FrauenMediaTurm vier Tage lang rund 60 Frauen zu Gast, deren gemeinsames Anliegen die Sicherung der Geschichte der Frauenbewegung ist: die Aktivistinnen von i.d.a. (Dachverband deutschsprachiger Lesben-/Frauenarchive, -bibliotheken und -do­ku­mentationsstellen). Die Archivarinnen, Bibliothekarinnen, Wissenschaftlerinnen und Pionierinnen werden bei ihrem Anliegen neuerdings von höchster Stelle unterstützt. Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig fördert bis 2019 nicht nur einzelne der rund 40 Frauenarchive, sondern hat in diesem Jahr auch den Startschuss für ein „Digitales Deutsches Frauenarchiv“ (DDF) gegeben. 

In den kommenden drei Jahren soll eine virtuelle Plattform erarbeitet werden, in die Daten, Dokumente und Fotos aus allen Frauenarchiven in ganz Deutschland einfließen. Damit wird fundiertes Wissen zum Weiterdenken und Weiterhandeln in Sachen Gleichberechtigung im Internet weltweit zugänglich gemacht. Auch das ist vermutlich ein weltweit einmaliges Unterfangen. 

Das diesjährige Treffen der i.d.a.-Frauen hatte der FrauenMediaTurm ausgerichtet, die Expertinnen für das DDF waren gleich mit von der Partie. Am Eröffnungstag begrüßte Alice Schwarzer die Mitstreiterinnen und erinnerte daran, dass „wer keine Vergangenheit hat, auch keine Zukunft hat“. FMT-Vorstandsmitglied Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staats­bibliothek zu Berlin, führte den Kolleginnen in ihrem Vortrag die Chancen und – leider auch – Grenzen des geplanten digitalen Frauenarchivs vor Augen (Stichwort: AutorInnen-Rechte). FMT-Vorstandsmitglied Barbara Schock-Werner, Kölner Dombaumeisterin i.R., führte mit Verve durch den in Stahl und Holz modern ausgebauten historischen Turm. 

Danach ging es in die Arbeitsgruppen von i.d.a. Denn in politisch wie wissenschaftlich so anspruchsvollen Archiven ­genügt es nicht zu sammeln. Das Material muss erschlossen, verknüpft und präsentiert werden. Schließlich ist es das Ziel, dass die feministischen Erfahrungen und Erkenntnisse nicht verborgen bleiben in den Archiven, sondern einfließen in Wissenschaft, Medien, Politik und öffentliche Debatten. 

Am Abend, klar, gab es noch eine Party im historischen Brunnen-Raum des Turms; mit Buffet, DJane und Blick auf den Rhein. Und am Montag darauf ging es wieder weiter im FrauenMediaTurm: die Anmeldungen für die Besichtigung des Turms oder die Recherchen in der Bibliothek sortieren, Anfragen beantworten, bestellte Bücher verschicken, Aktuelles online stellen, mit jungen Wissenschaftlerinnen Forschungsprojekte im Turm diskutieren … Es gibt noch viel zu tun, Frauen, damit es vorangeht mit der Gleichberechtigung.

www.frauenmediaturm.de

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